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Gedanken zur Umwelt- und Freiraumentwicklung in der zukunftsfähigen Stadt


Vor dem Hintergrund demografischer Wandlungsprozesse, einer ebenso rasan­ten wie kostspieligen Infrastrukturentwicklung, den zunehmenden Auswirkungen klimatischer Veränderungen u. a. hat auch in Mitteldeutschland die öffentliche Debatte um die Zukunft der Städte und Stadtregionen an Intensität gewonnen. Die Absicht der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (SAW) mit ihren verschiedenen wissenschaftlichen Gremien, sich daran zu beteiligen, erfuhr einen sicht- wie auch hörbaren Ausdruck im Oktober 2013 im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Dresdner Albertinum unter der Überschrift ›Die alternssensible Stadt‹. Erörtert wurden verschiedene Facetten der aktuellen Herausforderungen. Geäußert wurden auch einige Gedanken zum Zusammenhang von Stadtentwicklung und Umweltbedingungen, die zunächst von einer bewusst plakativen Kurzbeschreibung1 des Gesamtproblems ausgehen:


Wir werden weniger: Der Bevölkerungsrückgang in den Bundesländern im Einzugsbereich der SAW beträgt – wenn auch mit regionalen Unterschieden – 
jährlich 1 Prozent!


Wir werden älter: Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 
80 Jahren – bei Frauen sogar bei 82 und bei Männern bei 77 Jahren.


Wir werden bunter: Neue Lebensstile und ein allgemeiner Wertewandel wecken neue Bedürfnisse, einschließlich des Zuzugs von Menschen aus anderen Kulturkreisen.


Gerade im Hinblick auf diese drei Feststellungen soll kurz auf die besonderen Umweltbedingungen in der Stadt eingegangen werden. Sie werden in erster Linie von der Aussendung gasförmiger, fester und flüssiger Stoffe, sogenannten Emissionen (Wärme, Geräusche, Strahlen usw.) geprägt, welche wesentlich die Wahrnehmung und Bewertung der Umweltqualität durch die Bewohner und die damit verbundenen Standortentscheidungen für Wohnorte und das Wohnumfeld, aber auch für Gewerbe, Freizeitflächen u. a. bestimmen. Demzufolge sind Lärm- und/oder Luftbelastung, das Vorhandensein bzw. das Fehlen von Grün- und Freiräumen entscheidende Kriterien für individuelle Entscheidungen für Wohnplatzpräferenzen. Insofern steht die Stadt- und Raumplanung vor der Aufgabe, die technische, verkehrliche und kulturelle Ausstattung unter dem Vorzeichen einer weniger und älter werdenden Gesellschaft neu zu bewerten und dabei die wenig hilfreichen Klischees über die Zunahme der älteren Generation zu überwinden. Dazu gehört auch das öffentliche Werben dafür, dass Alter nicht Einschränkung und Verlust an Lebensqualität bedeutet, sondern dass die älter werdenden Menschen sich erfreulicherweise zu großen Teilen fit fühlen und sich einbringen wollen. Sie sind zunehmend das Rückgrat im Ehrenamt oder wollen sich weiterbilden, wofür zum Beispiel die ständig steigenden Zahlen bei Seniorenakademien oder an Volkshochschulen sprechen. Die älteren Mitmenschen sind starke Pfeiler in den Familien, in der Nachbarschaftshilfe und eben auch noch in der Arbeitswelt. 


Der Ort, an dem Menschen älter werden, bestimmt auch die Qualität des Alterns, meinen die Mediziner. Und über diese Qualität entscheiden in nicht unerheblichem Maße die Wohnumfeldbedingungen. Deshalb müssen die Städte der Zukunft Angebote für alle Altersgruppen vorhalten, aber mit besonderem Fokus auf die älter werdenden Bewohner. Neben Mobilitätshilfen, barriere­freien Objekten, erkennbaren Anstrengungen zur Energieeinsparung oder kurzen Wegen zur Sicherung der Daseinsgrundfunktionen usw. kommt es eben gleichberechtigt darauf an, Freiräume, begrünte Räume und Erlebnisorte zu schaffen. Dazu muss es u. a. zur Verbesserung der Luftqualität kommen: Die Feinstaubbelastung muss gesenkt und die Frischluftzufuhr und Kaltluftversorgung gesichert werden. Weiterhin kommt es auf Lärmminderung und vor allem die Verhinderung der Ausbildung bodennahen Ozons durch technische und verkehrsleitende Maßnahmen an, zumal die ältere Generation gegenüber dem Atemgift Ozon besonders anfällig ist.


Da die Realisierung solcher Voraussetzungen abhängig ist von den Baustrukturen verschiedener Stadtquartiere und der Altersstruktur ihrer Bewohner, muss es zugleich gelingen, fachplanerische Einzelkonzepte zugunsten komplexer Herangehensweisen zu überwinden. Insofern ist der Beschluss der sächsischen Landesregierung vom November 2011, einen sogenannten ›Demografietest‹ bei Fördermaßnahmen und staatlichen Baumaßnahmen einzuführen, ein begrüßenswerter Ansatz. Bei allen größeren Vorhaben soll durch die Fördermittelgeber und Maßnahmeträger geprüft werden, ob die demografische Tragfähigkeit im Sinne des wirklichen Bedarfs oder der Folgekosten usw. ­gegeben ist.


Für das lokale Stadtklima und damit für das Wohlbefinden der Bewohner ist das Vorhandensein von Großgrün von erheblicher Bedeutung. Der Baumbestand bindet Kohlendioxid und erzeugt Sauerstoff, verbessert also das Stadtklima, er erzeugt Biomasse, dient Tieren als Lebensraum (Vögel, Insekten, Fledermäuse), verschönert das Stadtbild, erhöht die Wohnqualität und erzeugt Emotionen durch Blüten, frisches Grün im Frühling oder die Herbstfärbung. Bedauerlich nur, dass der Landesgesetzgeber im Jahre 2010 die Satzungs­befugnis der Kommunen beim Umgang mit Großgrün auf Privatgrundstücken drastisch eingeschränkt hat. Bereits drei Jahre später, im Frühsommer 2013 beklagten die kommunalen Spitzengremien des Landes (Sächsischer Städte- und Gemeindetag bzw. Landkreistag) bei Anhörungen zu einem neuen Naturschutzgesetz den erkennbaren und schmerzlichen Baumverlust in den Städten und Gemeinden auf den Privatgrundstücken. Der schwache Vorwand, der Beschluss von 2010 sei eine Deregulierungsmaßnahme (also ein Abbau von Bürokratie), setzte sich über die Sachaspekte hinweg. Dass das beseitigte Großgrün u. a. bei der Zurückhaltung der Staub- und insbesondere der Feinstaubbelastung, letztlich einer EU-Auflage, fehlt, ist bei der Entscheidung offensichtlich nicht erkannt worden.


Auch in den Landschaftsplänen der Städte als ergänzender Bestandteil der Bauleitplanung dürfen, besonders zukünftig, gepflegte und gut erschlossene und begrünte Freiräume keine Randerscheinung mehr sein. Insofern verschenkt auch der neue Landesentwicklungsplan von 2013 im Kapitel ›Daseinsvorsorge‹ Möglichkeiten zur Stärkung solcher Raumqualitäten, denn ökologische Aspekte oder Freiraumsysteme als Planungsziel kommen dort gar nicht vor. Daseinsvorsorge besteht in diesem verbindlichen Planungsrahmen für den Freistaat Sachsen allein aus Kriterien der Infrastruktur und Dienstleistungen. Um solche Ziele aber erreichbar zu machen, müssen auch neue Grundsätze für die Stadtentwicklung verfolgt werden. Zu benennen wäre die Einsicht, nicht alle Brachen wieder zu bebauen, um den Anteil unversiegelter Flächen zu erhöhen. Auch Überlegungen zur passfähigen Ausformung der Baunutzungs-Verordnung für die Gewinnung eines höheren Grünanteils in dichten Stadtstrukturen gehören dazu oder nach einer Studie zur Klimaanpassung in Städten2 auch verstärkte Dachbegrünung mit mikro-und mesoklimatischen Effekten. Da stadtökologische Belange mehr sind als die ›Natur in der Stadt‹, gehört auch der Hinweis auf die neuerdings in den Städten teilweise erstaunlich anwachsende Artenvielfalt dazu. Weil es vielen Arten im intensiv bewirtschafteten Agrarraum ungemütlich geworden ist, bevölkern sie zunehmend aufgelockerte Stadtrandgebiete, zumal mit Eingemeindungsvorgängen laufend ländliche Strukturen in die Stadtgebiete integriert werden, sodass die Rolle der Städte (vorrangig Klein- und Mittelstädte) im naturschutzfachlichen Ziel eines Biotopverbundes neu zu bewerten ist.


Die ›alternssensible‹ Stadt muss trotz der nur schlaglichtartigen Zusammenstellung von damit verbundenen Details mehr und neue Antennen für die Bedürfnisse der Generationen ›65plus‹ entwickeln, auch wenn die größte Aufmerksamkeit auf Fragen der Energieeffizienz, der Ressourcenschonung, der Mobilität, des Gebäudezustandes u. a. liegt. Eine den örtlichen Bedingungen angepasste funktionelle Mischung aller Lebensbedingungen gerade auch unter Einschluss von Grünflächen, Großgrün, Gartenanlagen, Freiräumen usw. ist zu verstärken, um einen Beitrag zur Sicherung von Wohlbefinden und Lebensqualität in der Stadt der Zukunft leisten zu können.


  1. 1Reinhard Wießner, Vortrag zur Landeskundekommission der SAW, Oktober 2013.

  2. 2REGKLAM-Konsortium (Hg.), Integriertes Regionales Klimaanpassungsprogramm für die Modellregion Dresden. Grundlagen, Ziele und Maßnahmen (REGKLAM-Publika­tionsreihe, Heft 7), Berlin 2013.
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Heft 12 (2014)
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