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Bemerkungen zum Entwurf für ein neues Sächsisches Hochschulgesetz1

Die im Gesetzentwurf der Staatsregierung beabsichtigte Deregulierung, Stärkung des Rektors durch Richtlinienkompetenz, Stärkung der Fakultätsräte und Abbau von Vorgaben durch das Ministerium, Eigenständigkeit bei Berufungen und im Satzungsrecht sind positive Punkte, die ich ausdrücklich begrüße. Ich möchte im Folgenden zu fünf Punkten Stellung nehmen, bei denen ich jedoch noch Handlungsbedarf sehe:

  1. Das Verhältnis zwischen Hochschulen und Ministerium (Grundordnung und Erprobungsklausel)
  2. Die Wahl des Rektors
  3. Die Zusammensetzung des Rektorats und Kompetenzverteilung im Rektorat
  4. Der Hochschulrat
  5. Die Lehrerausbildung

1. Das Verhältnis zwischen Hochschulen und Ministerium(Grundordnung und Erprobungsklausel)

Mein erster Punkt betrifft das Verhältnis zwischen Hochschule und Ministerium. Aus meiner Sicht ist festzuhalten, dass die Gewichte zwischen den Struktureinheiten grundsätzlich verändert werden. Um daraus aber nicht für die Hochschulen eine Fessel zu machen, die alles an dieser Neuordnung des universitären Binnengefüges wieder nach einem extern festgelegten Bild formt, ist zweierlei nötig:

  1. Grundordnung: Diese sollte dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) m. E nur angezeigt werden.
  2. Erprobungsklausel: Diese muss uneingeschränkt gelten, d. h. in § 13 (7) müssen die Einschränkungen auf die Berufungsverfahren (§§ 59–61) und die Binnenorganisation der Fakultät (§§ 87–91) gestrichen werden.

Ich möchte dies kurz begründen: Das Ministerium hat sich nach wie vor eine sehr starke Stellung durch das Gesetz vorbehalten. Nehmen wir nur die Zahl der Fälle, in denen sich das SMWK vorbehält, die Dinge per Rechtsverordnung zu regeln: Ich habe 17 Rechtsverordnungen gezählt, die z. B. so wesentliche Bereiche wie Zielvereinbarungen und Qualitätssicherung umfassen. In beiden Bereichen eröffnet sich das SMWK den direkten Zugriff in die Hochschulen.

Zu den Zielvereinbarungen § 10 (2) und (5): In (5) behält sich das SMWK vor, vor allem die Vorgaben zur Lehrkapazität per Rechtsverordnung zu regeln – wir wissen alle, dass gerade mit der Entscheidung über die Lehrkapazität jeder Handlungsspielraum finanzieller und in weitem Bereich auch inhaltlicher Art genommen werden kann. Selbst hinter der so harmlos und auf den ersten Blick vernünftig klingenden Formulierung in § 10 (5) Satz 2, wonach auch die strukturellen und technischen Anforderungen der Datenübermittlung vom SMWK per Rechtsverordnung festgelegt werden sollen, steht letztendlich eine strukturelle Entscheidung. Denn – auch das ist wohlbekannt – wie die unendlichen Diskussionen über Rankings gezeigt haben, ist die Form der Datenerhebung immer auch gleichzeitig mit ausschließenden Definitionen verbunden.

Um dieser starken Stellung des Ministeriums gegenüber die eigentlich gewollte Stärkung der Selbstverantwortung der Hochschulen nicht zur Farce werden zu lassen, ist es m. E. unabdingbar, dass die Hochschulen eine größere als bisher in der Vorlage erkennbare Freiheit in der Gestaltung ihrer inneren Organisation bekommen.

Daher muss es genügen, wenn die Grundordnung dem SMWK angezeigt wird. Die Rechtsaufsicht hat das Ministerium in jedem Fall, diese kann und soll auch nicht ausgehebelt werden.

Weiterhin ist die Beschränkung in der Erprobungsklausel – die im Übrigen in dem vorangegangenen Entwurf so nicht enthalten war! – ein ebensolcher Hemmschuh für die Hochschulen auf dem Weg in die neue Freiheit. Warum soll es einer Hochschule nicht freistehen, in einem universitätsöffentlichen und transparenten Diskussionsprozess Varianten zu den Rahmenbedingungen des Gesetzes zu definieren? Wir haben in Leipzig, u. a. in einer öffentlichen Veranstaltung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit Jürgen Mittelstraß und Frau Ministerin Stange, z. B. auch über das Modell eines sogenannten Großen Senats im Rahmen der Wahl eines Rektors diskutiert.2 Solche Wege müssen möglich sein, das erst ist ein Autonomiegewinn der Hochschule.

2. Die Wahl des Rektors

Damit komme ich zu meinem nächsten, dem zweiten Punkt: der Wahl des Rektors.

Hier sehe ich in dem Verhältnis von Hochschulrat und Senat bei dem Verfahren zur Wahl des Rektors in § 82 (5) die Möglichkeit einer unauflösbaren Patt-Situation.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Der Hochschulrat schlägt einen Kandidaten vor, der Senat lehnt ihn ab, das gleiche passiert bei den Kandidaten Nr. 2 und Nr. 3. Laut Gesetzesvorschlag wird dann von der Auswahlkommission eine neue Vorschlagsliste aufgestellt. Hier kann sich nun der Vorgang wiederholen und dies dann durchaus ad ultimum. Für einen solchen Fall muss eine Lösung vorgesehen werden, die dem Senat das letzte Entscheidungsrecht über den Kandidaten für die Position des Rektors gibt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass gegen den Senat kein Kandidat Rektor werden kann, also ein Konsenszwang besteht. Dies ist im Interesse einer handlungsfähigen Hochschule unabdingbar.

3. Die Zusammensetzung des Rektorats und die Kompetenzverteilung im Rektorat

Mein dritter Punkt betrifft die Kompetenzverteilung im und die Zusammensetzung des Rektorats. Bisher gilt (§ 94 (1) des noch geltenden SächsHG), dass die Hochschule von einem Rektoratskollegium geleitet wird, dem der Rektor, die Prorektoren und der Kanzler angehören. Nun heißt es in § 83 (1) des Gesetzentwurfs: Rektor und Kanzler bilden das Rektorat. Die Prorektoren können lediglich ›als Erweiterung‹, d. h. als zusätzliche Mitglieder und auch mit anderer Legitimation zu einem Teil des Rektorats werden. Diese Abwertung der Stellung der Prorektoren geht einher mit einer Herauslösung des Kanzlers aus dem Gefüge der universitären Struktur.

Der Kanzler soll nach wie vor vom Ministerium ernannt werden. Er untersteht zwar als Mitglied des Rektorats den Richtlinien des Rektors (§ 82 (1)), kann aber den Entscheidungen des Rektorats in Angelegenheiten der Wirtschaftsführung, wenn er etwas für unzweckmäßig hält, widersprechen. Nun haben bekanntlich fast alle Entscheidungen etwas mit den Finanzen einer Hochschule zu tun – der Kanzler bekommt hier ein allgemeines und grundsätzliches Vetorecht gegen alle Beschlüsse des Rektorats, das ihn deutlich über die anderen Mitglieder des Rektorats stellt, über die Prorektoren und letztlich auch über den Rektor. Dessen Richtlinienkompetenz hört dann da auf, wo der Kanzler etwas für unzweckmäßig hält!

In einem solchen Konfliktfall soll der Hochschulrat entscheiden (§ 85 (2) Satz 5). Der Hochschulrat tritt hier in der Rolle der dritten Position auf, auch er steht damit eindeutig über dem Rektorat. Der Hochschulrat bekommt eine Entscheidungskompetenz im operativen Bereich, die in § 86 (1) gar nicht vorgesehen ist.

Meines Erachtens muss hier eine andere Balance gefunden werden: Der Kanzler muss entweder vollständig in das Rektorat integriert werden oder er muss dem Rektorat unterstellt werden. Die bisher im Gesetz vorgesehene Ausnahmestellung ist nicht sinnvoll. Für beide Lösungen (Integration oder Unterstellung) muss gelten, dass die Hochschule sich selbst entscheiden können muss, welche Lösung sie realisieren möchte. Die derzeitigen Formulierungen in § 85 machen es sehr schwer, überhaupt Umstrukturierungen der Verwaltung vorzunehmen (z. B. wenn man einzelne Teile der Verwaltung dem Rektor oder den Prorektoren zuordnen wollte). Eine Lösung wäre hier, die Anwendung der Experimentierklausel auch im Bereich des Kanzlers und der Verwaltung zu ermöglichen.

In diesem Zusammenhang muss auch über die Zusammensetzung des Rektorats gesprochen werden. Ich halte es für wichtig, nicht nur die Interessen der Gruppen zu vertreten, sondern sie auch über Repräsentanten zu vertreten. § 84 (1) legt fest, dass die Prorektoren aus dem Kreis der Mitglieder der Hochschule gewählt werden. Im Unterschied zu dem § 94 des bisherigen Gesetzes ist dies erfreulich allgemein und – auch erfreulich – nicht auf die Gruppe der Professoren beschränkt. D. h. wir haben hier bereits eine Öffnung, die es gestattet, wenn eine Hochschule dies will, Kandidaten aus den nicht-professoralen Gruppen der Universität zu wählen. Ich denke hierbei an die Juniorprofessoren, die wissenschaftlichen Mitarbeiter und natürlich an die Gruppe der Studierenden. Gerade im Hinblick auf die Vertretung der Interessen Studierender gibt es bereits Hochschulen in Deutschland, die gute und sehr gute Erfahrungen mit einem solchen Modell gemacht haben. Ich denke dabei nicht an den vor einigen Jahren an der Humboldt-Universität nur knapp unterlegenen studentischen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, sondern ich nenne die an der FH Eberswalde und vor allem an der Universität Rostock amtierenden studentischen Prorektoren. Hierbei ist in Deutschland einiges in Bewegung geraten – ich halte dies für eine gute Entwicklung.

4. Der Hochschulrat

Der Hochschulrat soll ein Kontroll- und Beratungsorgan sein. Es bleibt jedoch völlig offen, wer den Hochschulrat kontrolliert – hierzu ist in dem Gesetzentwurf keine Regelung zu finden. Da bei der Konstruktion des Hochschulrates die Struktur der Aufsichtsräte als Vorbild genommen wurde, sollte man hier den Weg konsequent zu Ende gehen: Wie die Aufsichtsräte müssen die Hochschulräte rechenschaftspflichtig sein, sie müssen entlastet werden und sie müssen natürlich auch den Haftbarkeitsregeln unterliegen. Nicht umsonst treffen Aktiengesetz und GmbH-Gesetz hierfür klare Regelungen. Wenn die Mittelbewirtschaftung einer Hochschule dem Hochschulrat übertragen ist und vom Finanzvolumen her eine größere Hochschule jedes kleine und mittlere Unternehmen übertrifft, so ist das Fehlen dieser Regelungen unverständlich. Insofern sollte eine zu § 93 AktG analoge Regelung der Sorgfaltspflichten und der Verantwortlichkeit für die Mitglieder des Hochschulrates erwogen werden. Eine Rechenschaftsablegung und Entlastung könnte durch den Senat erfolgen.

5. Die Lehramtsausbildung

Schließlich nun mein letzter Punkt: Die Lehramtsausbildung. Nach § 92 (2) ist offenbar an eine grundlegende Umstrukturierung der Lehramtsausbildung gedacht. Die Zentralen Einrichtungen zur Koordinierung der Lehramtsstudiengänge, die es an der TU Dresden und an der Universität Leipzig gibt, werden in einem Atemzug, d. h. einem Absatz, mit der Möglichkeit genannt, einer solchen Zentralen Einrichtung teilweise die Rechte einer Fakultät zu übertragen. Das ist natürlich sinnvoll, wenn – wie ebenfalls in diesem Absatz geschrieben – die Zentralen Einrichtungen Aufgaben in Forschung und Lehre haben. Nun ist hier nichts weiter spezifiziert, auch keine Rechtsverordnung vorgesehen – was ich gut finde! –, aber einige Paragraphen weiter kommt die Sonderregelung für die ›Staatliche Ausbildung in Theologie‹ in § 105. Dort wiederum wird jede Form der Veränderung in den Lehramtsstudiengängen unter den Vorbehalt einer Zustimmung durch das SMWK gestellt (§ 105 (4)). Auch die neue Kompetenz der Fakultäten im Hinblick auf die Prüfungsordnungen ist angesichts der engen Verzahnung von Lehramt und Fachstudiengängen damit obsolet oder würde im Zweifelsfall zu einer weiteren Abspaltung des Lehramts von der Fachwissenschaft führen. Damit ist jede, aber auch wirklich jede Möglichkeit, im Rahmen der Lehramtsausbildung eine strukturelle oder inhaltliche Reform durchzuführen, der Universität von vornherein aus der Hand genommen. Solche Reformen sind mühselig, und wenn – bevor sie überhaupt beginnen können – für das Lehramtsfach evangelische oder katholische Religion ein Privileg per Gesetz implementiert ist, dann sind sie aussichtslos.

Im Übrigen haben sich diese Fächer ja auch weitere Privilegien zusichern lassen, die ihnen hier Bestandsschutz per Gesetz zusichern. Vermutlich hätten Musik und Sport auch gern solche Regelungen – sie werden es mit Sicherheit versuchen, wenn § 105 so bleibt.

  1. 1Gekürzte Fassung der Stellungnahme, die am 4.9.2008 im Sächsischen Landtag im Rahmen der Expertenanhörung zum Gesetzentwurf der Sächsischen Staatsregierung abgegeben wurde.
  2. 2Akademieforum vom 30.5.2008. Der dort gehaltene Vortrag von Jürgen Mittelstraß »Die Universität zwischen Anspruch und Anpassung« ist ebenfalls in diesem Heft abgedruckt. Im Anschluss fand eine Diskussion zum neuen Sächsischen Hochschulgesetz und der Führungsrolle des Rektors statt. Anm. d. Herausgebers.
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Heft 1 (2008)
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1867-7061

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