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Informelle Gemeinschaften und die Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel

Der demografische Wandel wird das Zusammenleben in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich beeinflussen. Ausschlaggebend für tiefgreifende Veränderungen der Gesellschaft sind in diesem Zusammenhang eine Verlängerung der Lebenserwartung sowie eine Abnahme der Geburtenrate.1 Der Grund für den drastischen Anstieg der Lebenserwartung liegt im medizinischen Fortschritt – die durchschnittliche Lebensdauer von Männern und Frauen wird bis zum Jahr 2060 um 10,6 bzw. 8,8 Jahre ansteigen, sodass sich eine Lebens­erwartung von 87,7 Jahren für Männer und 91,2 Jahren für Frauen ergibt.2 Manche Studien gehen davon aus, dass die meisten der seit 2000 in Deutschland geborenen Kinder und Jugendlichen ihren 100. Geburtstag feiern können.3 Parallel zur steigenden Lebenserwartung ist in Deutschland seit den 1960er Jahren ein dramatischer Abfall der Geburtenrate zu beobachten. So sank beispielsweise zwischen den Jahren 2008 und 2009 die Anzahl der Geburten um 3,6 % beziehungsweise 30.000 Kinder. Dieser kontinuierliche Rückgang, der nur durch einzelne Ausnahmejahre unterbrochen wird, spiegelt sich in rund 673.500 Neugeborenen im Jahr 2012 wider, also etwa halb so vielen Geburten wie im Jahr 1964.4

Die steigende Lebenserwartung und die sinkende Geburtenrate führen letztlich zu einer abnehmenden Gesamtbevölkerung Deutschlands sowie zu ­einer alternden Gesellschaft – mit zahlreichen Herausforderungen und Chancen für das Land. Die zentrale Rolle dieser Entwicklungen drückt sich unter ­anderem in dem Motto des Wissenschaftsjahrs 2013 ›Die demografische Chance‹ aus.5 Aus betriebswirtschaftlicher Sicht führen die Veränderungen der Gesellschaftsstruktur sowohl zu neuen Wettbewerbsbedingungen auf den Absatzmärkten als auch zu Herausforderungen und Chancen im Hinblick auf organisationsinterne Strukturen und Prozesse. In Bezug auf Absatzmärkte werden beispielsweise sogenannte ›silver markets‹ diskutiert, die durch eine Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen entstehen, welche den Bedürfnissen einer alternden Zielgruppe (50 Jahre und älter) gerecht 
werden.6

Der vorliegende Beitrag zielt allerdings nicht auf die Folgen des demografischen Wandels im Hinblick auf Absatzmärkte. Er nimmt sie vielmehr als Ausgangspunkt und legt den Fokus auf die organisationsinternen Konsequenzen demografischer Entwicklungen für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Unter Innovationsfähigkeit eines Unternehmens wird dabei die Fähigkeit zur Etablierung oder zum Ausbau von Wettbewerbsvorteilen durch die Entwicklung neuer Produkte, Technologien oder Prozesse verstanden.7 Während Innovationsfähigkeit seit Jahrzehnten als zentrale Facette im Rahmen langfristig erfolgreicher Unternehmensführung angesehen wird,8 nimmt ihre Bedeutung gerade unter dynamischen Umweltbedingungen zu.9 Die oben angesprochene Diskussion der Dynamik der Absatzmärkte aufgrund des demografischen Wandels zeigt, dass auch Veränderungen der Altersstrukturen von Gesellschaften die Relevanz der Innovationsfähigkeit von Unternehmen verstärken. Das Thema Innovationsfähigkeit von Unternehmen unter dem Gesichtspunkt des demografischen Wandels bekommt besondere Bedeutung, wenn man bedenkt, vor welchem Wandel wir uns im Angesicht der nächsten Phase der Industrie­entwicklung befinden. Hierzu gehört beispielsweise das ›Internet der Dinge‹ 
auf Basis ›Cyber-Physischer Systeme‹, dessen Umsetzung heute als vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) beschrieben wird.10 Infolgedessen verändern sich die Rahmenbedingungen für Innovationsprozesse dramatisch.


Stephan A. Boehm und seine Kollegen11 fassen die Herausforderungen und Chancen des demografischen Wandels für Unternehmen zusammen. So wird auf dem Arbeitsmarkt ein Engpass erwartet, wenn die in den Ruhestand tretenden Belegschaftsmitglieder nicht in vollem Umfang durch junge Kolleginnen und Kollegen ersetzt werden können. Zudem wird erwartet, dass Belegschaften eine Steigerung ihres Durchschnittsalters erleben und die Diversität innerhalb von Belegschaften zunimmt. Letztlich führt der demografische Wandel auch zu der Herausforderung, dass mit der großen Anzahl der in den Ruhestand eintretenden Mitarbeiter wichtiges Erfahrungswissen die Organisation verlässt und die Gefahr besteht, dass dieses Wissen verloren geht.


Die von Boehm und seinen Kollegen12 angesprochenen Punkte hängen ­direkt mit der Innovationsfähigkeit von Unternehmen zusammen. Dabei ist die Erkenntnis zentral, dass Innovationen durch den Austausch und die Kombination von Wissen und Ideen zwischen Mitarbeitern und anderen Stakeholdern des Unternehmens entstehen. Insofern ist leicht nachvollziehbar, dass ein Engpass von qualifizierten Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt negative Auswirkungen auf die Innovationskraft von Unternehmen und Volkswirtschaften erwarten lässt. Auch die Tatsache, dass das Erfahrungswissen einer Organisation mit der Verrentung großer Teile der Belegschaft erheblich gefährdet ist, hat Auswirkungen auf Innovationsprozesse in Unternehmen. Während der Fachkräftemangel und der Eintritt der sogenannten baby boomers (geboren zwischen 1946 und 1964)13 in den Ruhestand unmittelbar mit negativen Folgen für die Innovationsfähigkeit in Verbindung gebracht wird, ist sich die Wissenschaft uneinig, wie sich gesteigerte Diversität auf den Erfolg von Innovationsprozessen auswirkt. Es gibt Argumente sowohl für einen positiven Zusammenhang aufgrund des Einbezugs unterschiedlicher Wissensdomänen und Perspektiven als auch für einen negativen Zusammenhang aufgrund von Konflikten und Kommunikationsschwierigkeiten zwischen verschiedenen Alters
gruppen.14

Um die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen und die daraus resultierenden Chancen nutzen zu können, werden häufig formelle Maßnahmen des Managements genannt, die negativen Entwicklungen entgegensteuern sollen. Dazu gehören unter anderem verstärkte Rekrutierungsbemühungen und die Verlängerung der Lebensarbeitszeit als Reaktion auf Engpässe auf dem Arbeitsmarkt15 sowie verstärkte Maßnahmen von Aus- und Weiterbildung, um dem Verlust von Wissen entgegenzuwirken.16 Eine starke Fokussierung auf formal vorgegebene Maßnahmen, Strukturen und Prozesse birgt jedoch die Gefahr, dass der informelle Austausch nicht ausreichend berücksichtigt wird. Der spielt aber gerade im Rahmen von Innovationsprozessen eine herausragende Rolle.


Dieser Beitrag diskutiert die Rolle informeller Gemeinschaften (Communities) im Rahmen der Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel. Eine zentrale Erkenntnis ist dabei, dass eine Veränderung der Altersstruktur in der Gesellschaft nicht nur Auswirkungen auf formal vorgegebene Prozesse und Strukturen hat, sondern dass dadurch auch der Austausch in informellen Netzwerken und Gemeinschaften beeinflusst wird. Dieser Austausch hat wiederum erhebliche Effekte auf den Innovationserfolg von Unternehmen. 


Im Folgenden wird zunächst das Konzept der Gemeinschaften und deren Rolle im Rahmen von Innovationsprozessen vorgestellt. Daran anschließend werden unterschiedliche theoretische Perspektiven diskutiert, die die Arbeit dieser Gemeinschaften im demografischen Wandel erklären. Zentral sind dabei die Erkenntnisse der Diversitätsforschung aufgrund der Heterogenität der Mitglieder der Gemeinschaften. Zudem werden theoretische Perspektiven aus Forschungsarbeiten zu Rollen und zu sozialem Kapital eingenommen, um die Aktivitäten von Akteuren und die Entstehung und Konstitutionalisierung von Netzwerken in Gemeinschaften zu erklären. Im Anschluss an die theoretischen Perspektiven auf Innovationsgemeinschaften im demografischen Wandel wird deren Bedeutung anhand zweier Projektbeispiele verdeutlicht, bevor der Beitrag mit einem zusammenfassenden Ausblick endet.


1. Informelle Gemeinschaften und ihre Rolle in Innovationsprozessen


Das theoretische Konzept der Gemeinschaften wurde stark durch Arbeiten zu sogenannten Communities of Practice geprägt, welche eng mit der Arbeit von Jean Lave und Etienne C. Wenger17 verknüpft sind. Dahinter steht die Überlegung, dass formell abgebildete Strukturen und Prozesse in Unternehmen lediglich komplexitätsreduzierende Darstellungen der Realität sind. So argumentieren zum Beispiel John S. Brown und Paul Duguid,18 dass die formale Darstellung ­einer Organisation deren Wettbewerbsfähigkeit nur unzureichend widerspiegelt, da diese gerade durch bewusstes Abweichen von Routinen unter bestimmten Umständen determiniert wird. Definiert sind Communities of Practice als eine Gruppe von Individuen, die informell durch eine gemeinsame Kompetenz oder Leidenschaft für ein gemeinsames Vorhaben miteinander verbunden sind.19

Gerade im Rahmen von Innovationsprozessen spielen informelle Gemeinschaften eine herausragende Rolle bei der Erklärung des Erfolgs von Unternehmen. Vereinfachungen in den formellen Strukturen führen dazu, dass Aktivitäten wie Arbeiten, Lernen und Innovieren als streng voneinander getrennte Prozesse erscheinen. In der Realität sind diese Aktivitäten jedoch eng verzahnt – Lernen und Innovieren finden während der Arbeit in informellen Gemeinschaften statt.20 Informelle Strukturen und Gemeinschaften haben den Vorteil, dass sie flexibel an den Ressourcenbedarf im Rahmen von nur bedingt planbaren Innovationsprozessen angepasst werden können.


Die zentrale Rolle von Gemeinschaften im Kontext der Innovationsfähigkeit spiegelt sich in der Etablierung des Begriffs ›Innovationsgemeinschaften‹ wider.21 Arbeiten, die diesen Begriff verwenden, untersuchen Gemeinschaften, deren Mitglieder durch ein gemeinsames Interesse an Innovationsprozessen in einer spezifischen Domäne verbunden sind. Ein besonderer Vorteil des Innovierens in Gemeinschaften besteht dabei darin, dass die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft nicht an organisationale Grenzen gebunden ist, sodass Wissen, Ideen und Erfahrungen aus unterschiedlichen Abteilungen sowie von außen in die Arbeit der Gemeinschaften einfließen können. Beispiele von Innovationsgemeinschaften existieren sowohl innerhalb als auch außerhalb von Organisationen. Eine interne Innovationsgemeinschaft findet sich zum Beispiel bei der Schweizer Bank PostFinance, die eine Gemeinschaft unter den ca. 3.000 Angestellten etabliert hat, um die Innovationsfähigkeit der Bank durch informellen Austausch in der Belegschaft zu stärken.22 Ein Beispiel für eine Innovationsgemeinschaft, die auch externe Mitglieder in den Innovationprozess integriert, ist die Plattform Cuusoo des Unternehmens LEGO, auf der Interessierte mit Hilfestellung von LEGO-Mitarbeitern Spielzeugmodelle entwickeln können.23

Gemeinschaften haben gerade im Kontext des demografischen Wandels ein großes Potential im Hinblick auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen.24 Durch die Etablierung von informellen Strukturen zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Altersgruppen können Wissens- und Ideenaustausch und somit Innovationsprozesse und generationenübergreifendes Lernen gefördert werden. Der folgende Abschnitt geht auf die Herausforderungen der Arbeit informeller Innovationsgemeinschaften im demografischen Wandel ein und beleuchtet sie aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven.


2. Altersgemischte Innovationsgemeinschaften im demografischen Wandel


Die Veränderungen der Altersstruktur in der Gesellschaft spiegeln sich auch in der Zusammensetzung informeller Gemeinschaften, zum Beispiel in Form zunehmender Diversität, wider. Der Austausch in informellen Strukturen bietet zahlreiche Möglichkeiten, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen und dessen Chancen zu nutzen. Durch die Integration verschiedenartigster Mitglieder (z. B. in Bezug auf Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit oder funktionale Zuordnung) lassen sich bisher ungenutzte Innovationspotentiale ausschöpfen. Angesichts knapper Humanressourcen im demografischen Wandel bedeutet dies einen zentralen Vorteil. Ferner kommt es durch die Zusammenarbeit in altersgemischten Innovationsgemeinschaften zu generationenübergreifenden Lernprozessen – Wissen und Ideen werden während der Innovationsarbeit zwischen unterschiedlichen Alterskohorten aus­getauscht. Möglich ist auch, dass sich Mitarbeiter nach ihrem (temporären) Ausscheiden aus der Organisation (z. B. aufgrund des Renteneintritts oder Elternzeit) weiter in der Gemeinschaft engagieren, sodass das Unternehmen auch zukünftig von dem Wissen und den Erfahrungen der Mitglieder profitieren kann. 


Allerdings weisen altersgemischte Gemeinschaften spezifische Charakteristika auf, die bei der Unterstützung ihrer Arbeit berücksichtigt werden müssen. Im Folgenden werden drei verschiedene theoretische Perspektiven vorgestellt, die helfen, die Arbeit von altersgemischten Gemeinschaften zu beschreiben: Zunächst geht die Diversitätsperspektive auf die Vor- und Nachteile der Heterogenität der Mitglieder von Gemeinschaften ein. Darüber hinaus hilft die Rollen-Perspektive dabei, die Aktivitäten von Akteuren aus unterschied­lichen Alterskohorten innerhalb der Gemeinschaften zu verstehen. Und schließlich beleuchtet die Perspektive des sozialen Kapitals die Interaktions­beziehungen zwischen den altersgemischten Mitgliedern näher.


2.1 Vor- und Nachteile altersgemischter Innovationsgemein
schaften aus einer Diversitätsperspektive


Wie von Boehm und seinen Kollegen25 erwähnt, führt der demografische Wandel zu einer Steigerung der Diversität innerhalb von Belegschaften. Politische Maßnahmen, wie zum Beispiel die Verkürzung der Schul- und Studien­dauer oder die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, führen dazu, dass der Altersunterschied zwischen Kolleginnen und Kollegen immer größer wird. Besonders im Rahmen von informellen Gemeinschaften spielt Diversität eine außerordentlich wichtige Rolle, da sich die Heterogenität der Mitglieder nicht nur auf ihr Alter, sondern auch auf ihren funktionalen und organisationalen Hintergrund bezieht.


Aus organisatorischer Sicht ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass die Zusammenarbeit diverser Individuen sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich bringt. Diese Tatsache schlägt sich in der wissenschaftlichen Literatur in einer optimistischen und einer pessimistischen Perspektive auf die Arbeit funktions- und altersdiverser Gruppen nieder.26

Studien, die eine optimistische Perspektive auf diverse Gruppen einnehmen, konzentrieren sich auf die Vorteile der Zusammenarbeit heterogener Individuen. In diesen Arbeiten werden vor allem die unterschiedlichen Wissensdomänen, Perspektiven und Fähigkeiten der verschiedenen Altersgruppen betont.27 Gerade in Innovationsprozessen ist die Kombination von Ideen und Wissen aus unterschiedlichen Domänen erfolgsversprechend. Allerdings liefern jene Studien, die eine pessimistische Perspektive einnehmen, zahlreiche Gegenargumente. So können Unterschiede zwischen einzelnen Altersgruppen zu Kategorisierungsprozessen führen, die die Interaktion und Kommunikation in altersgemischten Gruppen stören und somit die Realisierung der Vorteile verhindern.28 Abbildung 1 fasst die Argumente der optimistischen und pessimistischen Perspektive auf die Zusammenarbeit in diversen Gruppen zu­sammen.


Abb. 1: Zwei Perspektiven auf die Auswirkungen von Diversität auf Innovationserfolg. Abb. 1: Zwei Perspektiven auf die Auswirkungen von Diversität auf Innovationserfolg.

Um die Vorteile der Arbeit von Innovationsgemeinschaften im demografischen Wandel nutzen zu können, bedarf es also eines Managements der Diversität innerhalb der Gruppe.29 Um zum Beispiel die Vorteile der Altersheterogenität nutzen zu können, ist es unabdingbar, ein gemeinsames Verständnis der zu bearbeitenden Aufgabe zu entwickeln und die Ziele der Gemeinschaft explizit festzulegen.30 Dabei gilt es, die negativen Effekte der Heterogenität der Mitglieder zu vermeiden, indem ein Umfeld geschaffen wird, das die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Altersgruppen unterstützt. In der Ausgestaltung dieses Umfelds muss die spezifische Natur der Zusammenarbeit in Gemeinschaften berücksichtigt werden.


Ein zentrales Charakteristikum von Gemeinschaften ist, dass weder Rollen noch Interaktionsbeziehungen formal vorgegeben werden, sondern sich während der Zusammenarbeit in Gemeinschaften konstituieren. Im Folgenden werden mit der Rollen-Perspektive und der Perspektive des sozialen Kapitals zwei theoretische Ansätze vorgestellt, die diese Facetten von Gemeinschaften beleuchten und aus denen sich Handlungsempfehlungen für das Management im Kontext des demografischen Wandels ableiten lassen.


2.2 Aktivitäten einzelner Gemeinschaftsmitglieder aus der Rollen-Perspektive


Wie bereits beschrieben, sind informelle Innovationsgemeinschaften charakterisiert durch eine freiwillige Beteiligung unternehmensinterner oder auch -externer Akteure, einer Abwesenheit formaler Strukturen sowie einem infor­mellen Austausch von Wissen, Erfahrungen und Ideen zwischen den Mitgliedern.31 Bedingt durch diese Charakteristika sind Rollen in informellen Gemeinschaften nicht bestimmt oder vorgegeben, sondern entstehen durch temporäre Verhaltensweisen der Mitglieder, die die Gemeinschaft freiwillig auf eine bestimmte Art unterstützen.32

In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Rollen in informellen ­Innovationsgemeinschaften untersucht. Eine zentrale Bedeutung nimmt in diesem Zusammenhang die Rolle der Führung ein.33 Im Unterschied zu formal vorgegebenen Organisationsstrukturen, in denen Führungsrollen häufig durch die Vorgabe hierarchischer Weisungsbefugnisse eingenommen werden, erarbeiten sich Mitglieder von Gemeinschaften ihren Status durch Beiträge und Verhaltensweisen innerhalb der Gemeinschaft, die das Erreichen der gemeinsamen Ziele unterstützen. Gerade aufgrund fehlender vorgegebener Strukturen bedarf es in informellen Organisationsformen einer Führung, die die Gemeinschaft auf das Erreichen der gemeinsamen Ziele ausrichtet und ein Auseinanderdriften verhindert. Neben der Führung ist die Rolle der Verfechter (Champions) wichtig für die Innovationsarbeit in informellen Gemeinschaften.34 Verfechter sind im Kontext von Innovationsgemeinschaften erfolgsentscheidend, da sie sich für Ideen einsetzen und dabei auch gewillt sind, Widerstände zu überwinden. Aufgrund der fehlenden formalen Autorität in Gemeinschaften ist der Erfolg der Innovationsarbeit von der individuellen Anstrengungs­bereitschaft und Überzeugungskraft der Mitglieder der Gemeinschaft abhängig.


In Gemeinschaften sind die verschiedenen Aktivitäten und Beiträge ­erfolgsentscheidend, die von unterschiedlichen Rollen geleistet werden. So beschreibt zum Beispiel Klaus Fichter35 die Relevanz von unterschiedlichen Kompetenzen und Ressourcen, wie zum Beispiel Expertenwissen auf spezifischen Gebieten oder Einflussreichtum aufgrund von Netzwerken. Dabei ist die Rollenverteilung in Gemeinschaften keineswegs starr, sondern die Mitglieder können unterschiedliche Rollen einnehmen und durch entsprechende Aktivitäten die Gemeinschaft unterstützen.36

Verschiedene Altersgruppen verfügen über unterschiedliche Fähigkeiten, Wissensschätze und Erfahrungen.37 So beschreiben Aparna Joshi und seine Kollegen38 die Bedeutung von Zusammenarbeit unterschiedlicher Altersgruppen für die Weitergabe von Wissen, Ideen und Werten in Unternehmen sowie für die Vergabe formaler Rollen. Altersspezifische Unterschiede beeinflussen aber auch die Entstehung von Rollen in informellen Gemeinschaften. Die differenten Befähigungen verschiedener Altersgruppen haben Folgen für das Rollenverhalten der Mitglieder. Ältere Mitglieder mit einer längeren Betriebszugehörigkeit ­besitzen ein umfangreiches Erfahrungswissen, Kenntnisse über betriebliche Zusammenhänge und ausgedehnte informelle Netzwerke.39 Auf der anderen Seite verfügen jüngere Gemeinschaftsmitglieder häufig über aktuelles Fachwissen, welches sie in ihrer Berufsausbildung oder an der Universität erworben haben. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen beeinflussen die Zusammenarbeit in informellen Gemeinschaften aus der Rollen-Perspektive.


Aufgrund der verschiedenen Fähigkeiten und Erfahrungen unterscheiden sich die Aktivitäten der Mitglieder in Gemeinschaften und somit ihr Rollenverhalten. Jüngere Mitglieder von Innovationsgemeinschaften bringen häufig neue Ideen in die Arbeit ein und setzen sie durch. Diese Ideen knüpfen meist an die aktuellen technologischen Entwicklungen an und stehen in Konflikt mit etablier­ten Handlungsweisen. Solche Beiträge werden seltener von älteren Mitarbeitern geleistet, da diese über eine gewisse ›Betriebsblindheit‹ verfügen. Dafür bringen ältere Mitglieder von Innovationsgemeinschaften andere Formen des Wissens, Kompetenzen und Ressourcen in die Arbeit ein. Infolge ihrer langjährigen Berufserfahrung überblicken sie das organisatorische Umfeld, in dem die Gemeinschaft arbeitet und können administrative Hürden überwinden.


Diversität trägt also zur Kombination unterschiedlicher Fähigkeiten- und Wissensdomänen bei, was sich positiv auf den Erfolg von Innovationsprozessen in Innovationsgemeinschaften auswirkt. Dieses Potential kann allerdings nur genutzt werden, wenn auch tatsächlich ein Austausch durch Interaktionsbeziehungen über Alterskohorten hinweg zustande kommt. Diese Interak­tionsbeziehungen werden im nächsten Abschnitt beleuchtet.


2.3 Der Austausch in altersgemischten Gemeinschaften aus der Perspektive des sozialen Kapitals 


Während im vorangegangenen Abschnitt auf die Etablierung von Rollen in ­altersdiversen Innovationsgemeinschaften eingegangen wurde, konzentriert sich dieser Teil mithilfe der theoretischen Perspektive des sozialen Kapitals auf Interaktionsbeziehungen zwischen einzelnen Mitgliedern. Die Theorie des sozia­len Kapitals ist in der betriebswirtschaftlichen Literatur eng verknüpft mit der Arbeit von Janine Nahapiet und Sumantra Ghoshal,40 welche soziales Kapital definieren als die Summe aller tatsächlichen und potenziellen Ressourcen, die in ein Netzwerk ­eines Individuums oder einer Gruppe eingebettet und somit über dieses verfügbar und erreichbar sind. Dabei werden unterschiedliche Dimensionen von sozialem Kapital unterschieden. Die strukturelle Dimension beschreibt die Struktur des Netzwerks und bestimmt, welches Mitglied mit wem verbunden ist. Die relationale Dimension beschreibt die Qualität der Beziehungen zwischen Netzwerkmitgliedern und wird häufig über Vertrauen innerhalb des Netzwerks erklärt. Die dritte, kognitive Dimension von sozialem Kapital beschreibt gemeinsame Haltungen und Meinungen innerhalb des Netzwerks, welche sich in gemeinsamen Zielen oder einer gemeinsamen Sprache niederschlagen.


Im Kontext von Gemeinschaften besitzt die Theorie des sozialen Kapitals eine besondere Bedeutung, da durch informelle Beziehungen zwischen Mitgliedern der Austausch in der Gemeinschaft und damit auch der Innovationserfolg determiniert werden. Beispielsweise haben Studien gezeigt, dass die Anzahl der Kontakte eines Mitglieds innerhalb einer Gemeinschaft einen signifikanten Einfluss auf die Qualität der Beiträge des Mitglieds hat.41 Ein weiteres Beispiel liefert die Studie von Molly McLure Wasko und Samer Faraj,42 die zeigt, dass strukturelles, relationales und kognitives soziales Kapital von Gemeinschaftsmitgliedern die Qualität und die Anzahl der Beiträge beeinflussen. Martin Dumbach43 beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Einflussfaktoren auf die Entstehung von sozialem Kapital in Innovationsgemeinschaften. Dabei zeigt sich, dass sich die unterschiedlichen Dimensionen des sozialen Kapitals gegenseitig beeinflussen. Vertrauen und gemeinsame Ziele entstehen während des Austauschs über so­ziale Beziehungen zwischen Mitgliedern der Gemeinschaft. Gleichzeitig führen Vertrauen in die Gemeinschaft und gemeinsame Ziele dazu, dass weitere soziale Beziehungen zu anderen Gemeinschaftsmitgliedern aufgebaut werden. Dieser selbstverstärkende Kreislauf von sozialem Kapital wird durch zahlreiche Faktoren auf organisationaler (z. B. Unternehmenskultur, formelle Strukturen), Gemeinschafts- (z. B. Führung, zu lösende Innovationsherausforderung, Ausgestaltung der Arbeitsumgebung) und individueller Ebene (z. B. Persönlichkeit, Motivation) beeinflusst. Abbildung 2 fasst die Arbeit von Dumbach44 zusammen.


Abb. 2: Einflussfaktoren auf die Entstehung von sozialem Kapital in Gemeinschaften.Abb. 2: Einflussfaktoren auf die Entstehung von sozialem Kapital in Gemeinschaften.

Die Perspektive des sozialen Kapitals liefert auch Erkenntnisse, die spezifische Rückschlüsse auf die Arbeit altersdiverser Gemeinschaften erlauben. So lassen sich die Argumente der optimistischen und der pessimistischen Perspektive der Diversität auch durch die Perspektive des sozialen Kapitals erklären.45 Demnach hat Diversität einen negativen Einfluss auf die Dichte des Netzwerks und den Erfolg von Gemeinschaften, da Individuen dazu tendieren, mit Mitgliedern zu interagieren, mit denen sie viele Gemeinsamkeiten haben. Gleichzeitig führt Diversität zu heterogenen Wissensdomänen im Netzwerk, was ­einen positiven Einfluss auf den Erfolg der Gemeinschaft hat.


Letztlich lassen sich aus bestehenden Arbeiten der theoretischen Perspektive des sozialen Kapitals zahlreiche Rückschlüsse auf die Ausgestaltung der Arbeit ­altersdiverser Innovationsgemeinschaften ziehen. Eine zentrale Herausforderung ist hierbei, Interaktionsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Altersgruppen zu etablieren, sodass von den Vorteilen altersgemischter Gruppen profitiert werden kann, während die Nachteile überwunden werden. Gerade im Rahmen der Etablierung altersgemischter Gemeinschaften ist es wichtig, den Mitgliedern Zeit zu geben, sich über unterschiedliche Altersgruppen hinweg kennenzulernen. Die Arbeit von Dumbach46 zeigt aber, dass sich das Management der Gemeinschaften nicht auf die Förderung der Netzwerkstruktur beschränken sollte. Durch den sich selbst verstärkenden Kreislauf von sozialem Kapital spielen die relationale und kognitive Dimension eine ebenso wichtige Rolle. Gerade in Bezug auf das kognitive soziale Kapital hat das Management eine Reihe von Möglichkeiten, die Etablierung eines gemeinsamen Ziels unterschiedlicher Altersgruppen zu unterstützen. So ist zum Beispiel darauf zu achten, welche Innovationsherausforderung von der Gemeinschaft gelöst werden soll.


3. Projektbeispiele von Innovationsgemeinschaften im demografischen Wandel aus der Praxis


Während im vorangegangenen Abschnitt die Arbeit von Innovationsgemeinschaften im demografischen Wandel theoretisch beleuchtet wurde, wird in diesem Abschnitt die Arbeit altersdiverser Innovationsgemeinschaften in der Praxis beschrieben und die Relevanz der vorgestellten Theorien anhand konkreter Beispiele verdeutlicht. Die vorgestellten Praxisbeispiele altersdiverser Innovationsgemeinschaften wurden im Rahmen der Projekte ›Austausch von Innovation und Erfahrung im demografischen Wandel‹ (TANDEM) und ›Wertschätzungsnetzwerke als integrierte Innovationsinstrumente der Personal- und Organisationsentwicklung im Demografischen Wandel‹ (WiIPOD) etabliert.47 Beide Projekte zielen auf die Realisierung der Potentiale altersdiverser Gemeinschaften im Kontext der Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel. Aufgrund der spezifischen Ausgestaltung der Arbeit der Gemeinschaften in den Projekten eignet sich das Projekt TANDEM im speziellen zur Diskussion der Relevanz einer Rollenperspektive und das Projekt WiIPOD für die Veranschaulichung der Bedeutung von sozialem Kapital.


3.1 Das Projekt TANDEM und die Relevanz von Rollen in Innovationsgemeinschaften im demografischen Wandel


Wie der Projektname TANDEM bereits andeutet, werden im Rahmen des Vorhabens in Zusammenarbeit mit dem Praxispartner DATEV eG alters- und erfahrungsgemischte Tandems, bestehend aus zwei bis drei Mitgliedern informeller Gemeinschaften, etabliert. Diese Tandems entwickeln, begleitet von ­externen Moderatoren, Konzepte für neue Produkte und Dienstleistungen. Im Folgenden werden Erfahrungen aus der Projektarbeit aus einer Rollen-Perspektive vorgestellt. Dabei wird das unterschiedliche Rollenverhalten älterer und jüngerer Tandem-Partner sowie ihre Interaktion vor dem Hintergrund von Innovationsprozessen diskutiert.


Insgesamt zeigt sich im Projekt TANDEM, dass die Zusammenarbeit und Interaktion unterschiedlicher Rollen, eingenommen von Personen verschiedener Alterskohorten, zum Erfolg von Innovationsprozessen beiträgt. Ältere Tandem-Partner mit einer längeren Unternehmenszugehörigkeit treiben den Innovationsprozess voran, weil sie unternehmensinterne Abläufe kennen, über ein abteilungs- und bereichsübergreifendes Netzwerk verfügen und einschätzen können, wann der richtige Zeitpunkt ist, um ein neues Konzept im Unternehmen vorzustellen. Sie agieren zu Beginn des Innovationsprozesses vor allem als Netzwerker, indem sie über ihr bestehendes Netzwerk gezielt Personen innerhalb und außerhalb der Innovationsgemeinschaft ansprechen. Im weiteren Projektverlauf übernehmen ältere Tandem-Partner zunehmend die Rolle der Führung, indem sie das Tandem fokussiert auf das Erreichen des 
gemeinsamen Ziels ausrichten. Auf der anderen Seite sind die Aktivitäten der jüngeren Tandem-Partner geprägt durch ihr aktuelles spezifisches Fachwissen sowie ihre Erfahrungen außerhalb des Unternehmens (z. B. Erfahrungen aus ihrer Ausbildungsphase). Sie agieren daher zu Beginn des Innovationsprozesses als Ideengeber, indem sie unabhängig von unternehmensinternen, etablierten Denkweisen neue kreative Ideen in den Prozess hineingetragen. Im weiteren Projektverlauf nehmen jüngere Tandem-Partner teilweise auch die Rolle des Verfechters ein, indem sie regelmäßig Zeit in die Ausarbeitung des Produkt- bzw. Dienstleistungskonzepts investieren sowie auf kritisches Feedback mit Verbesserungen und Weiterentwicklungen des Konzepts reagieren. Im Verhalten älterer und jüngerer Mitglieder und ihrer Interaktion liegt reichlich Potential für den Erfolg des gesamten Innovationsprozesses. Insbesondere zeigt die hier vorgestellte Rollen-Perspektive, dass Diversität in informellen Gemeinschaften positiv für die Entwicklung von Innovationsprozessen ist, wenn heterogene Mitglieder sich aktiv einbringen und sich durch eine enge Zusammenarbeit gegenseitig ergänzen. Wie die Interaktion heterogener Mitglieder aktiv gefördert werden kann, zeigt der folgende Abschnitt aus der theoretischen Perspektive des sozialen 
Kapitals.


3.2 Das Projekt WiIPOD und die Relevanz von sozialem Kapital in Innovationsgemeinschaften im demografischen Wandel


Das Projekt WiIPOD entwickelt und erprobt mit Wertschätzungsnetzwerken ein Innovationsinstrument der Personal- und Organisationsentwicklung im demografischen Wandel. Im Rahmen von Wertschätzungsnetzwerken werden Innovationsprozesse gegenüber sogenannten Grenzinnovatoren geöffnet, um bisher ungenutzte Potentiale im Kontext des demografischen Wandels zu realisieren. Grenzinnovatoren sind Stakeholder eines Unternehmens, die sich aufgrund von Lebensphasenübergängen an der Grenze der Organisation befinden und bisher wenig Beachtung im Innovationskontext gefunden haben. Zu den Grenzinnovatoren gehören Auszubildende, aufgrund von Verrentung ausscheidende Mitarbeiter und junge Eltern, die im Rahmen ihrer Elternzeit das Unternehmen temporär verlassen. Die Entwicklung und Erprobung des Instruments Wertschätzungsnetzwerke erfolgt in Zusammenarbeit mit Unternehmen wie der Siemens AG, der Festo GmbH & Co. KG, der Habermaas GmbH sowie der InterFace AG.


Die bisherigen Erfahrungen im Rahmen des Projektes WiIPOD bezüglich Erfolgsfaktoren zur Etablierung altersdiverser Gemeinschaften lassen sich gut aus einer theoretischen Perspektive des sozialen Kapitals beschreiben. Damit ein Wertschätzungsnetzwerk erfolgreiche Beiträge zu Innovationsprozessen leisten kann, müssen Interaktionsbeziehungen zwischen Mitgliedern unterschiedlichen Alters geschaffen werden (strukturelle Dimension), die altersdiverse Gemeinschaft muss auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet werden und darauf hinarbeiten (kognitive Dimension), und es gilt, das Vertrauen in der Gemeinschaft und zwischen den Alterskohorten zu stärken (relationale Dimension). Im Projekt ­WiIPOD hat sich gezeigt, dass diese verschiedenen Dimensionen des sozialen Kapitals von altersgemischten Gemeinschaften nicht unabhängig voneinander sind, sondern sich gegenseitig beeinflussen.48 Daher ist es für den Erfolg von Wertschätzungsnetzwerken zentral, Einflussfaktoren auf die verschiedenen Dimen­sionen von sozialem Kapital zu berücksichtigen. Wie Dumbach49 zeigt, sind dabei unterschiedliche Analyseebenen relevant. So hat die Wertschätzung der Arbeit der Gemeinschaft von Seiten des Top Managements (Unternehmensebene) Einfluss auf das soziale Kapital in der Gemeinschaft. Diese Wertschätzung kann durch ein Mitwirken bei der Ansprache potentieller Mitglieder oder durch Besuche von Workshops und ­Ergebnispräsentationen der Gemeinschaft geäußert werden. In diesem Rahmen sollte vom Top Management stets die Wichtigkeit der Arbeit der unterschiedlichen Alterskohorten in der Gemeinschaft für den nachhaltigen Unternehmenserfolg betont werden. Die Ebene der Gemeinschaft betrifft die konkrete Zusammenarbeit der Mitglieder. Dabei ist die Auswahl der Aufgabe der Gemeinschaft zentral. Es gilt, eine strategisch wichtige Herausforderung des Unternehmens zu identifizieren, die von den unterschiedlichen Perspektiven der Alterskohorten profitiert. Eine zentrale Rolle spielt außerdem die Führung sowie die Ausgestaltung der Workshops und der IT-basierten Plattformen. Insbesondere bei der Ausgestaltung der Zusammenarbeit unterschiedlicher Altersgruppen in Workshops sollten gezielt Methoden eingesetzt werden, die den Austausch zwischen den Gruppen fördern. Letztlich haben auch Faktoren auf Ebene einzelner Gemeinschaftsmitglieder (individuelle Ebene) Einfluss auf die erfolgreiche Etablierung von sozia­lem Kapital in Wertschätzungsnetzwerken. In diesem Zusammenhang sind die Persönlichkeitseigenschaften der Mitglieder – wie Extrovertiertheit (strukturelle Dimension) oder Sorgfalt (kognitive Dimension) – von Bedeutung. Außerdem sind intrinsische (z. B. Spaß an der informellen Innovationsarbeit) und extrinsische (z. B. positive Auswirkungen auf Karrieremöglichkeiten) Motivationen von hoher Relevanz.


4. Fazit 


Dieser Beitrag diskutiert die Rolle informeller Gemeinschaften im Kontext der Innovationsfähigkeit im demografischen Wandel. Dabei wurden zunächst die betriebswirtschaftlichen Implikationen des demografischen Wandels für Innovationsprozesse aufgezeigt und mit dem Konzept der Gemeinschaften eine Basis zur Analyse von informellen Innovationsprozessen vorgestellt. Im Anschluss wurden unterschiedliche theoretische Perspektiven auf das Konzept altersgemischter Innovationsgemeinschaften eingenommen. Dabei wurden auf Grundlage der Diversitätsforschung sowie der Rollen- und Sozialkapitalperspektive Handlungsempfehlungen zur Ausgestaltung der Arbeit altersdiverser Gemeinschaften abgeleitet. Die Relevanz dieser Perspektiven wurde abschließend anhand zweier praktischer Projektbeispiele verdeutlicht.50

  1. 1Stephan A. Boehm, Sven Kunisch und Michael Boppel, »An Integrated Framework for Investigating the Challenges and Opportunities of Demographic Change«, in dies. (Hg.), From Grey to Silver – Managing the Demographic Change Successfully, Heidelberg 2010, S. 3–21.

  2. 2Statistisches Bundesamt, »Bevölkerung Deutschlands bis 2060«, https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/VorausberechnungBevoelkerung/BevoelkerungDeutschland2060Presse5124204099004.pdf?__blob=publicationFile (13.12.2013).

  3. 3Kaare Christensen u. a., »Ageing Populations: The Challenges ahead«, inLancet 374 (2009), S. 1196–1208.

  4. 4Statistisches Bundesamt, »Geburtentrends und Familiensituation in Deutschland«, https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/HaushalteMikrozensus/Geburtentrends5122203129004.pdf?__blob=publicationFile (12.12.2013).
  5. 5Bundesministerium für Bildung und Forschung, »Wissenschaftsjahr 2013 – Die ­demografische Chance«, http://www.demografische-chance.de/ (13.12.2013).

  6. 6Florian Kohlbacher und Cornelius Herstatt, The Silver Market Phenomenon: Marketing and Innovation in the Aging Society, Berlin/Heidelberg 2010.
  7. 7Z. B. Michael E. Porter, »The Competitive Advantage of Nations«, in Cynthia 
A. Montgomery und Michael E. Porter (Hg.), Strategy. Seeking and Securing Competitive Advantage, Boston 1991.

  8. 8Z. B. Joseph A. Schumpeter, Capitalism, Socialism and Democracy, New York 1942.

  9. 9Z. B. Benn Lawson und Danny Samson, »Developing Innovation Capability in ­Organisations: A Dynamic Capabilities Approach«, inInternational Journal of Innovation Management 5/3 (2001), S. 377–400.

  10. 10Henning Kagermann, Wolf-Dieter Lukas und Wolfgang Wahlster, »Industrie 4.0: Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. Industriellen Revolution«, inVDI nachrichten 13, 1.4.2011, http://www.vdi-nachrichten.com/Technik-Gesellschaft/Industrie-40-Mit-Internet-Dinge-Weg-4-industriellen-Revolution (13.12.2013).

  11. 11Boehm, Kunisch und Boppel, An Integrated Framework (Fn. 1).

  12. 12Ebd.

  13. 13Jean M. Twenge, »A Review of the Empirical Evidence on Generational Differences in Work Attitudes«, inJournal of Business and Psychology 25 (2010), S. 201–210.

  14. 14Z. B. Ray Reagans und Ezra W. Zuckerman, »Networks, Diversity, and Productivity: The Social Capital of Corporate R & D Teams«, inOrganization Science 12/4 (2001), S. 502–517.
  15. 15Z. B. Michael Prezewowsky, Demografischer Wandel und Personalmanagement, Wiesbaden 2007.

  16. 16Jürgen Deller u. a., Personalmanagement im demografischen Wandel. Ein Handbuch für den Veränderungsprozess, Heidelberg 2008.

  17. 17Jean Lave und Etienne C. Wenger, Situated Learning: Legitimate Peripheral Participation, Cambridge 1991.

  18. 18John S. Brown und Paul Duguid, »Organizational Learning and Communities-of-Practice: Toward a Unified View of Working, Learning, and Innovation«, inOrganization Science 2/1 (1991), S. 40–57.

  19. 19Vgl. Etienne C. Wenger und William M. Snyder, »Communities of Practice: The Organizational Frontier«, inHarvard Business Review 78/1 (2000), S. 139–145.
  20. 20Brown und Duguid, Organizational Learning (Fn. 18).

  21. 21Z. B. Lee Fleming und David M. Waguespack, »Brokerage, Boundary Spanning, and Leadership in Open Innovation Communities«, inOrganization Science 18/2 (2007), S. 165–180.

  22. 22Louise Muhdi und Roman Boutellier, »Motivational Factors Affecting Participation and Contribution of Members in Two Different Swiss Innovation Communities«, inInternational Journal of Innovation Management 15/3 (2011), S. 543–562.

  23. 23http://lego.cuusoo.com/ (6.1.14). Siehe auch Matthias Rass u. a., »Open Innovation and Firm Performance: The Mediating Role of Social Capital«, inCreativity and Innovation Management 22/2 (2013), S. 177–194.
  24. 24Vgl. Frank Danzinger, Martin Dumbach und Kathrin Möslein, »At the Edge and Innovative – The Role of Boundary Innovators in Demographic Change«, Artikel, präsentiert auf derEuropean Academy of Management (EURAM) Annual Conference, Rotterdam 2012.

  25. 25Boehm, Kunisch und Boppel, An Integrated Framework (Fn. 1).

  26. 26Z. B. Reagans und Zuckerman, Networks, Diversity, and Productivity (Fn. 14).
  27. 27Katherine Y. Williams und Charles A. O’Reilly III, »Demography and Diversity in Organizations: A Review of 40 Years of Research«, inResearch in Organizational Behavior 20 (1998), S. 77–140.

  28. 28Z. B. Christian R. Østergaard, Bram Timmermans und Kári Kristinsson, »Does a Different View Create Something New? The Effect of Employee Diversity on Innovation«, inResearch Policy 40/3 (2011), S. 500–509.

  29. 29Vgl. Edward F. McDonough III, »Investigation of Factors Contributing to the Success of Cross-Functional Teams«, inJournal of Product Innovation Management 17 (2000), S. 221–235.

  30. 30Dora C. Lau und J. Keith Murnighan, »Demographic Diversity and Faultlines: The Compositional Dynamics of Organizational Groups«, inAcademy of Management Review 23/2 (1998), S. 325–340.

  31. 31Fleming und Waguespack, Brokerage, Boundary Spanning and Leadership (Fn. 21). 

  32. 32Samer Faraj, Sirkka L. Jarvenpaa und Ann Majchrzak, »Knowledge Collaboration in Online Communities«, inOrganization Science 22/5 (2011), S. 1224–1239.
  33. 33Fleming und Waguespack, Brokerage (Fn. 21).

  34. 34Z. B. Donald A. Schon, »Champions for Radical New Inventions«, inHarvard Business Review 41/2 (1963), S. 77–86.

  35. 35Klaus Fichter, »Innovation Communities: A New Concept for New Challenges«, in ders. und Severin Beucker (Hg.), Innovation Communities: Teamworking of Key Persons – A Success Factor in Radical Innovation, Berlin/Heidelberg 2012, S. 1–15.

  36. 36Faraj, Jarvenpaa und Majchrzak, Knowledge Collaboration (Fn. 32).
  37. 37Aparna Joshi u. a., »Unpacking Generational Identities in Organizations«, inAcademy of Management Review 35/3 (2010), S. 392–414.

  38. 38Ebd.

  39. 39Thomas Langhoff, Den demographischen Wandel im Unternehmen erfolgreich ­gestalten – Eine Zwischenbilanz aus arbeitswissenschaftlicher Sicht, Heidelberg 2009.

  40. 40Janine Nahapiet und Sumantra Ghoshal, »Social Capital, Intellectual Capital, and the Organizational Advantage«, inAcademy of Management Review 23/2 (1998), S. 242–266.

  41. 41Linus Dahlander und Lars Frederiksen, »The Core and Cosmopolitans: A Relational View of Innovation in User Communities«, inOrganization Science 23/4 (2012), S. 988–1007.

  42. 42Molly McLure Wasko und Samer Faraj, »Why Should I Share? Examining Social Capital and Knowledge Contribution in Electronic Networks of Practice«, inMIS Quarterly 29/1 (2005), S. 35–57.

  43. 43Martin Dumbach, Establishing Corporate Innovation Communities. A Social Capital Perspective, Wiesbaden 2014.

  44. 44Ebd.

  45. 45Reagans und Zuckerman, Networks, Diversity, and Productivity (Fn. 14).

  46. 46Dumbach, Establishing Corporate Innovation Communities (Fn. 43).

  47. 47Die Projekte TANDEM (FKZ: 01HH11091) und WiIPOD (FKZ: 01HH11055) sind in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozial­fonds etablierten Forschungs- und Förderschwerpunkt ›Innovationsfähigkeit im ­demografischen Wandel‹ verortet.

  48. 48Vgl. Wenpin Tsai und Sumantra Ghoshal, »Social Capital and Value Creation: The Role of Intrafirm Networks«, inAcademy of Management Journal 41/4 (1998), S. 464–476.

  49. 49Dumbach, Establishing Corporate Innovation Communities (Fn. 43).

  50. 50Danksagung: Dieser Beitrag basiert auf Erkenntnissen aus den Projekten »WiIPOD – Wertschätzungsnetzwerke als integriertes Innovationsinstrument der Personal- und Organisationsentwicklung im demografischen Wandel« (FKZ: 01HH11055) und »TANDEM – Austausch von Innovation und Erfahrung im demografischen Wandel« (FKZ: 01HH11091), welche vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert sind.
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Heft 12 (2014)
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