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Zukunft der ›Kleinen Fächer‹


HRK-Workshop ›Kompetenzorientierung und Wissenstransfer: 
Neue Lern- und Lehrstrategien in den Geschichts-, Kunst- und Orientwissenschaften‹ in Leipzig


Praxisorientierte Lehrinhalte erlangen einen immer größeren Stellenwert in den Curricula von Studiengängen – so auch in den sogenannten ›Kleinen Fächern‹. Diese umfassen oft inhaltlich und zeitlich riesige Dimensionen, sind interkulturell und interdisziplinär vernetzt – aber auch in die oft starren Modulstrukturen von Bachelor- und Masterstudiengängen eingepasst. Dies stellt Lehrende im Universitätsbetrieb zunehmend vor Herausforderungen. Sie sollen Exzellenz in der Forschung liefern, durch Exzellenz in der Lehre begeistern und gleichzeitig die Studenten auf einen nicht klar umrissenen Arbeitsmarkt inner- und außerhalb der Wissenschaft vorbereiten. Der Erwerb von sogenannten Schlüsselkompetenzen gewinnt dabei an Bedeutung. Doch wie sollen sich die Anpassung des Studiums an den Arbeitsmarkt und die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte die Balance halten? Welche strukturellen Voraussetzungen müssen gegeben sein, um den heutigen Qualitätsansprüchen in Studium und Lehre zu genügen? Wie können sich besonders die ›Kleinen Fächer‹ innerhalb dieser veränderten Rahmenbedingungen positionieren? Wie stellen die ›Kleinen Fächer‹ in Zeiten der Zusammenkürzung ganzer Studiengänge markante Alleinstellungsmerkmale heraus? Wie schöpfen sie Vernetzungspotentiale und begegnen der fortschreitenden Digitalisierung von Forschung und Lehre (Digital Humanities)? Um diese und weitere Fragen ging es in dem Expertenworkshop am 6. und 7. November 2013 in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig – organisiert vom Projekt nexus der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und vom Ägyptologischen Institut der Universität Leipzig.


Ziel der Veranstaltung war es, Lehrende und Studierende mit den unterschiedlichsten fachlichen Hintergründen zu einem produktiven Ideenaustausch zusammenzuführen – von der Alten Geschichte bis hin zur Theaterwissenschaft, von der Papyrologie bis zur Kunstgeschichte. Dabei standen vier Thematiken im Fokus: Employability, Interdisziplinarität, Lehrpraxis im Transfer und Curriculumsentwicklung. Kreative Lösungsansätze ermöglichten einen lebendigen und konstruktiven Austausch, der als Auftakt zu einem aussichtsreichen Dialog verstanden wurde. Besonders in einer Arbeitsgruppe gab es viel Diskussionspotential: u. a. zum Thema ›E-Learning‹ und ›MOOCs – Massive Open Online Courses‹.


Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine Podiumsdiskussion zum Thema ›Kompetenzvermittlung und Arbeitsmarkt‹ – konkret mit der Fragestellung: Sollen arbeitsmarktrelevante Fähig- und Fertigkeiten bereits frühzeitig im Studium vermittelt werden? Dazu waren Wissenschaftler, Künstler und Berufspraktiker eingeladen: Barbara Büscher (Professorin für Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn-Bartholdy«, Leipzig), Jana Raffel (Mitarbeiterin der Leipziger Sammlungsinitiative und Doktorandin im Fach Ägyptologie, Leipzig), Thomas Seifert (Theaterwissenschaftler und freischaffender Schriftsteller, Leipzig), Stefan Pfeiffer (Lehrstuhlinhaber für Alte Geschichte an der Martin-Luther-Universität Halle) sowie Sonja Körffer-Fischer (Kunsthistorikerin und freiberufliche Kuratorin, Bonn). Durch die Diskussion führte Hassan Soilihi Mzé (Mitarbeiter der Universitätsbibliothek Leipzig und Doktorand am Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte, Leipzig).


Zu Beginn der Diskussionsrunde wurde für die ›Kleinen Fächer‹ noch einmal klar herausgestellt, wie umfangreich die einzelnen Fachgebiete sind. Es gab einen Konsens unter den Teilnehmern, dass die ›Kleinen Fächer‹ zwar personell und ausstattungsmäßig klein sind, aber zeitlich wie räumlich riesige Fach­gebiete umreißen. Oft sind die ›Kleinen Fächer‹ drittmittelstark und ziehen eine verhältnismäßig große Schar Studierender an. 


Abb. 1: HRK-Workshop ›Kompetenzorientierung und Wissenstransfer‹, 6.11.2013, Informeller Austausch im Foyer. Foto: Franziska Naether.Abb. 1: HRK-Workshop ›Kompetenzorientierung und Wissenstransfer‹, 6.11.2013, Informeller Austausch im Foyer. Foto: Franziska Naether.

Barbara Büscher stellte die Dramaturgie im Kontext der Theaterwissenschaft vor und zeigte Unterschiede in der Vermittlung an Universitäten und Hochschulen auf. Jeder Standort könne inhaltlich sein eigenes Profil schärfen – 
der Fachgegenstand gebe dies locker her. Häufig sei an den Kunst- und Musikhochschulen eine »strukturelle Interdisziplinarität« zu entdecken, zum Beispiel in Leipzig mit diversen Sparten (Musik, Tanz, Schauspiel, Theater, Medien). Es sei wichtig, möglichst früh im Studium die Einbindung berufspraktischer Themen zu ermöglichen.


Stefan Pfeiffer führte aus, dass das Curriculum in altertumswissenschaftlichen Studiengängen zunächst eine fachliche Ausbildung auf die Disziplin hin biete, zusätzlich würden allgemeine soft skills wie Quellenanalyse oder -interpretation vermittelt. Dozenten bemühten sich, persönliche Erfahrungen einzubringen, Gastdozenten einzuladen oder einen Studienortwechsel über Auslandsaufenthalte anzuregen. Er bestätigte Barbara Büscher darin, dass ­jeder Hochschulort seine spezielle thematische Ausrichtung habe. Um den Anforderungen des Arbeitsmarkts angemessen zu begegnen, sei Studenten ein nüchterner Blick angeraten – nicht jeder könne Professor werden – und individuelle Weiterqualifizierung mittels Praktika, Seminaren und Konferenzbesuchen sowie fachliche Vernetzung empfohlen.


Abb. 2: HRK-Workshop ›Kompetenzorientierung und Wissenstransfer‹, 7.11.2013, Austausch in einer der Arbeitsgruppen. Foto: Franziska Naether.Abb. 2: HRK-Workshop ›Kompetenzorientierung und Wissenstransfer‹, 7.11.2013, Austausch in einer der Arbeitsgruppen. Foto: Franziska Naether.

Die Zusammensetzung des Podiums aus akademischer Lehre und Berufspraxis zeigte, dass die Universitäten gut daran tun, ihr Fachwissen zu vermitteln und ihre Studiengänge nicht inhaltlich zu ›verwässern‹. Die Fähigkeit, sich mit komplexen Sachverhalten qualifiziert und adäquat auseinanderzusetzen, schätzen die Arbeitgeber auch außerhalb der Wissenschaft. Unterschiedlich bewertet wurde die Frage, inwieweit man Lehrveranstaltungen anbieten sollte, die reine soft skills vermitteln. Hier gingen die Positionen zunächst auseinander; die Praxisvertreter der Podiumsrunde sprachen sich jedoch dafür aus, lieber fachorientierte Projekte zu veranstalten. Insbesondere Kompetenzen, wie beispielsweise fachgerechtes Sammeln und Auswerten von Datenmaterial oder die Fähigkeit, transparent zu kommunizieren, zeichnen attraktive Bewerber aus.


Ein Team, das sich neben fachlicher Qualifizierung auch der Employability-Komponente im Studium verschrieben hat, ist die Leipziger Sammlungsinitiative, zu der Jana Raffel zählt. Die sechs Mitarbeiter an der Schnittstelle von Universitätsmuseen und Lehre integrieren Theorie und Praxis gleichermaßen in ihre Lehrveranstaltungen. Sie erstellen Audioguide-Führungen, kooperieren mit der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und organisieren Ausstellungen, berufspraktische Orientierung ist in den Studiengang eingebettet.


Überhaupt stießen innovative Lern-Lehr-Konzepte auf großes Interesse bei den Tagungsgästen und wurden ausführlich diskutiert. Die frühzeitige Integra­tion aktueller Forschung und die Einbeziehung von Praktikern in die Lehre erweisen sich zunehmend als erfolgreich. Kontinuierliche Weiterqualifizierung eröffnet neue Chancen – zum Beispiel durch ein Aufbaustudium, um die oft recht theoretischen Studieninhalte mit Praxiserfahrung anzureichern. Auch wenn nur wenige Studieninhalte im späteren Berufsleben wieder auftauchen, ist es sinnvoll und richtig, sein Studium konsequent durchzuziehen. So machte Thomas Seifert deutlich, dass er als Schriftsteller die Studienzeit als Inspira­tionsquelle nicht missen wolle. Diese spezielle Form der Selbstverwirklichung, des Wissenserwerbs, des Trainierens von Selbstmanagement, das verantwortungsvolle Entscheiden oder der Umgang mit Professoren waren für ihn wertvolle Erfahrungen. Er stellte klar heraus, dass sich die Hochschulen um Praxis­vermittlung bemühen sollten, aber die Studenten verpflichtet sind, den ­Bildungsweg für sich selbst zu entdecken. Keiner müsse sich in Zeiten von ­Bologna zum Fachidioten ausbilden lassen – im Gegenteil. 


Heiß diskutiert wurde die Frage, wie kreativ man mit den Vorgaben eines festen Curriculums umgehen kann. Offenkundig war, dass nicht überall die gleichen Vorbedingungen anzutreffen sind und dies je nach Universität, Hochschule oder Standort sehr verschieden sein kann. Einige Diskussionsteilnehmer favorisierten das Argument, die Möglichkeiten kreativ zu nutzen, welche bei der Anrechnung von Schlüsselqualifikationen zur Verfügung stehen.


Im Gegenzug müsse der Politik klar gemacht werden, dass definitiv Fachkräfte gebraucht werden, und dass der Fachkräfte-Einkauf und ein Neuaufbau eines Faches noch viel teurer werden können, falls einmal ganze Fachkulturen abgewickelt würden (Seifert). Viele Fächer ließen sich nur erhalten, wenn sie als Teilgebiet in größeren Studiengängen aufgehen (Pfeiffer). Dennoch solle darauf geachtet werden, sich nicht zu verbiegen und lieber mit wehenden Fahnen unterzugehen, als sich zu stark dem Zeitgeist zu unterwerfen (Seifert). In diesem Punkt gab es mehrere Wortmeldungen aus dem Publikum, die auch Gegen­teiliges äußerten. 


Konsens herrschte darüber, dass Forschungsaktivitäten öffentlich kommuniziert werden sollen. Eine gesellschaftliche Relevanz der eigenen Forschungsthemen besteht nicht immer auf den ersten Blick, doch oft lassen sich unerwartete Bezüge herstellen (Pfeiffer). Historische Erkenntnisse können auf diese Weise auch später in den Schulunterricht Eingang finden oder für die Kunst- und Museumspädagogik von Interesse sein (Körffer-Fischer). Gerade die Geisteswissenschaften können gesellschaftlich wirksam werden. Sie bieten besonderes Potential und bereichern die Gesellschaft, indem sie weiterdenken und den Blick über den Tellerrand ermöglichen (Seifert). Auf jeden Fall soll ­intensivere Lobbyarbeit geleistet werden, um dem Selbstzersetzungsprozess einzelner Fächer entgegenzuwirken und den Bestandsschutz zu sichern.


Wir als Organisatoren durften uns über eine durchweg positive Resonanz auf den Expertenworkshop freuen. Es gibt offenbar ein starkes Interesse, Themen wie Lehrqualität, Employability und Interdisziplinarität in den Geisteswissenschaften zu vertiefen. Viele Teilnehmer bekundeten offen ihr Interesse an weiterführenden Veranstaltungen. In die Zeit der Nachbereitung des Workshops fallen nun die Stellenkürzungen und Institutsstreichungen in Mitteldeutschland, aktuell in Leipzig und Halle, wovon unmittelbar an dieser Veranstaltung beteiligte Fächer betroffen sind. Dass die im Workshop thematisierten und diskutierten Spannungsfelder so schnell bittere Realität werden können, hätten wir auch nicht vermutet. Nun gilt es, dass die ›Kleinen Fächer‹ sich untereinander solidarisieren und gemeinsam gegen die von den Ländern verordneten Sparmaßnahmen eintreten.


Die Tagungsdokumentation zum Expertenworkshop gibt es unter: http//:www.hrk-nexus.de/aktuelles/tagungsdokumentation/kompetenzorientierung-und-wissenstransfer (4.2.2014).

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Heft 12 (2014)
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1867-7061

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