Wiedergutmachung und Entnazifizierung an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig von 1945 bis zur Wiedereröffnung am 1. Juli 1948
Für die Entwicklung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAW) waren die Jahre von 1945 bis 1948 entscheidend, denn es wurde um ihre Weiterexistenz gerungen. Neben der Beseitigung der unmittelbaren Kriegsschäden, die Akademie hatte bei den alliierten Bombenangriffen in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1943 nicht nur ihre Räume in der Universität Leipzig am Augustusplatz sondern auch fast alle ihre Unterlagen und ihr gesamtes Archiv verloren, stand die Bewältigung der alltäglichen Schwierigkeiten im Mittelpunkt. Die Aufarbeitung der eigenen Rolle und des Verhaltens ihrer Mitglieder während der Jahre des Nationalsozialismus standen zunächst nicht auf der Tagesordnung. Jedoch war eine Wiedereröffnung der Akademie ohne Wiedergutmachung geschehenen Unrechts und ohne Auseinandersetzung mit Mitgliedern, welche als aktive Nationalsozialisten aufgetreten waren, nicht durchführbar.
Dieses Problem war unmittelbar nach Kriegsende nur schwer zu lösen, da die Befehle der amerikanischen und der sowjetischen Besatzungsmacht allen Vereinen und Gesellschaften in Deutschland jegliche Aktivitäten untersagt bzw. ihre Auflösung angeordnet hatten. Infolgedessen konnte auch die Akademie in Leipzig keine Klassen-, Plenar- oder Präsidialsitzungen abhalten. Ohne konkrete Anweisung und Erlaubnis der Besatzungsmacht durfte die Akademietätigkeit nicht wieder aufgenommen und die Wiedereröffnung nicht vorbereitet werden.
Entgegen des herrschenden Versammlungsverbotes gelang es am 21. Juli 1945 unter der Bezeichnung ›Dienstzusammenkunft‹, eine Sitzung der ordentlichen Akademiemitglieder in Leipzig abzuhalten.1 Die anwesenden ausschließlich in Leipzig wohnenden Mitglieder berieten über die aktuelle Lage der Akademie und ihre Zukunft. Der SAW gehörten zu diesem Zeitpunkt fünfunddreißig ordentliche Mitglieder an. Anwesend waren von vierundzwanzig ordentlichen Mitgliedern der Philologisch-historischen Klasse jedoch nur fünfzehn.2 Aus der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse nahmen von elf ordentlichen Mitgliedern nur Karl-Friedrich Bonhoeffer, Friedrich Hund, Ludwig Lendle und Rudolf Reinhard teil.3 Einige Mitglieder fehlten aus gesundheitlichen Gründen, andere konnten wegen der schwierigen Reisebedingungen im Nachkriegsdeutschland nicht teilnehmen. Obendrein hatte sich die Mitgliederzahl seit Kriegsende deutlich verringert.
Zunächst hatten die Amerikaner nach ihrem Einmarsch in Leipzig im April 1945 ehemals aktive Nationalsozialisten und hohe Funktionäre der NSDAP sowie ihrer Gliederungen verhaftet, unter ihnen Eberhard Schmidt. Er war das einzige Akademiemitglied, das in diesem Zusammenhang inhaftiert wurde. Ihm wurde seine Tätigkeit als Oberkriegsgerichtsrat zum Verhängnis. Unter anderem aufgrund einer entlastenden Bescheinigung des 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung seines Amtes an der Leipziger Universität enthobenen Erwin Jacobis, wurde Schmidt nach kurzer Haftzeit in die amerikanische Besatzungszone entlassen. Schmidt hatte Jacobi während der vergangenen Jahre unterstützt und ihn nach dessen »Ausbombung sogar für dauernd in sein Haus aufgenommen«.4
Weitere personelle Einschnitte musste die SAW mit dem Abmarsch der Amerikaner verkraften. In den Tagen um den 23. Juni 1945 wurden elf Akademiemitglieder, und damit immerhin die Hälfte aller ordentlichen Mitglieder der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse, in die künftige amerikanische Besatzungszone verbracht. Neben dem Akademiepräsidenten Weickmann waren es Burckhardt Helferich, Robert König, Kurt Kramer, Karl Hermann Scheumann, Arthur Scheunert, Heinrich Schmitthenner und Karl Thomas. Einzig Friedrich Hund entzog sich dem Abtransport, indem er sich tagelang versteckt hielt. Akademiemitglied Adolf Dabelow schloss sich diesem Transport freiwillig an. Bartel Leendert van der Waerden kehrte zugleich unterstützt von den Amerikanern in sein Heimatland Holland zurück. Bei ihrem Abzug aus Thüringen evakuierten die Amerikaner auch Angehörige der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena, unter ihnen Akademiemitglied Helmuth Kulenkampff. In den folgenden Monaten erhielten zahlreiche der ›Evakuierten‹ Lehraufträge an Hochschulen in den westlichen Besatzungszonen. Keines dieser Akademiemitglieder kehrte danach in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) zurück.
Auf der ›Dienstzusammenkunft‹ der ordentlichen Akademiemitglieder am 21. Juli 1945 wurde auch der veränderten politischen Lage Rechnung getragen und die nationalsozialistisch durchdrungene Satzung aus dem Jahr 1940 für ungültig erklärt und das Akademiestatut des Jahres 1928 zur Grundlage der Reorganisationsbemühungen der Akademie erhoben. Weiterhin übergab Vizepräsident Erich Brandenburg die Geschäfte der Akademie offiziell an Theodor Frings, der von den Anwesenden zum Sekretar der Philologisch-historischen Klasse und zum Akademiepräsidenten gewählt wurde. Die Wiedereröffnung der Sächsischen Akademie lag nun in seinen Händen.5
Wiedergutmachung
Zu den ersten Amtshandlungen des neuen Akademiepräsidenten Theodor Frings gehörte die Rehabilitation des 1939 emigrierten jüdischen Ägyptologen Georg Steindorff. Mit einem kurzen Brief begrüßte Frings ihn im Juli 1946 wieder als Akademiemitglied, wobei Steindorff rückwirkend ab 1945 die Rechte eines korrespondierenden Mitglieds erhielt.6 In der Akademie hatte Steindorff während des Nationalsozialismus keine Ausgrenzung sondern viel mehr Unterstützung erfahren. Die Akademie hatte ihrem Mitglied Steindorff in jener schrecklichen Zeit geholfen, indem sie einige seiner Forschungen bis zu seinem erzwungenen Ausscheiden im Dezember 1938 finanziell bezuschusst hat. Nicht zu vergessen der Akademiepräsident Weickmann, der Steindorff bei seinen Bemühungen in die USA zu emigrieren nachhaltig unterstützt hat. So zeigte sich Steindorff über die ihm angetragene korrespondierende Mitgliedschaft im Jahr 1946 außerordentlich erfreut.
Am 21. Juli 1945 fehlten aber auch zwei ordentliche Mitglieder, deren Zuwahl zwar schon 1943 erfolgt war, deren Mitgliedschaft aber erst an diesem Tag endgültig geklärt werden konnte. Der Religionswissenschaftler und Nordist Walter Baetke sowie der Indologe Friedrich Weller waren beide angesehene Leipziger Professoren und als solche satzungsgemäß am 19. Juni 1943 zu ordentlichen Mitgliedern der Philologisch-historischen Klasse gewählt worden. Allen beiden war die seit dem Jahr 1940 notwendige Bestätigung seitens des Reichsstatthalters Martin Mutschmann verweigert worden. Auch ein positives Gutachten des Akademiemitgliedes Alfred Schultze über Walter Baetke konnte die negative Entscheidung nicht revidieren. Hingegen gab es für den Indologen Friedrich Weller keinerlei Anstrengungen, seine Mitgliedschaft doch noch durchzusetzen. Weller vermutete Jahrzehnte später, dass ihm Mutschmann, der wie er aus Plauen stammte, die Jahre zuvor abgelehnte Mitgliedschaft in einer Plauener Freimaurerloge, in welcher Weller schon länger Mitglied war, zur Last gelegt hatte und ihm deswegen die Bestätigung verweigerte.7 Noch vor seinem Weggang aus Leipzig hatte sich Akademiepräsident Weickmann bei den amerikanischen Besatzungsbehörden für die reguläre Aufnahme Walter Baetkes eingesetzt. Nach einer Beratung mit dem amerikanischen Besatzungsoffizier Eaton konnte Weickmann diesem mitteilen, dass die »aus politischen Gründen erfolgte Ablehnung« seines Eintritts in die Akademie nichtig sei und er als provisorisches Akademiemitglied »bis zur Bestätigung durch eine neue Regierung«8 aufgenommen werden könne. Nicht so einfach war es bei Weller, denn der Präsident, der während des Krieges lange Zeit in der Wehrmacht gedient hatte, erinnerte sich nicht mehr an diesen Fall. Allerdings regelte Weickmann diese Angelegenheit ganz unkompliziert und analog zu Baetke ohne Rücksprache mit den Amerikanern, indem er Weller bitten lassen wollte, sich bis zur Bestätigung durch eine künftige Regierung als Mitglied der Akademie zu betrachten.9 Es war Weickmann somit gelungen, ohne dass die Akademie offiziell tätig sein durfte, einige dringende Anliegen mit den amerikanischen Besatzungsoffizieren zu besprechen und diese auch zu klären. Als ordentliche Akademiemitglieder wurden beide dann endgültig am 21. Juli 1945 aufgenommen.
Ebenfalls rehabilitiert wurde der Philosoph und Pädagoge Theodor Litt. Dieser hätte auf der öffentlichen Herbstsitzung der SAW am 22. November 1941 über die »Sonderstellung des Menschen im Reich des Lebendigen« sprechen sollen. Er konnte diesen Vortrag jedoch nicht halten, da ihm die Gestapo zuvor ein Redeverbot für Sachsen erteilt hatte.10 Weil die Akademie sich danach offensichtlich nicht für seine Probleme interessierte, erkundigte sich Litt im Dezember 1941, was die SAW denn »zu tun gedenkt, um zu verhindern, daß eines ihrer Mitglieder innerhalb ihrer eigenen öffentlichen Veranstaltungen zum Schweigen verurteilt wird?«11 Eine Antwort erhielt er nicht. Da nur einzelne Akademiemitglieder und nicht die Gelehrtengesellschaft sich »für seinen Kampf mit dem Ministerium interessiert«12 oder gar für ihn eingesetzt hat, erklärte Theodor Litt am 11. Mai 1942 seinen Austritt aus der Akademie.13 Bereits Ende Mai 1945 sprach Akademiepräsident Weickmann mit dem amerikanischen Militärgouverneur in Leipzig auch über Theodor Litt, dessen Redeverbot daraufhin aufgehoben wurde. Obwohl nunmehr rehabilitiert, fiel es Litt schwer, die ihm angetragene erneuerte Akademiemitgliedschaft anzunehmen. Erst nach längerer Bedenkzeit erklärte dieser im August 1945, dass ungeachtet seiner negativen Erfahrungen mit der Akademie er seine »Hemmungen überwinden und wieder an den Sitzungen«14 teilnehmen werde. Theodor Litt war somit wieder ordentliches Mitglied der Philologisch-historischen Klasse.
Bis auf Friedrich Weller und Walter Baetke waren während des Nationalsozialismus alle gewählten ordentlichen Akademiemitglieder durch die vorgesetzten Behörden bestätigt worden. Nicht bestätigt worden waren Anfang der 1940er Jahre die regulär gewählten korrespondierenden Mitglieder Oskar Perron, Johannes Pedersen und Giorgio Pasquali. Der Münchner Mathematiker Perron war am 23. November 1940 zum korrespondierenden Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse gewählt worden. Seine Mitgliedschaft wurde nicht vollzogen, weil das sächsische Volksbildungsministerium seine Zuwahl nicht zur Bestätigung an das Reichserziehungsministerium in Berlin weitergeleitet hat.15 Die beiden anderen unbestätigten Zuwahlen betrafen die Philologisch-historische Klasse. Am 29. November 1941 war der dänische Orientalist Pedersen und am 19. Juni 1943 der Altphilologe Pasquali zu korrespondierenden Mitgliedern gewählt worden. Auch diesen Mitgliedschaften wurde, ohne dass nähere Gründe bekannt sind, nicht zugestimmt. Obwohl alle drei Zuwahlen satzungsgemäß erfolgten, wurde keiner von ihnen nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur und der Wiedereröffnung der Sächsischen Akademie korrespondierendes Mitglied.
Vermisst wird auch die Wiedergutmachung bzw. die Rücknahme der Streichung der 1938 ausgeschiedenen jüdischen korrespondierenden Mitglieder Edmund Oskar Ritter von Lippmann und Issai Schur. Beide wurden seit 1939 nicht mehr in den gedruckten Mitgliederverzeichnissen der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse genannt. Allerdings lassen sich diese Streichungen nicht genau rekonstruieren oder datieren, da weder in den Protokollbüchern noch in anderen Unterlagen ein offizielles Ausschlussverfahren oder die Art und Weise der Streichung festgehalten wurde. Lippmann wird jedoch ab 1941, nur ein Jahr nach seinem Tod, in der Liste der verstorbenen Mitglieder geführt. Issai Schur emigrierte 1939 nach Palästina, wo er zwei Jahre später verstarb. Im Gegensatz zu Lippmann wurde Schur nicht unmittelbar nach seinem Tod im Jahr 1941 in die Liste der verstorbenen Mitglieder aufgenommen. Es liegt die Vermutung nahe, dass man lange nichts vom Ableben Schurs wusste, denn Informationen gelangten aus Palästina nur spärlich nach Leipzig. Erstmals im Akademiejahrbuch 1957–1959 wird Schur als ein verstorbenes Akademiemitglied aufgeführt.
Ebenfalls nicht rehabilitiert wurde der Leipziger Professor für Geografie Wilhelm Volz, seit 1925 ordentliches Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse. Aufgrund einer Anweisung des Reichserziehungsministers Rust vom 22. November 1938 musste Präsident Weickmann ein Rundschreiben an alle Akademiemitglieder schicken, dass diese aufforderte, Auskunft über ihre ›arische‹ Abstammung und die ihrer Familie zu geben.16 Im Nachlass des Akademiemitgliedes Wilhelm Volz befindet sich dieses Schreiben und der dazugehörige Fragebogen, jedoch unausgefüllt.17 Volz, dessen Ehefrau jüdischer Abstammung war, hat das Schreiben offensichtlich nicht beantwortet. Als Folge des Ministererlasses vom November 1938 setzte sich der Sekretär Erich Brandenburg mit der Bayerischen Akademie in Verbindung und erkundigte sich bezugnehmend auf Volz über ihr Vorgehen gegenüber einem ›nichtarisch versippten‹ Mitglied.18 Eine Antwort ist nicht vorhanden. Als »jüdisch versipptes Mitglied«19 musste Volz offensichtlich aus der Akademie ausscheiden. Nach seiner Emeritierung 1935 war Volz auf das Rittergut Pauscha bei Naumburg verzogen. Obwohl er damit den unmittelbaren Wirkungsbereich der SAW verlassen hat, wird er in den Mitgliederverzeichnissen seiner Klasse bis 1939 nie als korrespondierendes, sondern stets als ordentliches Mitglied geführt. Sein Name erscheint jedoch ab 1940 nicht mehr in den gedruckten Verzeichnissen. Auch in seinem Fall ist in den Protokollbüchern weder ein Austritt, noch eine Streichung oder gar ein Ausschluss dokumentiert. Verwunderlich allerdings ist, dass Volz auch nach 1945 nie wieder in den Akademiejahrbüchern als ordentliches oder korrespondierendes Mitglied genannt wird. Gerald Wiemers gibt im 2006 erschienenen Mitgliederverzeichnis eine kontinuierliche ordentliche Mitgliedschaft an.20 Wäre Volz ab 1945 wieder Akademiemitglied gewesen, dann stünde sein Name in einer der publizierten Mitgliederlisten. Noch verwirrender wird das Ganze durch eine Aussage Ilse Stohmanns, der langjährigen Verwaltungsleiterin der Akademie. Diese teilt der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin am 14. August 1958 mit, dass Volz kein Akademiemitglied war.21 Hier liegt sie falsch. Ihre Aussage ist Beleg dafür, dass der Ausschluss des Geografen und dessen Rehabilitierung nach 1945 nie wieder thematisiert worden ist.
Entnazifizierung
Während Akademiepräsident Weickmann bereits im Juni 1945 um Wiedergutmachung bemüht war, fand eine Auseinandersetzung mit Akademiemitgliedern, welche dem NS-Regime nahegestanden haben, erstmals intensiver anlässlich des am 23. Mai 1947 erlassenen Befehls zur Wiedereröffnung der Sächsischen Akademie statt.
Einzig die fragwürdige Mitgliedschaft Erich Maschkes, Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Leipzig, und dessen Ausscheiden fallen in einen früheren Zeitraum. Maschke war auf der ›Dienstzusammenkunft‹ am 21. Juli 1945 zum ordentlichen Mitglied der Philologisch-historischen Klasse gewählt worden. Jedoch brachte nur wenige Tage später der Slawist Reinhold Trautmann in einem Schreiben sein Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Zuwahl zum Ausdruck. Die in der ›Dienstbesprechung‹ erfolgte Zuwahl war seiner Meinung nach nicht legitim. Außerdem gab Trautmann die unrühmliche Vergangenheit Maschkes als Führer der NS-Dozentenschaft der Universität Leipzig sowie dessen SA- und NSDAP-Mitgliedschaft zu bedenken. In Maschke sah er einen »typischen Vertreter des Dritten Reiches«, der als ordentliches Mitglied »der Akademie den Todesstoß versetzen könnte«.22 Eine Reaktion auf den Brief Trautmanns ist nicht überliefert. Sicher war die Situation sehr kompliziert, vor allem nachdem Maschke im Oktober 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet worden war. Er wird erst 1953 aus der Gefangenschaft entlassen. Maschke siedelt sich in der Bundesrepublik an, wo er 1956 Ordinarius an der Universität Heidelberg wird.
Trautmanns damalige Bedenken aufgreifend, muss man heute fragen, ob Maschke überhaupt ein satzungsgemäß gewähltes ordentliches Mitglied war?23 Maschke war am 20. Januar 1945 der Philologisch-historischen Klasse für die Zuwahl präsentiert worden. Die Zuwahl im Plenum erfolgte laut Protokollbuch am 21. Juli 1945. Die Art und Weise oder das Datum seines Ausschlusses kann überhaupt nicht bestimmt werden. Der Name Maschke erscheint nach 1945 weder in den Protokollbüchern noch in den Mitgliederlisten, welche seit 1954 regelmäßig von der Akademie veröffentlicht werden. Sein Ausschluss müsste zeitlich nach dem Schreiben Trautmanns vom 24. Juli 1945 liegen. Gegen Maschkes Mitgliedschaft in der SAW spricht außerdem die fehlende Mitgliederakte im Akademiearchiv. Neben der rechtlichen Unsicherheit über die Zuwahl während einer ›Dienstberatung‹ und wegen des Engagements Maschkes für den Nationalsozialismus, war vermutlich seine Verhaftung ausschlaggebend, ihn nicht mehr zu erwähnen. Der Umgang mit Maschke macht zum einen deutlich, wie kompliziert und verworren die Situation in der unmittelbaren Nachkriegszeit war und zeigt zum anderen, wie gravierend der Verlust der Dokumente aus jenen Jahren ist. Betrachtet man das untypische Wahlverfahren und die fehlenden Eintragungen in den Protokollbüchern, muss man davon ausgehen, dass Maschke bei der Wiedereröffnung der SAW am 1. Juli 1948 nicht als Akademiemitglied angesehen wurde.
Die seit 1945 fehlenden Arbeits- und Versammlungsmöglichkeiten ließen die »Frage der Reinigung«24 der Akademie von ›politisch belasteten‹ Mitgliedern erst zwei Jahre später aufkommen. Das Akademieplenum beschloss auf einer konstituierenden Sitzung am 4. Juni 1947, die in der Vergangenheit im Sinne des Nationalsozialismus politisch aktiven Akademiemitglieder nicht wieder aufzunehmen.25 Man sprach diesbezüglich über Heinrich Junker, Hans Freyer und Bruno Schier.
Heinrich Junker, ordentlicher Professor der Indologie an der Leipziger Universität, war jahrelang ein aktives Mitglied der Philologisch-historischen Klasse. Das Verhältnis Junkers zum Nationalsozialismus lässt sich heute nicht mehr genau rekonstruieren, da seine Personalakte der Universität Leipzig in den letzten Kriegstagen verbrannt wurde.26 Fest steht, dass Junker seit 1933 Mitglied der NSDAP war, denn nach Kriegsende rechtfertigt er seine Mitgliedschaft mit damals fehlenden politischen Kenntnissen. In einer nach dem Krieg neu angelegten, heute im Universitätsarchiv einzusehenden Personalakte befindet sich ein Schriftstück Junkers, in dem er seine Beziehungen zur NSDAP darstellt.27 Er schildert darin, dass ihm 1934 aufgrund seiner langjährigen Mitgliedschaft in einer Leipziger Freimaurerloge verboten worden war, Parteiämter zu bekleiden. Des Weiteren behauptet Junker, 1939 aus der NSDAP ausgetreten zu sein, und weist vehement alle Vorwürfe zurück, wichtige Positionen im Sicherheitsdienst (SD) und anderen NS-Organisationen innegehabt zu haben. Der Historiker Gerd Simon hingegen hegt keinen Zweifel an seiner Zugehörigkeit zum Sicherheitsdienst der SS.28 In den Akten des Berlin Document Centers befindet sich eine Beurteilung einer Leipziger NSDAP-Ortsgruppe, die festhält, dass Junker, der »kein Amt in der Bewegung bekleiden darf, […] eifrig Stimmungsberichte aus der Bevölkerung und besonders aus akademischen Kreisen geliefert«29 hatte. Eine ähnliche Meinung vertrat nach dem Krieg auch Bernhard Schweitzer, der Junker beschuldigt, die Streichung der jüdischen Mitglieder aus der Akademie betrieben zu haben.30 Noch während der amerikanischen Besatzung wurde Junker von der Universitätsleitung entlassen. Nach einer kurzen Phase als Referent im Staatssekretariat für Hochschulwesen machte Junker dann als Professor an der Humboldt-Universität in der DDR erneut Karriere. An der SAW entschied man sich, Heinrich Junker nicht wieder als Mitglied aufzunehmen.31
Anders stellt sich dagegen die Situation beim Ausscheiden Hans Freyers dar. Als ordentlicher Professor der Soziologie war Freyer seit 1932 ordentliches Akademiemitglied. Obwohl er kein Mitglied der NSDAP war, erhielt Freyer 1946 Lehrverbot und wurde zwei Jahre später »mit Rücksicht auf die in seinen Schriften vertretende Ideologie«32 von der Universität Leipzig entlassen. Die Akademiemitglieder entschieden sich vermutlich daraufhin im Juni 1947 gegen eine weitere Mitgliedschaft Freyers. Jedoch hegte man den Gedanken, ihn zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu berufen. Mit dieser Verfahrensweise gefährdete man die bevorstehende Wiedereröffnung der SAW nicht und bewahrte sich zugleich Entscheidungsfreiheit. Anlässlich der Arbeitsaufnahme der Akademie am 1. Juli 1948 erhielt Freyer dann die Mitteilung, dass ihm die zuständigen Behörden die Bestätigung als Akademiemitglied verweigert hatten.33
Ebenfalls nicht wieder in die Akademie aufgenommen wurde der Professor für deutsche Volks- und Altertumskunde Bruno Schier, der wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft im November 1945 aus dem Universitätsdienst entlassen worden war.34 Ihm hatte die Sächsische Landesregierung gleichfalls eine Bestätigung als ordentliches Akademiemitglied verweigert.35 Hans Freyer und Bruno Schier verließen Leipzig noch in den 1940er Jahren. Zu Beginn der 1950er, als über die korrespondierenden Mitglieder der SAW beraten wurde, berücksichtigte man keinen von beiden. Offensichtlich ist man an der Akademie bei Freyer und Schier den Weg des geringsten Widerstandes gegangen und den Wünschen des sächsischen Volksbildungsministeriums nachgekommen.
Daneben sah sich Theodor Frings allerdings auch im Zuge der Akademiewiedereröffnung gezwungen, den bisherigen ordentlichen Akademiemitgliedern Alexander Cartellieri, Johannes Hertel und August Fischer mitzuteilen, dass die sächsischen Behörden einer künftigen Akademiemitgliedschaft negativ gegenüberstanden. Auch intensive Verhandlungen und mehrere Gespräche mit dem sächsischen Volksbildungsminister Helmut Holtzhauer konnten diese Entscheidung nicht revidieren. Alle drei Emeriti wurden nicht wieder auf die Mitgliederliste gesetzt, jedoch wollte man über diese Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt nochmals reden.36
Alexander Cartellieri, Mediävist an der Universität Jena, war seit 1933 ordentliches Mitglied. Aufgrund seines hohen Alters und der für ihn strapaziösen Reise von Jena nach Leipzig wurde es für ihn nach und nach unmöglich, an den Klassen- und Plenarsitzungen teilzunehmen. Als emeritierter und betagter Professor hatte Cartellieri keine Chance, wieder einen Lehrauftrag zu erhalten. Seine Akademiemitgliedschaft wurde von Holtzhauer persönlich abgelehnt, »weil unser Bemühen vor allem darauf gerichtet sein muss, die fortschrittlichen Kräfte der Akademie zu stärken«.37 In der SAW bedauerte man die abschlägige Entscheidung, schickt ihm aber weiterhin die Akademieschriften zu.38
Auch dem Indologen Johannes Hertel, der seit 1921 Akademiemitglied war, wurde vom sächsischen Volksbildungsministerium die Bestätigung verweigert. Hertel war emeritiert und konnte aufgrund einer langwierigen Erkrankung nicht mehr lehren. Zum 1. Juli 1948 musste Hertel aus der Akademie ausscheiden. Das bezeugt ein Beileidschreiben des Akademiepräsidenten Frings an die Tochter Hertels aus dem Jahr 1955: »Es war mir seinerzeit ein Schmerz, dass er bei der Neugründung der Akademie wegen Überschreitung der Altersgrenze nicht mehr bestätigt werden konnte«.39 Diesem Sachverhalt wurde aber nur geringe Bedeutung beigemessen, denn im 1958 erschienen Akademiejahrbuch würdigte Friedrich Weller die wissenschaftlichen Verdienste Hertels in einem mehrseitigen Nachruf, aber ohne die 1948 verweigerte Mitgliedschaft zu erwähnen.
Im Fall August Fischers, der sich in 48 Jahren ordentlicher Mitgliedschaft große Verdienste um die Akademie erworben hatte und von 1927 bis 1937 als Sekretar der Philologisch-historischen Klasse gewirkt hatte, war die Nichtbestätigung besonders tragisch. In den schwierigen 20er Jahren hatte er gemeinsam mit Max LeBlanc die Akademie vor dem finanziellen Zusammenbruch und der Auflösung gerettet. Als Mitglied der Ägyptischen Akademie zu Kairo reiste Fischer häufig in den arabischen Raum. Die dafür notwendigen Zustimmungen des Auswärtigen Amtes waren für ihn mit dem Parteibuch der NSDAP wesentlich leichter zu erhalten als ohne.40 Aufgrund seiner NSDAP-Zugehörigkeit wurde der emeritierte Fischer im Oktober 1945 von der Universität Leipzig entlassen. Dabei sah er sich selbst stets nur als unschuldigen Mitläufer.41 Diese Darstellung übernahm auch Frings, als er 1948 in Dresden die Bestätigung Fischers als ordentliches Akademiemitglied erbat. Die Fortsetzung seiner Mitgliedschaft scheiterte jedoch am Widerstand der Landesregierung v. a. wegen des hohen Alters und nicht wegen seiner früheren NSDAP-Mitgliedschaft.42 Im Andenken an seine Verdienste wurde sein wissenschaftliches Wirken in einem allerdings sehr knappen Nachruf im ersten Jahrbuch der Akademie gewürdigt.
Berücksichtigt man den unklaren Fall Maschke nicht, war Junker das einzige ordentliche Mitglied, das ohne jeden Druck von außen, nur infolge seiner politischen Vergangenheit aus der Akademie ausgeschlossen wurde. Den anderen zum 1. Juli 1948 ausgeschiedenen ordentlichen Mitgliedern Bruno Schier, Hans Freyer, Alexander Cartellieri, Johannes Hertel und August Fischer wurde die Bestätigung ihrer Mitgliedschaft durch das sächsische Ministerium für Volksbildung verweigert. Dieses nutzte die Entnazifizierung, um politisch unliebsame Hochschullehrer aus den Universitäten zu entfernen und es nutzte seine Bestätigungsbefugnis, um die Mitgliedschaft in der SAW zu verweigern. Bei Alexander Cartellieri und August Fischer könnte anfangs ihre NSDAP-Mitgliedschaft eine Rolle gespielt haben, jedoch war diese nach dem Abschluss der Entnazifizierungsverfahren und der Rehabilitierung nomineller Parteimitglieder im Sommer 1948 nebensächlich geworden. Die beiden ehemaligen ordentlichen Akademiemitglieder wurden, genauso wie Johannes Hertel, als emeritierte Hochschullehrer, die keine Lehrtätigkeit mehr ausübten, ›altersbedingt‹ nicht mehr bestätigt. Auf diesem Weg sollte Platz gemacht werden für junge ›fortschrittliche‹ Wissenschaftler.
Die Auseinandersetzung mit den korrespondierenden und auswärtigen Mitgliedern wurde, um die Akademieeröffnung nicht zu gefährden, auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt vertagt. Die Beratungen über den Ausschluss oder den Verbleib der auswärtigen Mitglieder wurden wesentlich später durchgeführt als die Aussprache über die ordentlichen Mitglieder, da die korrespondierenden Mitglieder an der Wiedereröffnung der Akademie 1948 keinen Anteil hatten. Es erschien außerdem sinnvoll, zunächst einmal die gesellschaftlichen Entwicklungen und die wissenschaftspolitischen Veränderungen abzuwarten. Nachdem die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Jahr 1951 den Umgang mit ihren auswärtigen Mitgliedern geregelt hatte, diskutierte man in den Klassen und im Plenum der SAW ebenso über die korrespondierenden Mitglieder, deren Bezeichnung laut Satzung vom 1. Juli 1948 nun ›auswärtige‹ lautete. Am 7. Mai 1951 beschlossen die Mitglieder beider Klassen, alle früher in Leipzig, Jena, Halle und Dresden tätigen ordentlichen Mitglieder als auswärtige Mitglieder weiterzuführen.43
Entgegen dieses Beschlusses wurden mit Helmut Berve und Josef Hopmann zwei ehemalige ordentliche nicht als korrespondierende bzw. nunmehr auswärtige Mitglieder weitergeführt. Helmut Berve war von 1935 bis 1940 stellvertretender Sekretar der Philologisch-historischen Klasse und seit 1943 ihr korrespondierendes Mitglied. Zwischen 1940 und 1943 war er Rektor der Leipziger Universität und Dekan der Philosophischen Fakultät. Am 20. August 1945 wurde er in München verhaftet und im Januar des folgenden Jahres aus seiner Professur entlassen. Belastend waren für Berve neben seiner Zugehörigkeit zur NSDAP auch seine Schriften, in denen er »die Einbindung der Altertumswissenschaften in das nationalsozialistische Weltbild«44 propagiert hatte. Die Mitglieder der SAW beschlossen auf der Gesamtsitzung am 14. Dezember 1953, dass Helmut Berve »als korrespondierendes Mitglied nicht mehr weitergeführt«45 wird. Berve erhielt erst 1954 wieder eine Professur an einer westdeutschen Universität.
Über die Mitgliedschaft Josef Hopmanns in der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse beriet man in der Akademie nur wenige Wochen später. Hopmann war seit 1932 ordentliches Mitglied, hatte Leipzig gegen Kriegsende verlassen. Er kehrte nach seiner Entlassung aus englischer Gefangenschaft nicht nach Leipzig zurück. Das Akademieplenum beschloss am 25. Januar 1954, Hopmann nicht mehr als korrespondierendes Mitglied zu führen.46 Inwieweit seine frühere NSDAP-Mitgliedschaft oder sein Vorschlag vom Juni 1938, eine Büste des Führers im Sitzungssaal der Akademie aufzustellen, ausschlaggebend war, ist nicht bekannt.47
Kriterien, die festlegten, wer korrespondierendes Mitglied bleiben durfte und wer nicht, sind nirgendwo festgehalten worden. Eindeutige und nachvollziehbare Richtlinien für die Streichung korrespondierender Mitglieder sind weder bei Helmut Berve noch bei Josef Hopmann zu erkennen. So wurde Berve ausgeschlossen, während der Anatom Max Clara korrespondierendes Mitglied blieb, obwohl Clara NSDAP-Mitglied, Dozentenbundführer der Universität Leipzig und kommissarischer Gaudozentenführer von Sachsen gewesen war. Clara hatte seit 1940 der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse als ordentliches und ab 1944 als korrespondierendes Mitglied angehört. Das Akademieplenum beschloss am 14. Dezember 1953, den von der Universität München nach Kriegsende entlassenen und mittlerweile in Istanbul lehrenden Anatom als korrespondierendes Mitglied weiterzuführen.48 Nachdem Clara im März 1966 verstarb, widmete Akademiepräsident Kurt Schwabe ihm in der öffentlichen Herbstsitzung am 12. November 1966 einen Nachruf.49 Seine Worte führten anschließend zur Diskussionen über die politischen Aktivitäten Claras während des Nationalsozialismus. Vermutlich erhielt er deswegen im Akademiejahrbuch keinen Nachruf.
Beim Ausschluss der korrespondierenden Mitgliedern Berve und Hopmann wurde ganz offensichtlich das in der Satzung seit 1948 festgeschriebene Recht, Mitglieder mit Zweidrittelmehrheit auszuschließen, angewendet.
Resümee
Während mit der Rehabilitierung und Wiederaufnahme der ausgeschiedenen bzw. nicht bestätigten ordentlichen Akademiemitglieder Georg Steindorff, Theodor Litt, Walter Baetke und Friedrich Weller unverzüglich nach Kriegsende begonnen wurde, konnten keinerlei Bemühungen festgestellt werden, den erzwungenen Austritt oder die angeordnete Nichtweiterführung bzw. den Ausschluss des Mitgliedes Wilhelm Volz zu revidieren. Ebenso vermisst wird eine offizielle Verlautbarung aus der unmittelbaren Nachkriegszeit über die zurückgenommene Streichung der beiden korrespondierenden Mitglieder Edmund Oskar Ritter von Lippmann und Issai Schur als Zeichen der Wiedergutmachung. Auch die nie wieder in Betracht gezogenen, während des Nationalsozialismus verweigerten Mitgliedschaften Oskar Perrons, Johannes Pedersens und Giorgio Pasqualis lassen Zweifel aufkommen, ob man sich im Zuge der Akademiewiedereröffnung im Juli 1948 überhaupt intensiv und kritisch mit der Rolle und Bedeutung der SAW während der nationalsozialistischen Diktatur befasst hat.
Eine Auseinandersetzung über die Verstrickungen und das Verhalten der Akademiemitglieder hat bis zum Wiedereröffnungsbefehl im Mai 1947 nicht stattgefunden. Die fehlende Arbeitserlaubnis und das Versammlungsverbot hatten lange Zeit alle personalpolitischen Entscheidungen verhindert. Deswegen griff man auf die Ergebnisse der Entnazifizierung der Leipziger Universität zurück. Eigene langwierige Entnazifizierungsverfahren fanden an der Akademie nicht statt, da sie ihre Tätigkeit erst nach dem offiziellen Abschluss der Entnazifizierung in der SBZ wieder aufnehmen durfte.
Mit der Wiedereröffnung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig am 1. Juli 1948 endete dann endlich der mehrjährige Stillstand. Unbeirrt war seit Kriegsende an der Akademiewiedereröffnung gearbeitet worden, obwohl die Arbeitsmöglichkeiten aufgrund des Versammlungsverbotes beeinträchtigt waren. Ohne Zielstrebigkeit und ohne die notwendigen Kompromisse gegenüber den neuen Machthabern – auch in Bezug auf die Mitglieder – hätte es möglicherweise nach 1945 keine Wissenschaftsakademie mehr in Leipzig gegeben. Die sächsische Landesregierung bestätigte zur offiziellen Wiedereröffnung 34 ordentliche, alte und neu hinzugewählte, Akademiemitglieder, die alle Lehrstuhlinhaber an den Universitäten oder Hochschulen in Leipzig, Dresden, Freiberg, Halle oder Jena waren. Mit Heinrich Junker, Hans Freyer, Bruno Schier, Alexander Cartellieri, Johannes Hertel und August Fischer wurden sechs ehemalige ordentliche Akademiemitglieder nicht wieder als solche in die Sächsische Akademie aufgenommen.
- 1Archiv der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (ASAW), B 2.3 Protokolle der Gesamtsitzungen 1943–1961, Bl. 8 ff.
- 2Anwesend waren: Albrecht Alt, Erich Brandenburg, August Fischer, Theodor Frings, Hans-Georg Gadamer, Heinrich Junker, Friedrich Klingner, Alfred Körte, Rudolf Kötzschke, Karl Reinhardt, Bruno Schier, Alfred Schultze, Bernhard Schweitzer, Heinrich Siber und Reinhold Trautmann. Es fehlten: Philipp August Becker und Johannes Hertel (krank), Alexander Cartellieri, Otto Clemen, Otto Vossler und Johannes Kühn (nicht in Leipzig), Erich Bräunlich (Kriegsgefangenschaft), Johannes Friedrich und Walter Stach.
- 3Es fehlten: Heinrich Barkhausen, Josef Hopmann, Wilhelm Ruhland (nicht in Leipzig), Reinhard Scholl und Paul Koebe (krank), Werner Hueck und Otto Renner.
- 4Erwin Jacobi, Bescheinigung für Eberhard Schmidt, 27.12.1945, Universitätsarchiv Leipzig (UAL), Nachlass Erwin Jacobi 1/1.
- 5ASAW, B 2.3 Protokolle der Gesamtsitzungen 1943–1961, Bl. 8 ff.
- 6SAW (Frings) an Steindorff, 26.7.1946, ASAW, Mitgliederakte Georg Steindorff.
- 7Wilhelm Rau an Gerald Wiemers, 8.3.1983, ASAW, Mitgliederakte Friedrich Weller.
- 8Weickmann an Baetke, 2.6.1945, ASAW, Mitgliederakte Walter Baetke.
- 9Weickmann an Brandenburg, 20.6.1945, ASAW, Mitgliederakte Erich Bethe.
- 10Ursache war der Vortrag über »die Krisis des Geistes«, den Litt Anfang November in Dresden gehalten hatte.
- 11Litt an SAW (Brandenburg), 19.12.1941, UAL, Theodor-Litt-Archiv (TLA), Nachlass Theodor Litt, P 3-0100.
- 12Weickmann an Brandenburg, 20.6.1945, ASAW, Mitgliederakte Erich Bethe.
- 13Theodor Litt, Austrittserklärung, 11.5.1942, UAL, TLA, Nachlass Theodor Litt, P 3-0106.
- 14Litt an Frings, 4.8.1945, UAL, Sammlung Litt, Mappe ›Nachlass Elisabeth Lea‹.
- 15Gerald Wiemers, »Die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 1846–1996. Zur Organisationsform ihrer Mitglieder«, inNeues Archiv für Sächsische Geschichte 67 (1996), S. 179–199, hier S. 193.
- 16Weickmann (SAW) an Volz, 5.12.1938, Archiv Institut für Länderkunde (IfL), Nachlass Wilhelm Volz, 408/94.
- 17Ebd.
- 18Brandenburg (SAW) an Bayerische Akademie der Wissenschaften, 30.12.1938, ASAW, B 3.4 Schriftverkehr, 1938–1949.
- 19Weickmann (SAW) an Volz, 5.12.1938, (Fn. 16).
- 20Gerald Wiemers und Eberhard Fischer, Die Mitglieder von 1846 bis 2006, Berlin ²2006, S. 129.
- 21»Herr Geheimrat Volz war nicht Mitglied der Sächsischen Akademie wie im Kürschner angegeben ist.« Ilse Stohmann an DAW, 14.8.1958, ASAW, Mitgliederakte Wilhelm Volz.
- 22Trautmann an SAW (Frings), 24.7.1945, ASAW, Mitgliederakte Reinhold Trautmann, Bl. 5.
- 23Bei Wiemers und Fischer, Die Mitglieder (Fn. 20), S. 196, wird die Mitgliedschaft Maschkes vom 20.1.1945 bis zum 1.7.1945 angegeben.
- 24SAW (Frings) an Johannes Stroux (DAW), 17.12.1945, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW), Bestand Akademieleitung, Nr. 429.
- 25Vorbereitende Zusammenkunft am 4.6.1947, ASAW, B 2.3 Protokolle der Gesamtsitzungen 1943–1961, S. 10.
- 26In einem vom damaligen Dekan ergangenen Geheimerlass soll die Vernichtung aller Personalakten angeordnet worden sein. Die Vernichtung wurde nach wenigen Akten wieder eingestellt. Vgl. Gadamer an Schweitzer, 4.6.1945, UAL, PA 615 Heinrich Junker, Bl. 31.
- 27Heinrich Junker, Lebenslauf, Dez. 1950, UAL, PA 615 Heinrich Junker, Bl. 5–8.
- 28Gerd Simon, Maskenwechsel. Wie der SS-Hauptsturmführer Schneider zum BRD-Hochschullehrer Schwerte wurde und andere Geschichten über die Wendigkeit der deutschen Wissenschaft im 20. Jahrhundert, Tübingen 1999, S. 259.
- 29Bewertung der NSDAP-Ortsgruppe Zentrum vom 3.7.1936, BDC, Negativ-Nr. RSHA 1703 FC 1581/3280 P1 ZB 7895 A.8.
- 30Bernhard Schweitzer an Eduard Erkes, 19.1.1951, UAL, PA 615 Heinrich Junker, Bl. 118.
- 31Vorbereitende Zusammenkunft am 4.6.1947 (Fn. 25).
- 32Landesregierung Sachsen an Freyer, 16.3.1948, UAL, PA 474 Hans Freyer, Bl. 245.
- 33SAW (Frings) an Freyer, 1.7.1948, ASAW, Mitgliederakte Hans Freyer.
- 34Wolfgang Jacobeit, »Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in der DDR-Volkskunde«, in Helge Gerndt (Hg.), Volkskunde und Nationalsozialismus. Referate und Diskussionen einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde München, 23. bis 25. Oktober 1986, München 1987, S. 301–318, hier S. 302.
- 35SAW (Frings) an Schier, 1.7.1948, ASAW, Mitgliederakte Bruno Schier.
- 36Artur Simon an Josef Naas (DAW), 1.2.1948, Hauptstaatsarchiv (HStA) Dresden, 11401 Nr. 1699, Bl. 297.
- 37Helmut Holtzhauer, 24.8.1949, HStA Dresden, 11401 Nr. 1699, Bl. 231.
- 38SAW (Frings) an Cartellieri, 1.7.1948, ASAW, Mitgliederakte Alexander Cartellieri.
- 39SAW (Frings) an Hertels Tochter, 2.11.1955, ASAW, Mitgliederakte Johannes Hertel.
- 40August Fischer, Meine Beziehungen zur NSDAP, 5.10.1945, ASAW, Mitgliederakte August Fischer.
- 41Ebd.
- 42»Die Instanzen, die über die neue Mitgliederliste entschieden, haben emeritierte Professoren grundsätzlich nicht bestätigt, trotz unseres Vorschlags und trotz unserer Gegeneinwendungen.« (SAW (Frings) an A. Fischer, 1.7.1948, ASAW, Mitgliederakte August Fischer).
- 43Gesamtsitzung am 7.5.1951, ASAW, B 2.3 Protokolle der Gesamtsitzungen 1943–1961, S. 49.
- 44Berve war Leiter des »Kriegseinsatzes der Altertumswissenschaften«. Vgl. Simon, Maskenwechsel (Fn. 28), S. 106.
- 45Gesamtsitzung am 14.12.1953, ASAW, B 2.3 Protokolle der Gesamtsitzungen 1943–1961, S. 81.
- 46Gesamtsitzung am 25.1.1954, ebd., S. 83.
- 47Dem Vorschlag Hopmanns wurde damals nicht nachgegangen.
- 48Gesamtsitzung am 14.12.1953, ASAW, B 2.3 Protokolle der Gesamtsitzungen 1943–1961, S. 81.
- 49Kurt Schwabe, Ansprache des Präsidenten bei der Öffentlichen Sitzung am 12.11.1966 (Manuskript), ASAW, B 2.16 Berichte und Ansprachen, öffentliche Sitzungen von Kurt Schwabe, 1965–1969.