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Intellectual History der Bundesrepublik


Ein Werkstattbericht


1. Einleitung


Anders als die Rede vom unideologischen Zeitalter der Nachkriegsgesellschaft, der »nivellierten Mittelstandsgesellschaft« (Helmut Schelsky), nahelegt, haben intellektuelle Debatten die Bundesrepublik seit ihrer Gründung – eigentlich bereits vor ihrer Gründung – ergriffen und zu ihrer politischen Kultur bei­getragen. Obwohl das »Wirtschaftswunder« in der jungen Bundesrepublik vielen zu Wohlstand verhalf und eher das allgemeine – und kaum reflektierte, geschweige denn gelebte – Bekenntnis zu Rechtsstaat und Demokratie den öffentlichen Konsens gewährleistete, greift es zu kurz, die zeitgenössische Kritik am »motorisierten Biedermeier« (Erich Kästner) für bare Münze zu nehmen. Die in zahlreichen Feldern zur Geltung kommende verbreitete Sehnsucht nach Geborgenheit – sei es im Antikommunismus, in der Wiederentdeckung der sittlichen Dimension des »ewigen Naturrechts« bis hin zum Heimatfilm – 
wurde von Beginn an immer wieder durch politisch-intellektuelle Debatten gebrochen.1 Schließlich ist auch der Kritiker eines restaurativen Zeitalters Teil desselben.


Die Gemengelage aus – oft halbherzig durchgeführter – Entnazifizierung, starr bewahrtem Konsens und dem Erwachen einer – sicherlich überschaubaren – Öffentlichkeit bis hin zu verschiedenen non-konformen Arten des Protests hat die politische Kultur dieser Periode maßgeblich geprägt.2 Die amerikanischen Politikwissenschaftler Almond und Verba relativierten ihren berühmten Befund für die Bundesrepublik der 1950er Jahre (sie weise eine beachtliche Demokratieferne auf),3 mit der fast paradoxen Erkenntnis: Das Interesse an Politik und die Informiertheit der Bürger an politischen und gesellschaftlichen Problemen war im Vergleich zu anderen westlichen Staaten hoch. Solche Ambivalenzen aus Restauration, Wiederaufbau und Transformation bundesdeutscher Gesellschaft lassen sich weniger an konkreten historischen Ereignissen denn an intellektuellen Debatten dokumentieren. Hier ist der Platz einer Intellectual History der Bundesrepublik: Sie bringt nicht nur die offiziöse Politik im Rahmen institutioneller Formen, sondern politische und gesellschaftliche Semantiken sowie deren Deutungskampf zur Sprache, an deren Ende dann auch konkrete politische Handlungen stehen können – erfolgreiche wie nicht erfolgreiche. Intellektuelle Diskurse sind Arenen der Selbstverständigung moderner Gesellschaften und dokumentieren deren politisch-kulturelle Kohärenz genau wie deren Transformation.


Bevor wir diese These am Beispiel des Nachkriegskonservatismus – einem ersten Ergebnis unseres Projektes – verdeutlichen wollen, werden wir kurz ­einige begriffliche Annäherungen an das theoretische Konzept der Intellectual History unternehmen und ausgewählte Dimensionen präsentieren. Schwerpunkt sind dabei die Biografik und das Verhältnis von Intellectual History und Wissenschaftsgeschichte.


2. Intellectual History der Bundesrepublik Deutschland


Eine übergreifende Intellectual History der Bundesrepublik ist ein Forschungsdesiderat. Selbstverständlich gibt es eine unübersehbare Literatur zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Zwar dominieren politik-, sozial-, kulturgeschichtliche oder vergangenheitspolitische Perspektiven, jedoch: »Interessen (materielle und ideelle), nicht: Ideen, beherrschen unmittelbar das Handeln der Menschen. Aber: die ›Weltbilder‹, welche durch ›Ideen‹ geschaffen wurden, haben sehr oft als Weichensteller die Bahnen bestimmt, in denen die Dynamik der Interessen das Handeln fortbewegte.«4

Intellektuelle Debatten haben nicht nur politische Entwicklungen vorweggenommen – man denke an den linken Theoriehunger der 1960er und 1970er Jahre5 oder die konservative Sorge um die Unregierbarkeit als Vorboten der christdemokratisch-liberalen Koalition der 1980er Jahre.6 Zudem haben theo­retische Argumente und philosophische Denkfiguren maßgeblich zur politisch-legitimatorischen Selbstverständigung der Bundesrepublik beigetragen. 


The tremendous prestige of intellectual history, at least in the sense of recovering ›classic‹ wisdom, from the immediate postwar years until approximately 1960, was based on a number of factors: the Cold War that was in part a battle of ideas; the prominence of émigré/survivor proponents of totalitarianism theory – Hannah Arendt, Karl Popper, Jacob Talmon, Sigmund Neumann, and Carl Joachim Friedrich; the establishment of political science as an explicitly democratic discipline with the task of re-educating West German elites (this was before the age of the mass university); and the search for the intellectual origins of Nazism. Neo-Aristotelianism, in particular, represented by figures like Sternberger and the young Wilhelm Hennis, could reconnect Germany to wider European intellectual and political traditions.7

Solche Phänomene fingen – mit theoretischem Aufwand – kleinteiligere Studien ein, die sich einer historischen Kontextualisierung des politischen Denkens in der Bundesrepublik verschrieben. Eine Gesamtschau, die vielfältige Forschungsstränge bündelt und kanalisiert, steht indes aus und dürfte angesichts der Vielgestaltigkeit des Materials nur in einem größeren Forschungsprojekt zu bewerkstelligen sein. 


Methodisches Zentrum einer Intellectual History ist das Verhältnis von Text und Kontext, in dessen Zentrum der Autor steht.8 Dabei kann ihr Gegenstand weder die wiederkehrende Rekonstruktion der »Great Chain of Being« (Arthur O. Lovejoy) noch die dialektische Genese dessen sein, was Hegel einst Geist nannte. Intellectual History ist eben keine Geschichte absoluter 
Ideen.9 Uns interessieren vielmehr disparate Denk- wie Rollenmuster, intellektuelle Produzenten, Streiter und Diskurse sowie ihre Kommunikations- oder Generationsnetze.10 Intellectual History erscheint so als »understanding of those ideas, thoughts, arguments, beliefs, assumptions, attitudes and preoccupations that together made up the intellectual or reflective life of previous societies«.11 Daher fragt sie nach den Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Wissensformen und nach den Wechselwirkungen mit sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Praktiken. Hier knüpft die Intellectual History an den linguistic turn an, indem sie in jeder sprachlichen Äußerung stets ein strategisches, diskursives Mittel erkennt. Daher erschließt sich der Sinn einer intellektuellen Aussage erst durch die Kenntnis der jeweiligen sozialen Reaktion.12 Intellectual History rekurriert auf ideen-, kunst-, literatur-, philosophie-, wissenschafts-, politik-, wirtschafts-, medien- und sozialgeschichtliche Ansätze und ermöglicht aufgrund dieser Interdisziplinarität eine umfassende Heuristik intellektueller Prozesse. Wesentliche Akteure, Agenten kultureller, politischer und wissenschaftlicher Transitionsprozesse, sind Intellektuelle.13

Dennoch wiegen die methodischen Wegsteine einer Intellectual History schwer: Sie liegen auf dem Spannungsfeld von Normativität und Faktizität. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive reagiert die Intellectual History auf eine Entwicklung innerhalb des Teilbereichs »Politische Theorie und Politische Ideen­geschichte«, wo in den letzten Jahren ideenhistorische zugunsten normativ-theoretischer Fragen beiseitegeschoben wurden. Die gewonnene Komplexität politik­theoretischer Argumentationen wurde indes damit erkauft, dass es der Subdisziplin »immer weniger gelingt, ihre Rolle und Funktion im Rahmen des ­gesamten Faches so deutlich und überzeugend zu konturieren«.14 Obwohl in den letzten Jahren ein wachsendes Interesse an ideengeschichtlichen Methoden zu verzeichnen ist, dürfte es nicht aus den Reihen der Politik- sondern aus der ­Geschichtswissenschaft kommen. Zugleich hat der von dieser und von wissenssoziologischer Seite erhobene Vorwurf, ein zu idealistisches Konzept zu vertreten, dazu geführt, den Text zugunsten des jeweiligen Kontextes fast vollständig zurücktreten zu lassen oder den Status verschiedener Wissensformen zu negieren. Diese Tendenz, wie sie nicht zuletzt durch eine »Archäologie des Wissens« (Michel Foucault) befördert wurde, kumuliert in dem Vorwurf, Intellectual History löse tradierte Abgrenzungen bestimmter Gegenstände und Formen des Wissens zugunsten allgemeiner intellektueller Aussagen auf. Eine Entgegnung lautet: »Some intellectual historians seem so concerned with contextualizing philosophical ideas they miss important details in the ideas themselves.«15 Das hier geforderte Wiederlesen theoretischer Texte ermöglicht es auch, die Intellectual History für aktuelle Debatten nutzbar zu machen: In den intellektuellen Texten und Debatten werden nicht nur entscheidende Weichenstellungen moderner Gesellschaften – konkret: der Bundesrepublik – vorweggenommen, sondern auch Alternativen und Defizite jenseits einer erfolgreich durchgesetzten Politik diskutiert, die im argumentativen Archiv lagern und nur darauf warten, als ideenpolitisches Arsenal im »Deutungskampf der Gegenwart«16 Verwendung zu finden. Diese »Ideenpolitik« zeigt: Der Gebrauch und Nicht-Gebrauch ist keineswegs bloße Folge von Ideen, sondern hängt von strategischen Entscheidungen, Akteurskonstellationen und nicht-intellektuellen Ressourcen ab. 


Aus diesem Grund nimmt die Intellectual History nicht nur herausgehobene Exponenten in Politik, Wissenschaft und Kultur, sondern auch die »zweite« und »dritte Reihe« dahinter in den Blick. Dies gilt insbesondere für eine mediengeschichtliche Grundierung intellektuellen Wissens, um die »materielle« Seite einer Ideengeschichte genauer zu ergründen, denn Kontroversen werden nicht nur in Zeitschriften, in Büchern, im Fernsehen, im Radio oder im Internet ausgetragen, vielmehr wird deren Wirkkraft maßgeblich durch das jeweilige Medium selbst beeinflusst. Das Zeitalter der Wissensgesellschaft ist auch das der Informationsgesellschaft. Methodologisch verlässt eine mediengeschichtliche Rekonstruktion im Rahmen einer Intellectual History am markantesten die gewohnten Bahnen der Ideengeschichte, denn hier kommt das zur Sprache, was in den Darstellungen zu den berühmten Texten von Großtheoretikern und namhaften Zeitdiagnostikern meist als bloßes Beiwerk abgetan wurde. Die Orien­tierung an mediengeschichtlichen Fragestellungen bedeutet nicht nur, nach den Folgen der veränderten technischen Möglichkeiten in der intellektuellen Aus­einandersetzung zu fragen, sondern lässt auch eine bisher weitgehend unbeachtete Gruppe von Akteuren in den Mittelpunkt treten: Neben Zeitungsjournalisten, Redakteuren und Verlagsinhabern können dies auch Fotografen, Musiker, Regisseure, Radio- und Fernsehmacher bis hin zu Internetpionieren und Bloggern sein. Die damit einhergehende Verbreiterung des intellektuellen Feldes mag zwar von manchem als Gefahr und Reflexionsverlust verstanden werden.17 Jedoch darf ein solch kulturkritischer Blick nicht die Sicht auf den banalen Umstand verstellen, dass zahlreiche Intellektuelle durchaus den Weg in die jeweils neuen Medien suchten, denen sie theoretisch mehr als skeptisch begegneten. Es wäre eine eklatante Unterschätzung, intellektuelle Positionsbestimmungen und Auseinandersetzungen monomedial auf das gedruckte Wort zu begrenzen, wie etwa die kaum zu überschätzende Bedeutung solcher Fernsehformate wie »Zur Person«, »Zeugen des Jahrhunderts« oder »Das literarische Quartett« dokumentiert. Die damit in den Mittelpunkt tretenden Medienakteure erweisen sich nicht nur selbst als Sensorium bundesdeutscher Geschichte mit all ihren Konflikten und Ambivalenzen,18 sondern reflektieren auch die Bedeutung und Problemlagen einer Mediendemokratie.19 Gerade auf diesen Kontext will und kann eine Intellectual History nicht verzichten.


3. Dimensionen einer Intellectual History


Innerhalb einer an der Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte der TU Chemnitz angesiedelten Projektgruppe20 werden neben der Präzisierung des methodischen Konzepts und übergreifenden Überlegungen zwei Forschungs­ansätze verfolgt, die neue Untersuchungsbereiche eröffnen und so Lücken in der Forschungslandschaft schließen helfen. Diese Zugänge haben explorativen Charakter und erproben das methodische »Handwerkszeug« der Intellectual History anhand von Einzelperspektiven. Sie etablieren ihr strukturelles Profil zwischen Politikwissenschaft und Zeitgeschichte und stärken einerseits die fachliche Distinktion im Hinblick auf eine Gesamtdarstellung mit belastbaren Deutungsvorschlägen sowie transnationalen Erweiterungslinien. Zugleich zeigen sie (wegen der Empiriefrage weithin verschüttete) Gemeinsamkeiten auf, die sich in der Betrachtung intellektueller Akteure als Produzenten bestimmter Positio­nen manifestieren. Die Verflechtung der Einzelstudien unter dem Dach einer Intellectual History ist zudem selbst Forschungsgegenstand, dessen Potential als große Erzählung oder paradigmatische Klammer erst abgemessen werden muss.


3.1 Eine intellektuelle Biografie von Arnold Bergstraesser


Der Einfluss der Intellektuellen im 20. Jahrhundert gilt als unbestritten; Gründe sowohl für den »Niedergang der deutschen Mandarine« (Fritz Ringer), den Aufstieg technokratischer Experten, als auch das – zeitweilige? – Aufkommen universeller Intellektueller sind Legion. Einzelne Lebenswege (oder parallele Lebensstationen) im Zeitalter der Ideologien nachzuzeichnen, persönliche mit weltgeschichtlichen Konflikten zu vergleichen sowie zeithistorische Brüche und alltagsweltliche Erfahrungen zu verbinden, verleiht Zäsuren und Kontinuitäten ein Gesicht.21 Der Intellektuelle als Sozialfigur bildet die veränderliche politische Öffentlichkeit ab, da sich intellektuelle Positionskämpfe bei Entstehung moderner Massenmedien in neuen »Gräben« abspielten.22 Die Biografieforschung nutzt dazu sozial- wie begriffsgeschichtliche, struktur- und politikhistorische Ansätze. 


Die Erforschung von Biografien23 ist ein wesentliches Element, um Ereignisgeschichte zu verstehen. Wenn der Austausch des Intellektuellen mit seiner Umwelt ins Zentrum gelangt, wird deutlich, dass der Intellektuelle nicht nur als Akteur über seine Profession hinauswirkt, sondern je nach öffentlicher Rezeption mannigfache Rollen einnimmt: Prägt die Sicht auf ihn das öffentliche Wirken, das – akademische, literarische oder publizistische – Werk und damit sein Status als »Gelehrter«, die Verbindung mit einem »spezifischen« Gegenstand, mit dem er nach außen hin auftritt? Lässt sich dies an Interaktionen mit Politik, Staat und Gesellschaft ablesen? Wir wollen kommunikative Strategien einer sozialen Figur nachvollziehen.24

Intellektuellenforschung kann nie hagiografisch angelegt sein: In der Ideengeschichte der Gegenwart nehmen die Systemvoraussetzungen intellektuellen Wirkens und das Mitdenken der Systembrüche viel Platz ein. Man spricht von der »verpassten Chance« (Ralf Dahrendorf) der Intellektuellen in Deutschland, öffentlich Kritik zu üben. Dieses Spannungsfeld zwischen intellektuellem Denken und einer ihn umgebenden politischen (Un-)Ordnung – ein Chemnitzer Forschungsschwerpunkt – provozierte Studien zu intellektuellen Figuren zwischen Weimar, Exil und Bundesrepublik,25 grundiert in der politischen Kultur- und Emigrationsforschung.26 Intellektuelle sind stets auch internatio­nale Akteure, Grenzgänger und Mittler.27 Politiktheoretische, ökonomische und literarische Wegbereiter der Bundesrepublik wären – aus dem individuellen Gedächtnis verschwindend – biografisch stärker zu würdigen; man denke an Dolf Sternberger (1907–1989), Alexander Rüstow (1885–1963) oder Hilde Domin (1909–2006). Dies tritt dem Trend einer »entpersonalisierten« Intellectual History entgegen, die Konturen durch das Aufzeigen von Denkwegen und ihrer Wirkung gewinnt.28

Im Mittelpunkt der im Projekt durchgeführten biografischen Studie steht der Typus eines Intellektuellen im 20. Jahrhundert, dessen Wirken die politikwissenschaftliche »Freiburger Schule« hervorbrachte, ohne dass seine Werke die Zeit überdauert hätten – stattdessen zählt die stete wie voraussetzungslose Frage nach dem Verhältnis des Menschen zur sozialen Welt wohl zu den Gründen seiner Aktualität. Wäre Arnold Bergstraesser (1896–1964) in gegenwärtigen Debatten stärker präsent, hieße die Summe aus Gesinnung und Bildung wahrscheinlich nicht Humanismus. Doch die geistigen Tongeber der »Bonner« Nachkriegsdemokratie, die nicht »Mitläufer« oder gar Täter waren, in der Mehrheit »innere«, in der Minderheit äußere Emigranten, fahndeten – im Streit um »das Verhältnis von Pluralismus und Gemeinwohl«29 vereint – nach einer Integrationsidee für die Gesellschaft, die Ideologien mit Absolutheitsanspruch satt hatte und hungrig nach einem Neuanfang war. Bergstraessers Existenzialismus kann als Form des Humanismus jener Zeit gelten, die verzweifelt »ältere« Wurzeln suchte – sei es bei Goethe, sei es bei den Pädagogen der Aufklärung oder bei den christlichen Denkern des Mittelalters. Eine Flucht vor »politischeren« Themen mag ein Movens gewesen sein, Opportunismus ein weiteres. Dies gilt auch für die Kollegen Bergstraessers, die sich für die Einrichtung eines Lehrstuhls für Politikwissenschaft und Soziologie engagierten: Aus den Akten des Freiburger Universitätsarchivs30 lässt sich belegen: Es sollte ein »Demokratie-Lehrer« berufen werden, der die deutsche Kulturgeschichte und die Herkunft der Deutschen ernstnahm, soll heißen: frühere Nationalsozialisten für die Idee der Bundesrepublik gewinnen konnte.


Arnold Bergstraesser brachte dazu die Autorität der USA-Erfahrung, geistige Offenheit und den Verkehr in den konservativen Netzwerken der Adenauer-Republik ebenso mit wie den Nimbus eines mit den Wassern der Weimarer Demokratiekämpfe gewaschenen Intellektuellen. Bergstraessers Schüler, später in gegensätzlichen politischen Lagern zu Hause, sind sich einig: Bei der Berufung in Freiburg 1954 – dies konnte im Projektrahmen eruiert werden – spielten die Vorkriegswerke (insbesondere die in einem Rockefeller-Projekt in Heidelberg entstandene Habilitationsschrift über Frankreich31) keine Rolle. Bergstraessers Trumpf waren kleinere soziologische Schriften der Nachkriegszeit, die eine 
intime Kenntnis der neueren Entwicklungen in den USA verrieten und der Politik- als Demokratiewissenschaft die richtige Grundlage zu geben versprachen.32 Dazwischen lagen (damals kaum beachtete) Schriften und Heidelberger »Vorfälle« der Jahre 1932/3433 sowie die Exilzeit, deren Charakter als »Blackbox« – vermeintlich im doppelten Sinne – Subjekt konträrer Berichte ist.34 Mithilfe eines werkbiografischen Gerüsts ergründet diese Studie, wie Bergstraesser als ein Weimarer Liberalkonservativer sich im amerikanischen Exil veränderte und welche Rolle ihm damit nach der Rückkehr zufiel. Wandelte sich seine Vorstellung vom Menschen in der sozialen Welt? Warum konnte er in der frühen Bundesrepublik eine gesellschaftliche Integrationsfunktion einnehmen? Welche Handlungsfelder nutzte er, in welchen Netzwerken agierte er? Die Hypothese, nach der sich der bei Alfred Weber (1868–1958) in Staatswissenschaften promovierte Gelehrte, 1932/33 Inhaber der Eberhard-Gothein-Stiftungsprofessur für Staatswissenschaften und Auslandskunde, auf der engeren fachlichen Ebene durch den Einfluss der stärker empirisch vorgehenden political science in Richtung einer – soziologisch grundierten – Politikwissenschaft bewegte, seine Ideen indes inhaltlich erstaunlich konstant blieben (Bildung als Voraussetzung einer unabhängigen Persönlichkeit, ein realistischer Blick auf das Machtgefüge in der Welt), erhärtet sich bei der Arbeit im Projekt.


Wie wirkte Bergstraesser in die Gesellschaft hinein? Das Projekt sucht nicht nur seinem Einfluss durch außeruniversitäres Management und Politikberatung nachzuspüren, sondern auch die Wirkung von »außen« auf ihn zu dokumentieren. Der »Freiburger« verkehrte in Bonner Regierungskreisen; sein Rat in den Beiräten »Innere Führung« (wie Ratschläge für General Hans Speidel, einem früheren Mitschüler) und für staatsbürgerliche Erziehung und Bildung war geschätzt. Die transatlantischen Beziehungen lagen ihm am Herzen: als Präsident der »Atlantik-Brücke«, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien und als Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (1955–1959).35 1960–1964 war er Vorsitzender der Deutschen UNESCO-Kommission. Die Gründung der Stiftung Wissenschaft und Politik geht auf ihn zurück. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern und über Jahre zum Vorstand der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft sowie zum Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Enge Kontakte hielt er zur Thyssen-Stiftung und zum Stifterverband für die deutsche Wissenschaft.36 Allein diese Aufzählung macht deutlich, dass er, durch das Exil bedingt, eher durch (möglichst stabile) Institutionen wirken wollte als durch Publikationen37 oder stringente Lehrveranstaltungen.


Im Vergleich mit anderen Intellektuellen der Nachkriegszeit erwies er sich als »modern«, da er sofort nach der Rückkehr Kontakt zum Rundfunk aufnahm (bzw. eingeladen wurde) und Kollegreden übernahm wie »Das Ost-West-Verhältnis und die Stellung Deutschlands« (1958) oder »Die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich in der weltpolitischen Lage der Gegenwart« (1961). Ohne dass er als »moderner« Kopf wahrgenommen worden wäre, nutzte er das Radio, um sich als politischer Intellektueller öffentlich Geltung zu verschaffen. Daneben belegt der Nachlass dutzende Manuskripte von Festreden. Den Bildungsgedanken festigte er als unermüdlicher Initiator von politischen Bildungshäusern – etwa der Politischen Akademie in Tutzing, der Politischen Akademie in Eichholz (Nukleus der Konrad-Adenauer-Stiftung) oder des Studienhauses Wiesneck in Buchenbach bei Freiburg,38 wo die von ihm (mit-)geleitete Arbeitsgemeinschaft »Der Bürger im Staat« oft tagte. Die Etablierung und Ausgestaltung des Faches Gemeinschaftskunde in Baden-Württemberg geht auf Theodor Eschenburg (1904–1999) und ihn zurück; beide überwanden dazu erhebliche Widerstände in Politik und Gesellschaft.39 Bergstraesser hielt Vorträge zur Arbeit der Volkshochschulen und zur Erwachsenenbildung,40 daneben zu Schriftstellern und Philosophen des 19. Jahrhunderts, die er bereits in Vorlesungen in Amerika behandelt hatte, wie etwa 1954 zu Schelling.41 Gehör fand, wie er über die Ausgestaltung und Deutung des menschlichen Zusammenlebens in Vergangenheit und Gegenwart sprach.


Was lässt sich resümierend über diesen Intellektuellen sagen? Arnold Bergstraesser war ein charismatischer Lehrer der Politikwissenschaft, der – vor ­allem nach dem Exil – eher durch seine Reden als durch Schriften gewirkt hat; dies begann in der Jugendbewegung. Er hat sich mit Grundlagen der Politikwissenschaft befasst: mit der politischen Bildung, immer wieder mit internationaler Verständigung, zudem mit dem kulturellen und literarischen Erbe. Institutionen und konkrete Politikfelder waren für ihn eher flankierendes Beiwerk, obgleich die Habilitationsschrift und das Frankreichbuch von 1930 die nationalökonomischen und kultursoziologischen Prinzipien Alfred Webers detailreich deklinierten. Sein methodisch kaum definierter Ansatz ist zwischen Kultursoziologie und Politikwissenschaft zu suchen.42Hervorgetreten weder durch ein Lehrbuch noch durch ausgefeilte theoretische Konzepte für das Fach (von kleineren programmatischen Beiträgen abgesehen43), gründete er die – bisher – erfolgreichste Schule der deutschen Politikwissenschaft.


Er ist nicht ohne die (Selbst-)Täuschung von 1933 und nicht ohne die Emigra­tion zu verstehen.44 Mit seiner Fähigkeit, nicht nur schnell Freunde zu gewinnen, sondern auch anhaltende Kooperationen zu schmieden, konnte Bergstraesser, stets ein Optimist, in Heidelberg, an den amerikanischen Hochschulen wie später in Freiburg reüssieren. Er verstand die Weimarer Jahre als Möglichkeit, einen Ausgleich mit Frankreich zu erreichen, er sah die Krisensituation 1932/33 als Chance, eine (damals breit geforderte) nationale Erneuerung vorzunehmen. Das Exil nutzte er, um Gemeinsamkeiten des westlichen Denkens herauszuarbeiten. Nach Gründung der Bundesrepublik fand er in der politischen Bildung ein Mittel, die Demokratie zu festigen und sich internationalen Problemen zu widmen (denen er indes Werte zugrunde legte, die heute als »eurozentrisch« gelten würden). Kein anderer Politikwissenschaftler in der Bundesrepublik vermochte es in so kurzer Zeit, eine Vielzahl von Institutionen zu gründen, die bis heute in die Gesellschaft wirken; freilich wandelte sich die inhaltliche Ausrichtung mit neuen Anforderungen, etwa die des Beirates »Innere Führung«. Wie Institutio­nen heute jenseits ihres Gründungsimpulses arbeiten, liegt im Lauf der Zeit begründet. 


3.2 Intellectual History und Wissenschaftsgeschichte: 
Das Beispiel Politikwissenschaft 


Wie dargestellt, muss, wer Intellectual History als spezifischen Zugang zur Ideen­geschichte versteht, sich der »alten« Frage nach der Gewichtung von Text und Kontext stellen. Dabei dürfte es als ausgemacht gelten, dass gleichermaßen die Beschränkung auf hermeneutische Textexegese oder auf die wissenssoziologische Beschreibung der Bedingungen ebenjener Textproduktion eine unzulässige Verengung ideengeschichtlicher Fragestellungen bedeutet. Wenn nun die »Intellectual History« ihren analytischen Schwerpunkt auf die Bedingungen intellektuellen Wissens setzt, so muss sie sich dem Vorwurf stellen, ­einem »eclecticism or lack of philosophical rigor«45 das Wort zu reden, wenn sie nicht erklärt, was eigentlich mit »intellectual« gemeint ist. So hat die Intellectual History zwar das heuristisch problematische Wort »Idee« verabschiedet – aber das damit verbundene Problem, normative und metaphysische Begriffe in die Analyse einzuschleusen, wiederholt sich nun am Begriff des Intellektuellen. Das betrifft nicht nur solch pathetische Definitionen, die im Intellektuellen den freischwebenden Kritiker, das universale Gewissen oder gar den – mal parteigebundenen, mal autonomen – Revolutionär zu erkennen glaubten.46 Selbst wenn Stefan Collini eher nüchtern definiert, dass Intellektuelle ein nicht-instrumentelles Ziel anstreben, indem sie »important and interesting things«47 über allgemeine Angelegenheiten zur Sprache bringen und sich deshalb in der Sphäre der Öffentlichkeit bewegten, müsste definiert werden, was von all­gemeinem Interesse ist, welches Handeln mehr als instrumentell sein soll und was die Öffentlichkeit (oder: veröffentliche Meinung?) bewegt. Die Antworten implizieren nicht nur normative Erwägungen, sondern verdeutlichen, wo die Gefahren einer zu starken Orientierung am Kontext liegen: Weshalb einem Akteur oder Text Intellektualität zugesprochen wird, setzt das Wissen voraus, was intellektuell ist – oder eben nicht.


Dieses Eingrenzungsproblem stellt sich ebenfalls für eine Wissenschafts- oder besser: Disziplingeschichte. Auch hier lassen sich normative Fragen – nach Gegenstand und Ethos des wissenschaftlichen Wissens – nicht vermeiden. Erinnert sei etwa an Mertons (1910–2003) These, dass jede Wissenschaft auf den Prinzipien des Universalismus, Kommunalismus, der Uneigennützigkeit und dem organisierten Skeptizismus basiere.48 Zugleich ließe sich fragen, ob solch eine – und hier wiederholt sich das Dilemma – ideale Position je Wirklichkeit war. Man muss nicht auf Paul Feyerabends (1924–1994) radikale Kritik49 verweisen, um nach den sozialen Bedingungen der Wahrheitssuche als Nukleus des wissenschaftlichen Wissens zu fragen. Sie finden sich gleichermaßen in den systemtheoretischen, diskursanalytischen und ideologiekritischen Arbeiten zur Wissenschaftstheorie.50 Unabhängig von diesen Schwierigkeiten zeichnet die Wissenschafts- bzw. Disziplingeschichte im Gegensatz zur Intellectual History ihr klarer umrissener Gegenstand aus: Es geht um wissenschaftliche Texte und Praktiken. Dass deren Geschichte hochgradig durch nichtwissenschaft­liche Rahmenbedingungen beeinflusst und verursacht sein mag, kann nicht geleugnet werden. Jedoch ist die Annahme, wissenschaftliches Wissen sei nur ein Reflex auf soziale oder politische Praktiken, zu einfach gedacht. Wer auf dem spezifisch wissenschaftlichen Charakter von Wissenschaften insistiert, kommt nicht umhin, auf ihren permanenten Rekurs auf Methoden, Theorien und Erkenntnisse zu verweisen51 und muss eine politische Codierung einer bestimmten Wissenschaftsdisziplin irritiert zurückweisen.


Wie prekär das Verhältnis von Wissenschaft und Politik ist, veranschaulicht vor allem das Beispiel der hochgradig politisierten politischen Wissenschaften im 20. Jahrhundert. Die jeweilige Positionierung ist leicht nachzuzeichnen: die Militarisierung deutscher Professoren im Ersten Weltkrieg, die Ideologisierung in der Weimarer Republik, die politische Auslandskunde im »Dritten Reich«, die Erfindung der Demokratiewissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Aus genuin wissenschaftswissenschaftlicher Sicht ist eine solche Perspektive aber ungenügend, weil auf systemfremde Codes zur Erklärung von Wissenschaft zurückgegriffen wird, weshalb wissenschaftliche Positionen und Kontroversen als bloße Epiphänomene missverstanden bleiben. Leider ist die bisherige politikwissenschaftliche Disziplingeschichte häufig diesem Ansatz gefolgt: Statt genuin wissenschaftsgeschichtlicher Fragestellungen dominieren politische Skandale die Forschung.52

Diesem Desiderat ließe sich begegnen, wenn wissenschaftliche Kontroversen nicht als bloße Aussagensysteme neben anderen Aussagentypen positioniert bleiben oder sich in diverse Kontexte (insbesondere: politische) auflösen, sondern das in den jeweiligen Texten verhandelte wissenschaftliche Problem selbst wieder sichtbar gemacht werden würde.53 Im Zentrum einer theorie-
orientierten Disziplingeschichte stünde nicht die Befragung, wer sich wie politisch verhalten hat, sondern die problemorientierte Rekonstruktion, wie eine Wissenschaft von der Politik möglich sein kann, welcher Gegenstand zur ­Politik zählt, auf welche theoretischen Konzepte zurückgegriffen wurde und wie die Binnendifferenzierung von Politikwissenschaft mit ihren Nachbar­fächern aussieht. 


Eine solche Perspektive müsste – zumindest zunächst – unabhängig vom politischen System und dessen Geschichte nach eigenen, genuin wissenschaftlichen Kontinuitäten und Brüchen suchen. So wie Wissenschaftsgeschichte autonom von politischer und Sozialgeschichte rekonstruiert und periodisiert werden sollte, muss die Geschichte der politischen Wissenschaft als Wissenschaftsgeschichte geschrieben werden. So ließe sich mit guten Gründen fragen, ob nicht bestimmte Wissensdispositive anders als politische Systembrüche positioniert sind und sich die intellektuelle Formierung eines wissenschaftlichen Wissens unabhängig oder zumindest in Spannung zu politischen Ereignissen vollzieht. Während die politikwissenschaftliche Disziplingeschichte bisher ihre Geschichte unmittelbar an die Erzählung vom »kurzen« 20. Jahrhundert (Eric Hobsbawn) anlehnt, zeigen neuere Forschungen, dass es gute Gründe gibt, von einem »langen« 20. Jahrhundert54 als dem Zeitalter der Wissensgesellschaft zu sprechen. Gerade in den geschichtswissenschaftlichen Forschungen zur Hochmoderne55 und zur »Verwissenschaftlichung des Sozialen«56 konnte gezeigt werden, dass sich die zeitliche Periodisierung von Wissenschaftsgeschichte eben nicht mit der politischen Ereignisgeschichte deckt – jedoch durchaus in markanter Wechselwirkung zu politischen Prozessen steht, wie es ja gerade für die politischen Wissenschaften, etwa der Verwaltungswissenschaft, gezeigt werden kann.57

Um entsprechende Kontinuitäten und Diskontinuitäten politikwissenschaftlichen Wissens aufzuzeigen, müsste nicht nur über den Zeitpunkt der universitären Institutionalisierung zurückgeblickt werden, sondern formative Debatten des Fin de Siècle rekonstruiert werden, um entsprechende theoretische Wegmarken zu erkennen. Diese Perspektive deckt sich übrigens nicht nur mit den genannten wissenschaftsgeschichtlichen Ansätzen, sondern auch mit älteren sozialgeschichtlichen Arbeiten, die in Wirtschaft und Gesellschaft des Wilhelminischen Kaiserreiches durchaus moderne Aspekte wahrnehmen.58 Mit der Figur des »langen« 20. Jahrhunderts würden politikwissenschaftliche Fragestellungen nicht mehr nur der legitimatorische Appendix im Zuge der political reconstruction nach dem Zweiten Weltkrieg erscheinen,59 sondern helfen, grundlegende politiktheoretische Probleme moderner Gesellschaften zu diskutieren.


Aus Platzgründen soll hier ein Beispiel genügen: Es gehört zum Gründungsmythos der Politikwissenschaft, dass sie das wahrgenommene politische Versagen der deutschen Staatsrechtslehre, sich nicht gegen den Nationalsozia­lismus gewehrt zu haben, mit einer Absage an den Rechtspositivismus verknüpft hat.60 Die Fixierung auf den bloßen Gesetzestext, so das Argument, habe nicht nur die politischen Rahmenbedingungen der nur teildemokratisierten Weimarer Republik ausgeblendet, sie habe auch den bedingungslosen Gehorsam im Nationalsozialismus getragen.61 Dieses von der normativen Kraft getragene Argument einer sich als »Demokratiewissenschaft« selbst verstehenden Disziplin unterschlägt jedoch, dass die Kritik am Rechtspositivismus nicht nur in der Weimarer Republik (hier meist mit durchaus fragwürdigen politischen Intentionen) vorgetragen, sondern auch bereits im ausgehenden Kaiserreich formuliert wurde.62 Vor allem haben gerade zahlreiche Rechtspositivisten nicht nur um die wissenschaftliche Begrenztheit der juristischen Methode gewusst und diese problematisiert. So unterschiedlich die jeweilige Lösung für dieses Problem auch aussah, letztlich reagierten viele mit einer Hinwendung zu rechtstheoretischen Grundsatzfragen im Geiste der neukantianischen Rechtsphilosophie, die für viele rechtswissenschaftlich ausgebildete Politikwissenschaftler formierenden Charakter hatte.63

Aber auch inhaltlich lassen sich entsprechende Kontinuitäten ziehen: Derjenige unterliegt einem Vorurteil, der in der staatsrechtlichen Auseinandersetzung mit der Demokratie in der Weimarer Republik nur das ressentiment­geladene, ja antidemokratische Denken zu erkennen glaubt.64 Vielmehr zielten zahlreiche Autoren – heute noch immer im zweifelhaften Schatten von Carl Schmitt (1888–1985) stehend – auf ein adäquates Verständnis moderner Demokratien, wozu auch die Diskussion von Funktionsschwächen und grundsätzlichen Problemlagen, wie dem Spannungsverhältnis von Rechtsstaat und Demokratie, gehört. Paradigmatisch sind hier die staatsrechtlichen, rechtstheo­retischen und verfassungsgeschichtlichen Arbeiten von Georg Jellinek (1851–1911) zu nennen, dessen skeptischer Blick auf die ungebremste Demokratisierung gerade von einem der Gründungsväter der Politikwissenschaft, Karl Loewenstein (1891–1973), aufgegriffen wurde, der diese Überlegungen später zu einer fulminanten Theorie der Machtkontrolle im demokratischen Staat verdichtet hat. Solche theoretischen Linien lassen sich aber nur zeichnen, wenn wissenschaftliche Texte unabhängig vom politischen Kontext rekonstruiert werden, um dann nach politischen Einbrüchen, die auch wissenschaftliche Reflexionen verlangen, zu suchen.


4. Erste Ergebnisse


Wichtige Ergebnisse der bisherigen Arbeit wurden auf einem im Winter 2015 durchgeführten Workshop präsentiert und diskutiert. Die schon mehrfach ­betonte Stärke des Ansatzes, politische und historische Ambivalenzen einzufangen, haben sich in einem zum Thema »Nachkriegskonservatismus« durchgeführten Arbeitstreffen bestätigt.65

Die zentrale und an die neuere Forschungsliteratur angelehnte Hypothese,66 dass der Nachkriegskonservatismus nicht allein als restauratives Phänomen begriffen werden könne, sondern ihm ein bedeutendes Modernisierungsmoment innewohne, konnte gleichermaßen bestätigt und differenziert werden. So lässt sich zwar ein »deradikalisierender« Positionswechsel »von der Tat zur Gelassenheit«67 diagnostizieren, und auch die These von der liberalkonser­vativen intellektuellen Gründung der Bundesrepublik, der es gelungen sei, das hochideologisierte Denken der Zwischenkriegszeit in eine integrative bürgerliche Common-Sense-Philosophie zu verwandeln,68 mag durchaus zutreffend sein. Zugleich zeigt sich, dass hinter dem Erfolg des Nachkriegskonservatismus (Demokratisierung, die Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft und eine wohlfahrtsstaatliche Modernisierung der Gesellschaft) nicht nur beachtliche Friktionen standen, sondern dessen Verhältnis zu Demokratie, Marktwirtschaft und wohlfahrtsstaatlicher Teilhabe facettenreich blieb. 


Insbesondere die starke Integrationskraft der christlich-demokratischen bzw. christlich-sozialen Volksparteien hat die nicht geringen Spannungen, etwa zwischen einem christlich-abendländischen und technokratischen Konservatismus, ausgeglichen, aber eben auch unterdrückt. So konnte Martina Steber plausibel zeigen, dass der Versuch von Hans-Joachim von Merkatz (1905–1982) und Hans Mühlenfeld (1901–1969), in der Deutschen Partei einen selbstbewussten, am englischen Beispiel orientierten Konservatismus zwischen Union und rechtsextremen Gruppierungen zu konstruieren, bei allen kurzfristigen Erfolgen in den 1950er Jahren geringe Zukunftschancen haben musste. Während die Partei selbst zunehmend marginalisiert wurde, fanden ihre politischen und theoretischen Protagonisten in der CDU oder FDP eine neue Heimat. Zugleich ließe sich aber fragen, ob deren Fortschritts- und Rationa­litätsskepsis, die sie durchaus mit Argumenten des klassischen Liberalismus zu begründen wussten,69 nicht die Integrationskraft der CDU letztlich steigerte. Wer jedoch nicht in der Lage war, »Politik ohne Wunschbilder« (Hans Mühlenfeld) pragmatisch zu betreiben, konnte an der eigenen Erfolgsgeschichte nicht teilhaben. Dies trifft etwa für den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes Andreas Hermes (1878–1964) zu, der nicht bereit war, geistige Kontinuitäten zu Weimarer Republik und Kaiserreich zu revidieren. Weil seine Berufung auf den Abendlandgedanken mehr als nur Rhetorik war, konnte und wollte er Adenauers Weg in die Westintegration nicht mitgehen und isolierte sich konsequenterweise damit selbst. 


Zugleich sollte der konservative Pragmatismus nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mit Liberalisierung verwechselt werden. Wie auf dem Arbeitstreffen zunächst Johannes Großmann70 zeigte, schloss die »Internationale der Konservativen« im Centre Européen de Documentation et d’Information (CEDI) neben der Kooperation mit Monarchisten, Gaullisten und Neoliberalen auch franco-spanische Eliten mit ein, deren gemeinsame Klammer weniger theoretische Diskurse denn Strategiefragen bildeten. Gerade diese ideologische Ab­stinenz eröffnete Kooperationsmöglichkeiten, die einerseits einen europäischen transnationalen Gesprächskreises lebendig werden ließ, andererseits aber in der Lage war, vergangenheitspolitische und demokratietheoretische Probleme souverän auszublenden.


Gerade die in der älteren Forschung71 diskutierte Frage der politischen Kontinuität kommt so immer wieder zur Sprache: Dies betrifft nicht nur persönliche Kontinuitäten, etwa von namhaften Journalisten renommierter Zeitungen und Zeitschriften, wie Alexander Korb berichtete. Sie betraf – so Martin G. Maier – auch ideologische Integrationsmomente wie den Antikommunismus über den Systembruch 1945/49 hinweg, der sich zunächst durchaus in die liberalkonservative Gründung der Bundesrepublik einzufügen wusste und erst in den 1960er und 1970er Jahren von Konservativen gegen deren politische Kultur gewendet wurden. 


Solche politischen Konstellationsverschiebungen lassen sich insbesondere anhand von Intellektuellen herausarbeiten. An Gründungsvätern der westdeutschen Politikwissenschaft wie Arnold Bergstraesser und Carl Joachim Friedrich (1901–1984) lässt sich ermessen, wie pragmatisch und liberal sie – die in der Weimarer Republik durchaus mit der autoritären Option geliebäugelt hatten – in den 1950er Jahren zur Demokratisierung beigetragen hatten. War für Bergstraesser die Anrufung des humanistischen Abendlandes mit seiner gegenüber den totalitären Bewegungen immun bleibenden geistigen Traditionen entscheidend, verwies Friedrich auf die gelebte amerikanische Demokratie, in der er zugleich ein europäisches Produkt der Neuzeit erkennen konnte. Die Akzentuierung eines »alteuropäischen« Werteverständnisses schloss so gleichermaßen Demokratisierung und Modernisierung mit ein. So wirkte Bergstraesser, bereits 1964 verstorben, in diesem Sinne vor allem durch die Institutionalisierung des Schulfaches »Gemeinschaftskunde« und durch die Gründung von Forschungs- und Bildungseinrichtungen, die der Demokratie in Deutschland bis heute Gesicht und Farbe geben. Die Grenzen dieser Position zeigten sich (später) in der Auseinandersetzung mit der Studenten- und Bürgerrechtsbewegung: Friedrich votierte nun in den 1970ern in Sorge um Autorität und Hierarchie erneut für die Begrenzung verfassungsmäßiger Freiheitsrechte und sinnierte über die Möglichkeiten einer konstitutionellen Diktatur. Es waren solche Überlegungen, die die »geistig-moralische Wende« in den 1980er Jahren mit ihrer Kritik an einem emanzipatorischen Charakter der Demokratie vorausdachten.72

Ungewöhnliche Blicke auf konservative Zeitdiagnosen bot etwa der Vortrag von Magnus Klaue, in dessen Mittelpunkt Max Horkheimers (1895–1973) Vergleich mancher jugendlich-revolutionären Ansätze des Nationalsozialismus und dem revolutionären Eifer der Studentenbewegung stand. So zeigte sich ­einerseits der Deutungswandel, den politische Ereignisse erfuhren, und die bewusst »unbequeme« Positionierung, andererseits der instrumentelle Charakter von intellektuellen Äußerungen, deren doppelte Rolle als Objekt des Autors und Subjekt von Debatten gleichermaßen zu Tage traten.


5. Fazit und Ausblick


Intellectual History als wichtige Strömung innerhalb der Ideengeschichte nimmt den letztlich idealistischen Impuls, theoretische Diskurse allein aus der Perspektive externer Normativität zu befragen, zurück, indem sie – durchaus doppelsinnig – aufruft, zum Material selbst zurückzukehren. Dies betrifft ­einerseits die Analyse und historische Rekonstruktion des intellektuellen Materials und andererseits das historische Setting, in dem intellektuelle Aussagen getroffen und intellektuelle Debatten geführt wurden, also die Formen und ­Foren der Auseinandersetzung. Aus diesem Grund stehen nicht nur (Groß-)Theoretiker, sondern einzelne Intellektuelle als Agenten des Wissens und die sie umgebenden Netzwerke im Mittelpunkt. Bei einem intellektuellen Netzwerk ist nicht allein der Kontakt zu anderen Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern von Interesse, sondern auch zu politischen und gesellschaft­lichen Eliten, Verlagen und Verlegern sowie anderen Mittlern ihres Denkens. Das Material der Intellectual History, die intellektuellen Positionen und Diskurse, wird nicht nur nach ihrem Gegenstand, sondern stets auch nach Modalität, Zeitpunkt, Häufigkeit und auch Qualität befragt. Hierzu bietet sich vor allem die Frage nach den Akteuren intellektuellen Wissens – und nicht nur deren Produzenten im engeren Sinn – an. Eine intellektuelle Biografie ist daher mehr als die bloße Lebensbeschreibung, sie eröffnet ein Feld von Semantiken, Strategien und Praktiken, um Geschichte und Handeln in Geschichte als Narrativ einzufangen. Um Arnold Bergstraessers Wirken zu verstehen, genügt es nicht, seine wissenschaftlichen Texte zu lesen, sondern er muss als akademischer, publizistischer und politischer Akteur begriffen werden. Geschieht dies, so tritt er als ein Intellektuellentyp in einer bestimmten Phase der politischen Kultur der Bundesrepublik in Erscheinung, der uns etwas über die Zeit, in der er lebte und wirkte, mitteilen kann.


Eine solch starke Kontextualisierung muss auch Grenzen aufweisen: Denn die Formen und Foren von intellektuellen Positionskämpfen lassen sich nicht ohne ihr Material denken und beschreiben. Um intellektuelle Kontroversen zu verstehen, nimmt sich eine Darstellung, die nur den strategischen Gebrauch von Theorien und Wissen thematisiert, das Wesentliche. Daher ist die Perspektive der Wissenschaftsgeschichte und die damit verbundene Rekonstruktion theoretischer Positionen mehr als ein probates Kontrollinstrument: Hier wird nicht nur auf die Signifikanz des Textes vor dem Kontext insistiert, sondern vor allem vor einer Fehlinterpretation gewarnt, die Aussagen nur auf ihre (soziale und politische) Praxis hin liest. Am Beispiel der politikwissenschaftlichen Disziplingeschichte lässt sich zeigen, so unsere Hypothese, dass politische Systembrüche zwar die Formen der Auseinandersetzung und auch stillschweigende Vorannahmen revidiert haben, jedoch grundlegende Wissensdispositive und Problemlagen eine beachtlichere Durabilität besitzen, als bisher angenommen wurde. Insbesondere die Vorstellung, die institutionelle Gründung der Politikwissenschaft würde einen epistemologischen Bruch zur Staatsrechtslehre der Weimarer Republik und dem Kaiserreich mit einschließen, muss relativiert werden. 


In dem hier geschilderten Spannungsverhältnis bewegt sich der Ansatz der Intellectual History, der Erkenntnisse und Methoden von Politik-, Literatur- und Geschichtswissenschaft verdichtet. Diesen Fächern ist gemein, die eingangs erwähnte Reziprozität auf ihre Forschungsgegenstände anzuwenden. Die Intellectual History vermag es in besonderem Maße, das Wirken von Einzelnen auf die Gesellschaft zu spiegeln mit Einflüssen zurück auf den intellektuellen Kopf, den Wandel von Wissenschaftskulturen zu beschreiben und dabei die Wechselwirkungen mit allen Arten von Presse und Medien einzubeziehen. Zukünftige Forschungsthemen könnten neben der schon erwähnten Bedeutung intellektueller Publizistik bisher vernachlässigte Intellektuellengruppen, wie religiöse oder spezifisch weibliche Deuter des Zeitgeschehens, die textorientierte Vertiefung der Ideologiegeschichte im Zeitalter des Kalten Krieges oder eine begriffsgeschichtliche Gesamtuntersuchung zu den Topoi einer »Westernisierung« oder der »Moderne« in Deutschland sein. Diese Agenda will die Projektgruppe mit den hier vorgestellten Pfaden biografischer wie wissenschaftsgeschichtlicher Forschung präzisieren helfen.


  1. 1Eberhard Rathgeb, Die engagierte Nation. Deutsche Debatten 1945–2005, München 2005.

  2. 2Wolfgang Kraushaar, Die Protest-Chronik 1949–1959. Eine illustrierte Geschichte von Bewegung, Widerstand und Utopie, 4 Bde., Hamburg 1996.

  3. 3Vgl. Gabriel A. Almond und Sydney Verba, The Civic Culture. Political Attitudes and Democracy in Five Nations, Princeton 1963.

  4. 4Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1, 8. Aufl., Tübingen 1986, S. 252.
  5. 5Philipp Felsch, Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte. 1960–1990, München 2015.

  6. 6Jens Hacke, »Der Staat in Gefahr. Die Bundesrepublik der 1970er Jahre zwischen Legitimationskrise und Unregierbarkeit«, in ders. und Dominik Geppert (Hg.), Streit um den Staat. Intellektuelle Debatten in der Bundesrepublik 1960–1980, Göttingen 2008; S. 188–206; Armin Schäfer, »Krisentheorien der Demokratie. Unregierbarkeit, Spätkapitalismus und Postdemokratie«, in Der moderne Staat – Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management 2/1 (2009), S. 159–183.

  7. 7A. Dirk Moses, »Forum: Intellectual History in and of the Federal Republic of Germany«, in Modern Intellectual History 9/3 (2012), S. 625–639, hier S. 628.
  8. 8Vgl. Axel Schildt, »Überlegungen zur Historisierung der Bundesrepublik«, in ders., Annäherungen an die Westdeutschen. Sozial- und kulturgeschichtliche Perspektiven auf die Bundesrepublik, Göttingen 2011, S. 11–30; A. Dirk Moses, »Forum: The Intellectual History of the Federal Republic«, in German History 27/2 (2009), S. 244–258; Martin Conway, »Democracy in Postwar Western Europe: The Triumph of a Political Model«, in European History Quarterly 32/1 (2002), S. 59–84; Dominik Geppert und Jens Hacke (Hg.), Intellektuelle Debatten in der Bundesrepublik 1960–1980, Göttingen 2008; Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael, Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2008.

  9. 9Aus diesem Grund wird häufig auf den angelsächsischen Begriff Intellectual History zurückgegriffen, weil ihr Gegenstand nicht »Ideen«, sondern intellektuelle Positionen und Kontroversen sind.

  10. 10Einen Überblick bietet Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.), Ideengeschichte. Basistexte, Stuttgart 2010; zudem: Martin Mulsow und Andreas Mahler (Hg.), Texte zur Theorie der Ideengeschichte, Stuttgart 2014.

  11. 11Stefan Collini, »What is Intellectual History?«, in History Today 35 (1985), S. 46–54, hier S. 46; auch: Moses, Forum (Fn. 7), S. 635 f.

  12. 12Vgl. Quentin Skinner, »Meaning and Understanding in the History of Ideas«, in History and Theory 8/1 (1969), S. 3–53.

  13. 13Alexander Gallus, »›Intellectual History‹ mit Intellektuellen und ohne sie. Facetten neuerer geistesgeschichtlicher Forschung«, in Historische Zeitschrift 288 (2009), S. 139–150; Harald Bluhm und Walter Reese-Schäfer (Hg.), Die Intellektuellen und der Weltlauf. Schöpfer und Missionare politischer Ideen in den USA, Asien und Europa nach 1945, Baden-Baden 2006; Ingrid Gilcher-Holtey (Hg.), Zwischen den Fronten. Positionskämpfe europäischer ­Intellektueller im 20. Jahrhundert, Berlin 2006.

  14. 14Hubertus Buchstein und Dirk Jörke, »Die Umstrittenheit der Politischen Theorie. Stationen im Verhältnis von Politischer Theorie und Politikwissenschaft in der Bundesrepublik«, in Gerhard Göhler und Hubertus Buchstein (Hg.), Politische Theorie und Politikwissenschaft, Wiesbaden 2007, S. 15–44.

  15. 15Peter Gordon, »What is Intellectual History? A frankly partisan introduction to a frequently misunderstood field«, online unter: http://sydney.edu.au/intellectual-history/documents/gordon-intellectual-history.pdf (3.2.2016).

  16. 16Marcus Llanque, Politische Ideengeschichte. Ein Gewebe politischer Diskurse, München 2008, S. 3.

  17. 17Jürgen Habermas, »Preisrede anlässlich der Verleihung des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch 2005«, online: http://www.renner-institut.at/fileadmin/user_upload/downloads/kreisky_preis/habermas2006-03-09.pdf (3.2.2016).

  18. 18Etwa: Lutz Hachmeister und Friedemann Siering, Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945, München 2002.

  19. 19Thomas Meyer, Mediokratie, Frankfurt a. M. 2001.

  20. 20Die konzeptionellen Grundlagen, auf die wir hier rekurrieren, finden sich bei Alexander Gallus, »Vier Möglichkeiten, die Intellectual History der Bundesrepublik zu ergründen – Überlegungen zur Erschließung eines Forschungsfelds«, in Frank Bajohr u. a. (Hg.), Mehr als eine Erzählung. Zeitgeschichtliche Perspektiven auf die Geschichte der Bundesrepublik, Göttingen 2016, S. 287–300. Zudem bedanken wir uns für Anregungen und Hinweise bei Patrick Keller, Ann Andrea Petzel und Ellen Thümmler.

  21. 21Zur »Renaissance« von Biografien in der zeitgeschichtlichen Forschung vgl. Alexander Gallus, Art. »Politikwissenschaft (und Zeitgeschichte)«, in Christian Klein (Hg.), Handbuch Biographik. Methoden, Traditionen, Theorien, Stuttgart/Weimar 2009, S. 382–387.

  22. 22Vgl. Gangolf Hübinger, Gelehrte, Politik und Öffentlichkeit. Eine Intellektuellengeschichte, Göttingen 2006.

  23. 23Auch im Sinne von Biografien als einem Narrativ vgl. Thomas Etzemüller, Biographien. Lesen – Erforschen – Erzählen, Frankfurt a. M. 2012.

  24. 24Vgl. Gangolf Hübinger und Thomas Hertfelder (Hg.), Kritik und Mandat. Intellektuelle in der deutschen Politik, Stuttgart 2000.
  25. 25Etwa: Alexander Gallus, Heimat »Weltbühne«. Eine Intellektuellengeschichte im 
20. Jahrhundert, Göttingen 2012; Alfons Söllner, Fluchtpunkte. Studien zur politischen Ideen­geschichte des 20. Jahrhunderts, Baden-Baden 2006; Frank Schale, Zwischen Engagement und Skepsis. Eine Studie zu den Schriften von Otto Kirchheimer, Baden-Baden 2006; Ellen Thümmler, Katholischer Publizist und amerikanischer Politikwissenschaftler. Eine intellektuelle Biographie Waldemar Gurians, Baden-Baden 2011; Sebastian Liebold, Kollaboration des Geistes. Deutsche und französische Rechtsintellektuelle 1933–1945, Berlin 2012; Michael Vollmer, Die Macht der Bilder. Thomas Mann und der Erste Weltkrieg, Berlin 2014.

  26. 26Vgl. Manfred Gangl und Gérard Raulet (Hg.), Intellektuellendiskurse in der Weimarer Republik. Zur politischen Kultur einer Gemengelage, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 2007; Alfons Söllner, Deutsche Politikwissenschaftler in der Emigration. Studien zu ihrer Akkulturation und Wirkungsgeschichte, Opladen 1996.

  27. 27Arnd Bauerkämper, Konrad H. Jarausch und Marcus M. Payk (Hg.), Demokratiewunder. Transatlantische Mittler und die kulturelle Öffnung Westdeutschlands 1945–1970, Göttingen 2005; Monika Boll und Raphael Gross (Hg.), »Ich staune, dass Sie in dieser Luft atmen können«. Jüdische Intellektuelle in Deutschland nach 1945, Frankfurt a. M. 2013; Mark Häberlein, »Kulturelle Vermittler in der atlantischen Welt der frühen Neuzeit«, in ders. und Alexander Keese (Hg.), Sprachgrenzen – Sprachkontakte – kulturelle Vermittler: Kommunikation zwischen Europäern und Außereuropäern (16.–20. Jahrhundert), Stuttgart 2010, S. 177–201.

  28. 28Vgl. Gallus, »Intellectual History« mit Intellektuellen und ohne sie (Fn. 13).
  29. 29Arnd Bauerkämper, »Demokratie als Verheißung oder Gefahr? Deutsche Politikwissenschaftler und amerikanische Modelle 1945 bis zur Mitte der sechziger Jahre«, in ders. u. a. (Hg.), Demokratiewunder (Fn. 27), S. 253–280, hier S. 255.

  30. 30Universitätsarchiv Freiburg im Breisgau, Bestände: B 3-337, B 24-231, B 24-239, 
B 110-313, B 204-102.

  31. 31Arnold Bergstraesser, Staat und Wirtschaft Frankreichs, Stuttgart 1930.

  32. 32Neben verschiedenen (teils später gedruckten) Manuskripten vor allem Arnold Bergstraesser, »Deutschland und die amerikanische Soziologie«, in Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1/3 (1953), S. 222–243.

  33. 33Vgl. Günther C. Behrmann, »Deutsche Nachkriegspolitologen in der Nationalsozia­listischen Diktatur: Arnold Bergstraesser«, in Hubertus Buchstein (Hg.), Die Versprechen der Demokratie. 25. wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, Baden-Baden 2013, S. 431–466. Äußerungen und Schriften Bergstraessers im Kontext der »nationalen Frage« der Jahre um 1933 sollen weitere Positionen kritisch einordnend zur Seite gestellt werden, etwa liberalkonservative wie von Ernst Robert Curtius (1886–1956), sozialistische wie von Hedwig Hintze (1884–1942), nationalistische wie von Friedrich Stieve (1884–1966) und – als Spiegelbild – ein französisches Werk mit hohen Auflagen von Pierre Viénot, Ungewisses Deutschland. Zur Krise seiner bürgerlichen Kultur (1931).

  34. 34Claus-Dieter Krohn, »Der Fall Bergstraesser in Amerika«, in Thomas Koebner u. a. (Hg.), Das jüdische Exil und andere Themen (Exilforschung, Bd. 4), München 1986, S. 254–275; Sebastian Liebold, »Arnold Bergstraesser und Fritz Caspari in Amerika«, in Frank Schale u. a. (Hg.), Intellektuelle Emigration. Zur Aktualität eines historischen Phänomens, Wiesbaden 2012, S. 89–110.

  35. 35Dabei entstanden u. a. die Jahrbücher Die internationale Politik, hg. von Wilhelm Cornides und Arnold Bergstraesser, München 1958 bzw. 1961.

  36. 36Arnold Bergstraesser, Die Anforderungen der Weltlage an die wissenschaftliche Politik in der Bundesrepublik, Essen-Bredeney 1959.

  37. 37Er fungierte als Herausgeber derFreiburger Studien zur Politik und Soziologie (von 1958 an), von zwei Schriftenreihen zu Politik und Soziologie; zudem war er Mitherausgeber mehrerer Zeitschriften.

  38. 38Vgl. Ulrich Eith u. a. (Hg.), 50 Jahre Studienhaus Wiesneck – 50 Jahre Jugend- und Multiplikatorenbildung, Buchenbach 2012.

  39. 39Ausführlich dazu Joachim Detjen, »Die Politikwissenschaft als Geburtshelferin der politischen Bildung. Arnold Bergstraessers Beitrag zur Etablierung des Unterrichts­faches Gemeinschaftskunde und Politik in Baden-Württemberg«, in Thomas Goll u. a. (Hg.), Staat und Politik. Festschrift für Paul Weihnacht zum 65. Geburtstag, Baden-Baden 2003, S. 268–296.

  40. 40Arnold Bergstraesser, Christian Caselmann und Heinrich Weinstock, Es geht 
um den Menschen. Wege und Ziele der Erwachsenenbildung in unserer Zeit, Ravensburg 1957.

  41. 41Arnold Bergstraesser, »Nachwort«, in Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Über das Verhältnis der bildenden Künste zu der Natur [1807], Marbach 1954.

  42. 42Vgl. Sebastian Liebold, »Das politische Bild vom citoyen. Arnold Bergstraessers Staat und Wirtschaft Frankreichs zwischen Kultursoziologie und Politikwissenschaft«, in Manfred Gangl (Hg.), Das Politische. Zur Entstehung der Politikwissenschaft während der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. 2008, S. 311–338.

  43. 43Etwa: »Wissenschaftliche Politik in unserer Zeit«, in Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 6 (1958), S. 219–230; ders., »Gedanken zu Verfahren und Aufgaben der kulturwissenschaftlichen Gegenwartsforschung«, in Gottfried-Karl Kindermann (Hg.), Kulturen im Umbruch – Studien zur Entwicklungsländerforschung, Freiburg i. Br. 1962, S. 401–422.

  44. 44Alfons Söllner, »Normative Verwestlichung. Der Einfluss der Remigranten auf die politische Kultur der frühen Bundesrepublik«, in Heinz Bude und Bernd Greiner (Hg.), Westbindungen. Amerika in der Bundesrepublik, Hamburg 1999, S. 72–92.

  45. 45Peter E. Gordon, »What is Intellectual History? A frankly partisan introduction to a frequently misunderstood field«, online: https://sydney.edu.au/intellectual-history/documents/gordon-intellectual-history.pdf (3.2.2016).

  46. 46Julien Benda, Der Verrat der Intellektuellen, Frankfurt a. M. 1988, Karl Mannheim, Ideologie und Utopie, Bonn 1929, Jean Paul Sartre u. a., Der Intellektuelle als Revolutionär, Reinbek bei Hamburg 1976, Pierre Bourdieu, Die Intellektuellen und die Macht, Hamburg 1991.

  47. 47Stefan Collini, Absent Minds. Intellectuals in Britain, Oxford 2006, S. 52.

  48. 48Robert K. Merton, »Die normative Struktur der Wissenschaft«, in ders. Entwicklung und Wandel von Forschungsinteressen. Aufsätze zur Wissenschaftssoziologie, Frankfurt a. M. 1985, S. 86–99.

  49. 49Paul Feyerabend, Wider den Methodenzwang, Frankfurt a. M. 1976.

  50. 50Max Horkheimer, »Traditionelle und kritische Theorie«, in ders., Gesammelte Schriften, Bd. 4, Frankfurt a. M. 1988, S. 162–216; Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt a. M. 1991; Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1990.

  51. 51Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 1994, S. 333.

  52. 52Rainer Eisfeld, Mitgemacht. Theodor Eschenburgs Beteiligung an »Arisierungen« im Nationalsozialismus, Wiesbaden 2015.

  53. 53Marco Sgarbi: »Concepts vs. Ideas vs. Problems. Historiographical Strategies in Writing History of Philosophy«, in Riccardo Pozzo und ders. (Hg.), Begriffs-, Ideen und Problemgeschichte im 21. Jahrhundert, Wiesbaden 2011, S. 69–80; ders., »Umriss der Theorie der Problemgeschichte«, in Riccardo Pozzo und ders. (Hg.), Eine Typologie der Formen der Begriffsgeschichte, Hamburg 2010, S. 185–199.

  54. 54Margit Szöllösi-Janze, »Wissensgesellschaft – ein neues Konzept zur Erschließung der deutsch-deutschen Zeitgeschichte?«, in Hans-Günter Hockerts (Hg.), Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts, München 2004, S. 277–305.

  55. 55Ulrich Herbert, »Europe in High Modernity. Reflections on a Theory of the 20th Century«, in Journal of Modern European History 5 (2007), S. 5–21.

  56. 56Lutz Raphael, »Die Verwissenschaftlichung des Sozialen als methodische und konzeptionelle Herausforderung für eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts«, in Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 165–193.

  57. 57Ders., Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2000.

  58. 58David Blackbourn und Geoff Eley, Mythen deutscher Geschichtsschreibung. Die ­gescheiterte bürgerliche Revolution von 1848, Frankfurt a. M. u. a. 1980.

  59. 59Vgl. die extreme Position von Hans Joachim Arndt, Die Besiegten von 1945. Versuch einer Politologie für Deutsche samt Würdigung der Politikwissenschaft in der Bundes­republik Deutschland, Berlin 1978.

  60. 60Franz L. Neumann, »Die Wissenschaft von der Politik in der Demokratie«, in ders., Wirtschaft, Staat, Demokratie. Aufsätze 1930–1954, S. 373–392.

  61. 61Zur Fragwürdigkeit dieser These: Werner Heun, »Der staatsrechtliche Positivismus in der Weimarer Republik. Eine Konzeption im Widerstreit«, in Der Staat 28/1 (1989), S. 377–403. 

  62. 62Stefan Korioth, »Erschütterungen des staatsrechtlichen Positivismus im ausgehenden Kaiserreich. Anmerkungen zu frühen Arbeiten von Carl Schmitt, Rudolf Smend und Erich Kaufmann«, in Archiv des öffentlichen Rechts 117 (1992), S. 212–238.

  63. 63Frank Schale, »Franz L. Neumann zwischen Rechtspositivismus, Rechtssoziologie und Wertphilosophie«, in ders. u. a. (Hg.), Intellektuelle Emigration. Zur Aktualität eines historischen Phänomens, Wiesbaden 2012, S. 59–87.

  64. 64Dagegen: Christoph Gusy (Hg.), Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, Baden-Baden 2000; Kathrin Groh, Demokratische Staatsrechtslehrer in der Weimarer Republik. Von der konstitutionellen Staatslehre zur Theorie des modernen demokratischen Verfassungsstaats, Tübingen 2010.

  65. 65Siehe auch die verschriftlichten Beiträge, die unter dem Titel Konservative Intellektuelle und Politik in der frühen Bundesrepublik erscheinen.
  66. 66Axel Schildt, Konservatismus in Deutschland. Von den Anfängen im 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 1998.

  67. 67Daniel Morat, Von der Tat zur Gelassenheit. Konservatives Denken bei Martin Heidegger, Ernst und Friedrich Georg Jünger, Göttingen 2007.

  68. 68Jens Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonservative Begründung der Bundesrepublik, Göttingen 2006.

  69. 69Martina Steber, Die Hüter der Begriffe. Politische Sprachen des Konservativen in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland, 1945–1980, Berlin 2016.

  70. 70Johannes Großmann, Die Internationale der Konservativen. Transnationale Elitenzirkel und private Außenpolitik in Westeuropa seit 1945, München 2014.

  71. 71Helga Grebing, Konservative gegen die Demokratie. Konservative Kritik an der ­Demokratie in der Bundesrepublik nach 1945, Frankfurt a. M. 1971.

  72. 72Vgl. Nikolai Wehrs, Protest der Professoren. Der »Bund Freiheit der Wissenschaft« in den 1970er Jahren, Göttingen 2014; Axel Schildt, »›Die Kräfte der Gegenreform sind auf breiter Front angetreten‹. Zur konservativen Tendenzwende in den Siebzigerjahren«, in Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 449–478; Peter Hoeres, »Von der ›Tendenzwende‹ zur ›geistig-moralischen Wende‹. Konstruktion und Kritik konservativer Signaturen in den 1970er und 1980er Jahren«, in Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), S. 93–119.
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Heft 16 (2016)
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