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Johann Christoph Gottsched: Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe. Herausgegeben von Detlef Döring und Manfred Rudersdorf.

Band 2: 1731–1733. Herausgegeben und bearbeitet von Detlef Döring, Rüdiger Otto und Michael Schlott unter Mitarbeit von Franziska Menzel. Walter de Gruyter, Berlin 2008. XLVII + 685 Seiten.

Im Sommer 2007 ist mit dem Erscheinen des ersten Bandes des Briefwechsels von Johann Christoph Gottsched (Briefe der Jahre 1722 bis 1730) die Edition dieser für die Beschäftigung mit der Aufklärung außerordentlich wichtigen Korrespondenz eröffnet worden. In ca. 25 Bänden soll der gesamte überlieferte Briefwechsel (rund 6000 Briefe aus den Jahren 1722 bis 1766) der Forschung zugänglich gemacht werden. Inzwischen ist der zweite Band herausgekommen, der die Briefe bis 1733 erfasst. Gottsched, der 1723 als Flüchtling vor den Soldatenwerbern des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm aus Ostpreußen nach Leipzig gelangt war, hatte in seiner Wahlheimat relativ rasch Fuß fassen können und nahm dort in den frühen dreißiger Jahren bereits eine durchaus einflussreiche Position ein. Das dokumentiert sich zuerst in seiner Karriere an der Universität: 1729 hatte er eine außerordentliche Professur der Poesie erlangen können, und Ende 1733 wurde er auf die ordentliche Professur für Logik und Metaphysik berufen.

Fast noch wichtiger und jedenfalls im Briefwechsel weit präsenter ist sein Aufstieg als Senior der Deutschen Gesellschaft in Leipzig. Gottsched ist es gelungen, innerhalb weniger Jahre diese unter anderer Bezeichnung bereits 1697 gegründete Sozietät aus einer tiefen Krise herauszuführen und sie gleichsam in eine wissenschaftliche Gesellschaft zur Beschäftigung mit der deutschen Sprache und Literatur umzuformen. Rasch verbreitet sich in weiten Teilen des Reiches der Wunsch, Mitglied jener angesehenen Sozietät zu werden. Das belegen insbesondere die bei Gottsched einlaufenden Briefe. Groß ist auch die Bereitschaft, an den Publikationen der Gesellschaft mitzuarbeiten, wobei den »Beyträgen zur Critischen Historie der deutschen Sprache, Posie und Beredsamkeit « die größte Bedeutung zukommt. Es ist die erste ausgesprochene Fachzeitschrift zur deutschen Sprache und Literatur. Da sich ein Archiv dieser Zeitschrift nicht erhalten hat, ist die Korrespondenz Gottscheds von besonderem Interesse, denn über sie können viele der Mitarbeiter der Zeitschrift, die bis 1744 Bestand hatte (8 Bände mit 32 Heften), identifiziert werden. Nach dem Erscheinen von Band 10 der Briefedition (Briefe des Jahres 1744) wird es möglich sein, die Geschichte dieses Publikationsorganes auf einer weit breiteren Quellengrundlage rekonstruieren zu können, als das bislang denkbar war.

Auch die wohl einflussreichsten Monographien, die Gottsched verfasst hat, liegen 1733 bereits vor – seine »Critische Dichtkunst« und der erste Band der »Ersten Gründe der Gesamten Weltweisheit«. Das erste Werk ist bedeutend für die deutsche Literaturgeschichte in ihrer vorklassischen Zeit, das zweite Buch ist wohl die populärste Darstellung, die die Philosophie von Leibniz und Wolff gefunden hat. Zumindest an den deutschen Schulen und Universitäten (auch im katholischen Raum) besaß jene philosophische Richtung zeitweise eine beherrschende Position. Auch hier gewährt der Briefwechsel bisher ungeahnte Einblicke in die Rezeptionsgeschichte dieser Werke. Universitätsprofessoren, Gymnasiallehrer, Geistliche u. a. korrespondieren mit dem Autor Gottsched. Da geht es inhaltlich von der einfachen Bitte, jene Bücher zu beschaffen und zu übermitteln, bis hin zur Diskussion über bestimmte inhaltliche Fragen. Auch auf dem Gebiet der Reform des deutschen Theaters, heute vielleicht noch am ehesten ein bekanntes Wirkungsfeld Gottscheds, ist in diesen Jahren schon Wesentliches erreicht worden. Mit seinem Drama »Sterbender Cato« hatte Gottsched 1732 ein Stück vorgelegt, das als Vorbild einer neuen deutschen Bühne gedacht war und in der Tat unter den Zeitgenossen breite Beachtung fand. Briefliche Berichte von Aufführungen in den verschiedensten Territorien Deutschlands belegen diese Entwicklung plastisch

Gottscheds Briefwechsel wird in den vierziger und fünfziger Jahren fast ganz Deutschland und viele der angrenzenden Länder umfassen. Die Anfänge dieses Korrespondenznetzes lassen sich schon in den Bänden eins und zwei beobachten. Vor allem die Heimat Ostpreußen, das benachbarte königliche Preußen, Schlesien und Niedersachsen bilden bald Mittelpunkte des Briefverkehrs. Die Geschichte der deutschen Aufklärung vollzog sich im Vergleich zu Westeuropa bekanntlich durchweg dezentralisiert. Gottscheds Briefpartner gewähren uns in ihren Briefen äußerst anschauliche Einblicke in jene regional so unterschiedlichen Prozesse. Persönlichkeiten, die auf nationaler Ebene kaum Bekanntheit erlangt haben, aber in ihren Regionen durchaus tragende Rollen ausgeübt haben, werden hier in einem bunten Panorama plastisch sichtbar. Die jedem Band beigegebenen ausführlichen Biogramme zu den einzelnen Korrespondenten vermitteln dem Leser weiterhelfende zusätzliche Informationen.

Besondere Bedeutung kommt Gottscheds bis zur Eheschließung im Jahre 1735 geführter Briefwechsel mit seiner Braut Luise Adelgunde Victorie Kulmus in Danzig zu. Erhalten haben sich allerdings, wie bei den meisten Korrespondenzen Gottscheds, nur die an den Briefempfänger gerichteten Schreiben. Den Briefen der jungen Frau Kulmus wird in der Geschichte des Briefwechsels ein besonders hoher Rang eingeräumt. Nach dem Erscheinen des 3. Bandes der Ausgabe werden diese Briefe, die leider nur in einem unzuverlässigen Abdruck des 18. Jahrhunderts überliefert sind, erstmals mit einem historisch-kritischen Kommentar versehen vorliegen. Die Edition wird überhaupt das gesamte, allerdings nur bruchstückhaft erhaltene Briefkorpus der Frau Kulmus bzw. Gottsched zugänglich machen. Band 2 enthält allerdings, von den Schreiben an den Bräutigam abgesehen, nur wenige Briefe der Danzigerin.

Band 3, der die Briefe der Jahre 1734 und 1735 enthält, ist als Manuskript beim Verlag eingereicht worden und wird voraussichtlich im Frühjahr 2009 erscheinen.

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Heft 1 (2008)
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ISSN:
1867-7061

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