Zukunftsstadt – Teilhaben statt Zuschauen
1. Zugang und erste Fragen
Woher wissen wir eigentlich, was das und wie das ist, worüber wir in den Wissenschaften von der Stadt reden? Neben der europäischen Stadt, der Welt-, Regional- und Zwischenstadt usw. jetzt also die Zukunftsstadt. Als Wissenschaftler ist man es eigentlich gewohnt, zumindest ein Vorverständnis des Gegenstandes vorzubringen, über den man Aussagen treffen will. Geht es zusätzlich um den Bereich der Planung, dann trauen wir es der gegenwärtigen Stadt offensichtlich nicht zu, ohne planerischen Eingriff sozusagen aus eigener Kraft ein bestimmtes Zukunftsziel zu erreichen. Was aber ist die gegenwärtige Stadt, was ihre Zukunft? Wie zeigt sie sich uns? Ist die Stadt oder dasjenige, um deren Teilhabe es uns gehen soll, überhaupt ein ›Gegenstand‹ unserer Welt, den man wissenschaftlich ›behandeln‹ kann, und inwiefern haben wir es überhaupt mit einem Objekt der Wissenschaften zu tun? Wie bestimmen wir seine Gegenständlichkeit? Und wie kann Teilhabe überhaupt in den Wahrnehmungsbereich einer Wissenschaft von der Stadt gelangen?
Mein Anliegen ist zum einen, daran zu erinnern, dass die Wissenschaften von Stadt auf begründete Aussagen, Behauptungen und Urteile ausgerichtet sind. Der Praktiker kann erwarten, dass die Wissenschaft ihn darin unterrichtet, was es mit dem ›Gegenstand‹ Stadt auf sich hat. Die Wissenschaften sind ihrerseits auf Exaktheit des Urteils eingestellt. Exaktheit setzt Eindeutigkeit und Berechenbarkeit voraus. Zum anderen stelle ich aber auch diese Frage: Sind die ›Begriffe‹ Stadt und Teilhabe überhaupt exakte und berechenbare Begriffe?
Die nicht willkürlich gestellten Fragen sollen die Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, dass dieses Thema möglicherweise bereits dort relevant geworden ist, wo wir uns als Wissenschaftler noch gar nicht in der Welt der Daten und Kategorien eingerichtet haben. Was ist denn Stadt, wenn nicht die uns selbstverständliche Alltagslandschaft, in der wir unser Leben führen. Und haben wir nicht gerade dadurch, dass wir unser Leben in einer städtischen Umgebung führen, immer schon Teil an diesem Städtischen? Wir sagen doch: unser Haus, unsere Straße, unser Viertel, unsere Stadt – ist diese Rede ohne Bedeutung?
Wenn wir darin übereinstimmen, das Thema »Zukunft Stadt« grundsätzlich angehen zu wollen, können wir nicht mit Anliegen der Profession Stadtplanung beginnen. Denn diese ist im umfassenden Sinne eine Idee des 19. Jahrhunderts, vor allem in Paris und Wien. Wir müssen stattdessen plausibel machen, dass es einen Versuch wert ist, ›hinter‹ bzw. ›vor‹ diese Ambitionen der Stadtentwickler und Stadtzertrümmerer der Moderne zu kommen. Egal ob wir die Wunschbilder von Stadt nehmen, die Camillo Sitte1 für Wien oder der Baron Haussmann2 für Paris vorlegten, so geht es doch meistens entweder um formal-ästhetische oder um formal-ökonomische Anliegen, die die Stadt für Planer interessant machten und machen. Niemals spielte die Lebenspraxis der Menschen selbst eine Rolle. Stadt, daran möchte ich in diesem Aufsatz appellieren, ist ein Phänomen, das sich in der Praxis des Umgangs mit ihr zeigt. Es zeigt sich, wenn wir ihr begegnen. Auch sie ist eine Antwort auf unsere Bedürftigkeit. Gibt es eine vor-wissenschaftliche ›Logik‹ der Stadt, die uns hilft, die Frage wieder zu entdecken, auf die die Stadt(-planung) eine Antwort sein sollte?
2. Wissenschaftstheoretisches Propädeutikum
Bevor wir diese Frage angehen können, werfen wir einen Blick auf die Urstiftung unseres Themas.3Bios politikos nannten der platonische Sokrates und Aristoteles die menschliche Lebensweise, die sie studierten, von der sie lernen wollten. Aristoteles hat vom zoon politikon gesprochen und hat damit das Wesen des Menschen auf die räumlich-soziale Organisation, in der der Mensch nur sein Leben zu führen vermag, bezogen. Dies ist nicht die Aufstellung eines Idealtypus gewesen, sondern das Ergebnis vieler Gespräche und feinster Beobachtung, von Teilhabe also. Was wir mit dieser Bestimmung vorfinden, ist nichts weniger als eine anthropologische Begründung der Stadt, besser des städtischen Lebens: Der Mensch ist nur Mensch als Teilhaber der Polis. Damit wird der räumliche Verbund gesellschaftlicher Institutionen zu einer Wesensbestimmung des Menschen. Der Mensch ist sowohl bestimmter Güter oder Lebensmittel bedürftig als auch der Mitmenschen. Und die Polis war in den Augen der führenden Denker der Antike die bis dahin am besten geeignete Raum- und Sozialform, die dem Menschen ein gelingendes Leben ermöglichte. Teilhabe, Teilnahme und Kommunikation gründen dieses Gemeinwesen. Aristoteles erlebte den Zerfall dieser einmaligen städtischen Lebensform und versuchte, ihr Selbstverständnis auch ethisch zu legitimieren. Dabei begründete er die menschliche Existenz durch den Logos. Logos heißt zunächst nicht Vernunft oder gar Planungsvernunft, sondern die Befähigung zur Rede, zur Aussprache. Nur miteinander redend und einander mitteilend und zuhörend können wir so etwas wie die gute Stadt oder ein gelingendes städtisches Leben auf die Beine stellen. Und allein im redenden Austausch verhandeln wir, was Städtisches für uns sein kann und soll. Wenn wir mit Platon und Aristoteles von einer städtischen Lebensform ausgehen, dann muss dieses Leben ein Teilnehmen sein: Teilnahme setzt aber Teilhabe voraus. Innerhalb der städtischen Lebensform kann es nur um die Selbstbestimmung des Menschen im Zusammenleben mit Anderen gehen. Schon die antiken Denker wussten, dass menschliches Dasein mehr vom Leben erwartet als das pure Überleben. Ist dies einmal gesichert, und die Polis hatte nach Platons Bestimmung dafür zu sorgen, dass alle seine Bewohner genug Nahrung, Kleidung und Wohnraum hatten, dann kann daran gegangen werden, das ›gute‹ Leben ›zu führen‹.
Überschlagen wir fürs Erste, was erreicht wurde. Das Faktum ›Stadt‹ hatte ein Beginnen, das wir heute überhaupt nicht überschauen können. Platon und Aristoteles beschreiben eine bestimmte Ausprägung dieses Faktums, wenn sie die Polis und das Leben in ihr würdigten. Wir sind nach ersten Überlegungen dahin geführt worden, dass die städtische Lebenspraxis selbst das ›Feld‹ ist, auf das sich Wissenschaft zunächst einmal einlassen muss, um die städtische Lebensform in ihrer jeweiligen Ausprägung zu verstehen. An welchen Zielen und Zwecken orientieren Menschen sich, wenn sie am städtischen Leben teilhaben? Aber wie kann Forschung diese Thematik aufnehmen und methodologisch begründen, wenn exakte Wissenschaft diesem Selbstverständnis der Lebenspraxis jede Legitimation für wissenschaftliche Objektivität abspricht? Benötigen wir eine neue Wissenschaft?
Inwiefern setzt nicht jede Wissenschaft von der Stadt selbst schon ein ›Bild‹ von Stadt voraus, auf das sie sich dann in ihrer Methodologie und Methodenanwendung wie selbstverständlich bezieht? 4,5 Wenn man dagegen der Auffassung ist, die ersten Gründe für eine Wissenschaft müssten aus dem Leben selbst hervorgehen und aus der jeder Wissenschaft vorausgehenden Praxis entwickelt werden, dann meint man eine Wissenschaft, die ihre ersten Gründe den Erfahrungen der Menschen mit Stadt entnimmt. Wie könnte eine solche Wissenschaft ihrem Selbstverständnis näher kommen?
Insofern das Städtische gleichsam lebt und ausgefüllt ist von der Teilhabe der Bewohner, kann die Frage nach der Stadt als wissenschaftlicher Gegenstand nicht gedacht werden ohne Rekurs auf die Erfahrungen mit der Teilhabe selbst. So wird der Anfang genommen bei der lebensweltlichen Praxis, den Erfahrungen der Teilhabe. Diese Orientierungen sollten von Anfang an mit eingehen in die Feststellung des Gegenstands ›Stadt‹. Der Forschungsprozess wird zum explorativen Konstitutionsprozess dessen, was implizit schon vorliegt, dessen Prinzip aber noch offen und erst zu entdecken ist.
Dies hat Konsequenzen: Gibt sich die moderne Wissenschaft als ›kritisch‹, dann meint sie so agieren zu müssen, dass sie die Dinge grundsätzlich nicht so hinnimmt, wie sie sich uns im naiven Umgang mit ihnen darbieten. Objektiv sein heißt dieser Wissenschaft, davon abzusehen, welchen Eindruck die Dinge auf uns machen und welche Bedeutung sie für uns haben. Wenn aber Teilhabe am Städtischen der Inhalt des praktischen lokalen Lebens selbst ist, Teilhabe zur Praxisform Wohnen und Leben in der Stadt gehört, dann haben wir es mit einem Sachverhalt zu tun, dem wir als Forscher allerdings nachspüren können, indem wir den Eindruck, den das Städtische auf die Menschen macht, sowie die Bedeutsamkeit des Teilhabens für die Teilhaber uns begegnen lassen.
3. Den Anfang bewältigen
Wo fangen wir an, und wie begründen wir unser Anfangen? Wie reden wir vernünftig über Architektur und Stadt innerhalb einer empirischen Wissenschaft, die sich mit praktischen architekturnahen städtischen Lebenssituationen beschäftigt? Unter Anfang verstehe ich eine Grundlegung, hinter der nicht weiter gefragt und nach einem finalen Argument gesucht werden kann. Ein entsprechender Ausgangspunkt kann weder eine Theorie noch eine Wissenschaft sein, die nur durch eine weitere Theorie begründet eingeführt werden könnte. Wie begründen wir eine Theorie vom städtischen Verhalten und Handeln, ohne dabei auf schon methodisch gewonnene Konstruktionen einer Wissenschaft zurückzugreifen? Denn dies wäre kein Anfang in unserem Sinne. Von Paul Lorenzen stammt die Aussage, dass das Leben und die denkerische Auseinandersetzung damit nur in einem bestimmten Verhältnis zu denken ist: »Alles Denken ist eine Hochstilisierung dessen, was man im praktischen Leben immer schon tut.«6 Was bedeutet dieses Diktum für die Ausgangssituation und den Aufbau einer Wissenschaft von der städtischen Lebensform?
Auch wenn wir als Wissenschaftler das Prinzip der Sache ›Stadt‹ als solches noch nicht wissen, deswegen fragen wir ja danach, so muss doch jedes Fragen motiviert sein. Fragend machen wir davon Gebrauch, dass es schon ein lebenspraktisches Vertrautsein mit der Sache des Städtischen gibt. Diese praktisch-pragmatische oder vorwissenschaftliche Bekanntschaft und Kenntnis von der Sache in ihrer lebensnahen Angemessenheit ist Ausgangssituation der gesuchten Methodologie. Insofern wir in irgendeiner Sprache fragen müssen, setzen wir auch diese immer schon voraus. Deshalb spielt für uns die Umgangssprache eine zentrale Rolle. »Im Halbdunkel des Wechselspiels von Reden und Handeln hat sie [die Umgangssprache] sich ausgebildet und sich unserem ›Umgang‹ mit der Welt und den Mitmenschen im Laufe der Jahrtausende geschmeidig angepaßt.«7 Worte wie Wohnen und Stadt, gut, schlecht, schön, hässlich usw. sind lebenspraktischer Natur, sie sind solche der Umgangssprache. Das ›könnende‹ Verstehen aus einer Vertrautheit mit der Sache ist nicht das Wissen, das die exakte Wissenschaft von der städtischen Lebensform anstrebt. Wir verzichten gerne auf diese formale Exaktheit, um durch diesen Verzicht unseren Ausgang bei lebenspraktischen Beispielen nehmen zu können. Durch das Geben von Beispielen wird unserer Wissenschaft in gewisser Weise der Weg zu den Sachen gezeigt, und gleichzeitig arbeitet ein solches Beginnen gegen die u. a. auch von Edmund Husserl kritisierte ›Lebensweltvergessenheit‹ der Theoriebildung. Am Grunde unseres Wissens, nämlich was es heißt, hier in der Stadt zu leben, liegen unsere Erlebnisse, Erfahrungen und Erwartungen. Erfahrungen stoßen uns im Leben zu, sie widerfahren uns als ›Geschick‹; aber wir können aus ihnen lernen.
Jede Erfahrung führt denjenigen, dem sie widerfährt, auf etwas Allgemeines. Husserl sagt: »Auf Voraussicht, wir können dafür sagen, auf Induktion beruht alles Leben.«8 Erfahrung ist Ausdruck des praktischen Bescheid-wissens über etwas. Sie induziert Erwartung. Wilhelm Szilasi sagt über die Erfahrung: Sie »ist von Anfang an auf die Sache gerichtet. Aber sie lernt ständig aus sich selber. Was sie lernt, ist die Angemessenheit, die sie in ständiger Bemühung um die Sache aus der Sache gewinnt.«9 Die impliziten und latenten Voraussetzungen der Erfahrung der Angemessenheit10 einer Sache, wie in unserem Fall der Umgang mit Städtischem und was einem dabei zugestoßen ist, kann die Erfahrung selbst nicht hervorbringen und ausdrücklich machen. Zum anderen bleibt jede Erfahrung an die konkrete Lebenssituation dessen gebunden, der sie gemacht hat. Erst wenn im Vergleich vieler Erfahrungen sich ein Allgemeines aufweisen lässt, kann die Befangenheit, in die das einzelne Erfahrungsleben notwendig verstrickt ist, überwunden werden. An dieser Stelle setzt dann die transsubjektive Haltung der ›empirischen‹ Wissenschaft von der Stadt ein.
Einsichten in Orientierungsverhältnisse betreffen leibliche Erlebnisse und ursprüngliche Erfahrungen ›mit‹ Grundsituationen sowie Sachverhalte (›Tatbestände‹), denen sich der Mensch in seiner Welt bewusst und kontinuierlich konfrontiert sieht, die ihm als solche widerfahren. Einsichten können umgangssprachlich kommuniziert werden. Z. B.: »Ich wohne seit zwei Jahren in einem Neubaugebiet am Stadtrand von Dresden. Aber ich werde bald umziehen. Ich werde mir etwas Besseres suchen, möglicherweise einen Altbau in Zentrumsnähe. Irgendwo muss man ja schließlich bleiben!«, diese Sätze sind unmittelbar verständlich. Sie verweisen auf Prinzipien der Lebensführung, ohne sie als solche gesondert hervorheben und herausstellen zu müssen. Leben heißt Teilhaben heißt Wohnen. Solche Gewissheiten können nicht theoretisch hintergangen werden, sondern sind hinzunehmen. Wohnen heißt alltagssprachlich an einem Ort der Stadt verweilen, dort dauerhaft bleiben. Der Mensch baut, da er sich in seiner Welt immer schon ›als Wohnender‹ erfährt und darum auch weiß. Städtebauliches Entwerfen und regelgerechtes Bauen sind eine Antwort auf diese menschliche Grundsituation des Wohnen-müssens. Wohnen-können heißt das Wohnen (im klugen Umgang mit den eigenen Wohnerfahrungen) vermögen, es so zu gestalten, dass man auch bleiben will. Jeder Umzug bedeutet das eigene Wohnen entwerfen, das eigene Leben planen. Architektonisches Entwerfen-können heißt, der jeweiligen Praxis des Wohnens und Bleibens eine passende Zukunft besorgen, ihr eine (der jeweiligen Auslegung der menschlichen Grundsituation) angemessene architektonische Form und Gestalt geben. Das Bauen ist eine Antwort auf die Bedrängnisse des Leibes und des Aufenthalts des Menschen in der Welt (einer Stadt). Das Bauen ergänzt aber auch das Wohnen und gibt ihm einen zeitlich-historischen wie einen räumlich-landschaftlichen Ausdruck. Es kann, wie jedes handwerkliche Hervorbringen, scheitern. Wohnen heißt das Lebens-Mittel Architektur (die ›Bleibe‹) wohnend in Gebrauch nehmen. Und das Ziel dieses Gebrauchens ist das Wohnen selbst, nämlich dass es gelingt und ›gut‹ ist, dass der Wohnende bleiben kann (will).
Wir benötigen also eine Art ›Erfahrungswissenschaft des städtischen Lebens‹. Diese hätte uns den Weg von der einzelnen Wohngeschichte zu den Prinzipien einer städtischen Lebensform zu ebnen. Erfahrungen, so viel lässt sich schon sagen, haben wir Menschen erst dann ›ganz‹, wenn wir uns ihren Sinn ›für uns‹ auch sprachlich erschlossen haben. Erfahrungen werden zu Einsichten, wenn sie sich zu Prinzipien unseres Weltverständnisses verdichtet haben. Prinzipien sind die guten Gründe, die herbeigezogen werden, um ein gewesenes oder zukünftiges Verhalten vernünftig zu überdenken und zu entwerfen. In diesen Prinzipien findet unser Leben in der Stadt bis auf Weiteres seinen Halt. Wir verstehen zum Beispiel das Wohnen auch prinzipiell, insofern wir wissen, dass wir umziehen sollten, wenn die täglichen Fahrten zur Arbeitsstelle den familiären Frieden bedrohen. Bei jedem Umzug muss ich mir erneut die Frage vorlegen, um was es in meinem oder unserem Wohnen ›eigentlich‹ geht bzw. gehen soll. Denn das ›Gute‹ steht nicht ein für alle Mal fest, sondern bleibt von neuen Erfahrungen und Widerfahrnissen nicht unberührt. Aber ohne entsprechendes implizites Prinzipienverstehen könnte ich mich in meinem Wohnen gar nicht vernünftig verhalten.
Stadt- und Architekturtheorie versteht sich in der Blicknahme der Einheit der Praxisformen Wohnen, (tektonisch-konstruktives und gestaltendes) Entwerfen sowie Bauen. Diese praktische Welt ist nicht aus lauter Bauwerken zu einer mit Architekturen ausgestatteten städtischen Objektwelt zusammengesetzt, die sich als solche wahrnehmen und betrachten lässt. Praxisformen haben ihre eigene Situationslogik, insofern ›in‹ ihnen Menschen sich kommunikativ verständigen und vertrauten Gegenständen in ihrer Umgebung begegnen. Zunächst einmal haben wir gelernt, Praxisformen zu unterscheiden. Dafür mussten bestimmte Handlungen und Redehandlungen zusammengehen. Die Situation von Wohnenden ist eine andere als die des professionellen Entwerfers.
4. Vom Wohnen zur Teilhabe und Teilnahme
Es ist hoffentlich deutlich geworden, dass die Wissenschaft von der Stadt, um eine Bemerkung von Ludwig Landgrebe aufzunehmen, »selbst aus diesem Stil des vorwissenschaftlichen Lebens der ›Lebenswelt‹ hervorgewachsen« ist.11 Unsere Methodologie plädiert dafür, außerwissenschaftliche Vergegenwärtigungen von Einsichten und Erfahrungen mit dem Städtischen in Alltag, Literatur und Kunst mit den ihnen eigenen Darstellungsarten zu betrachten.12 Und ebenso lässt sich das Vertrautsein mit einer Sache, was es z. B. mit dem Wohnen in dieser Stadt auf sich hat, auf verschiedene Weise ›verstehen‹13, z. B. in der Wahrnehmung, im Erinnern, im Meinen, im Vorstellen. Auch diese Praxis geht der Wissenschaft, die wir anstreben, voran. Wenn wir nur über die Erfahrungen und gelebten Prinzipien zur Sache selbst vorstoßen können, dann ist nicht zu erwarten, dass der am Ende gewonnene Begriff von der Sache in einer allgemeinen Definition münden kann. Vielmehr müssen wir der Breite und Mannigfaltigkeit des Erfahrungslebens auch in einer begrifflichen Klärung entsprechend Raum lassen. Eine Architektur oder Stadt an sich werden wir niemals zu Gesicht bekommen. Dennoch ist ein Zugang zur Erkenntnis der Sache in ihrer Vielgestaltigkeit möglich, wenn methodologisch darauf reagiert wird, dass wir Menschen die Architektur immer wieder unter neuen Umständen auch anders sehen. Um genau zu sein, stehen natürlich nicht Architektur und Stadt im Zentrum unserer Wissenschaft, sondern das Verhalten des Menschen zu Architektonischem bzw. Städtischem z. B. im Wohnen, Entwerfen/Planen und Bauen. Wir haben das Phänomen Stadt als ein historisches Ereignis zu begreifen, das als solches erst bewusst wurde, als ihre bis dahin bedeutendste Ausprägung, die griechische Polis, dem Verfall und Untergang entgegen ging.
In diese Anthropologie der Stadt ist die des Wohnens immer schon integriert. Die Stadt ist bewohnbar gemachte Welt. Die Perspektive des städtischen Wohnens ist die des dauerhaft an einem Ort-Bleibens, ist Umgang mit den mannigfaltigen räumlichen Erlebnissen und Erfahrungen z. B. von Geborgenheit, aber auch mit Erfahrungen von Unzufriedenheit und Nicht-mehr-wohnen-, Nicht-mehr-bleiben-können. Heim- und Fremdwelt sind aufeinander angewiesen und müssen sich ergänzen können, insofern nur bei gelingendem und nicht prekärem Wohnen der Stadtbewohner offen, bereit und gerüstet ist für die Welt draußen, er in der Lage ist, das Unvertraute und Unerwartete der großen Stadt als Herausforderung anzunehmen und Distanz zu bewältigen.
Wenn wir die lebenspraktische Fundierung unserer Wissenschaft beachten, dann ist der Gegenstand, das Städtische, gar nicht zu bestimmen ohne irgendeinen Bezug auf die Teilhabe von Menschen am städtischen Leben. Vor diesem Hintergrund erster Prüfungen kann es nützlich sein, zunächst einmal umgangssprachlich zwischen Teilhaben und Zuschauen zu unterscheiden. Bei dem Wort Teilhaben schwingt eine gewisse Selbständigkeit und Selbstbestimmung mit an demjenigen, an dem man teilhat. Unser Tun und Lassen bestimmt zu einem gewissen Punkt mit das Geschehen, an dem wir teilhaben. Ja, der Teilhaber hat selbst Anteil an der Bestimmung dessen, woran er teilhat. Beim Zuschauen sind wir dagegen doch eher abgetrennt und abseits von dem Treiben, dem wir zuschauen, und haben auf das beobachtete Geschehen eher wenig Einfluss.
Teilhabe bedeutet immer auch Dabeisein und nicht als bloßer Zuschauer anwesend sein. Wer teilhat, weiß auch um das Ganze des Städtischen, von dem er seinen Teil hat. Der Städter bestimmt seinen Charakter auch durch die Weise seines Dabeiseins. Wie können wir uns das Teilhaben vorstellen? Wer führt uns in die Teilhabe ein? Ich kann dieses Problem an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, möchte aber auf einen Aufsatz des Philosophen Dieter Thomä mit dem Titel »Leben als Teilnehmen« hinweisen. Thomä gibt darin zu bedenken, dass ein Verständnis von ›Selbstbestimmung‹, das sich nur auf Vernunft gründet und in dem nicht auch Gefühle und Leidenschaften ihren Platz haben, unvollständig ist. In seinem Text untersucht er die Position von J. G. Herder.14 Mit Herder stellt Thomä der Selbstbestimmung Teilnehmung und Mitteilung an die Seite. Denn es ist keine Selbstbestimmung möglich ohne Gemeinschaft, ohne soziale Geborgenheit. Wir Menschen sind stets angewiesen auf die Mit-Wirkung von Anderen. Partizipation gründet auf Kommunikation, Kommunikation auf Partizipation.15
Ich komme zurück zur Frage nach der Konstitution unseres Gegenstandes. Wenn Teilhabe nicht irgendeine Auswertungskategorie einer empirischen Wissenschaft neben beliebigen anderen sein soll, sondern wir es mit der Teilhabe ernst meinen, dann muss diese schon vor der wissenschaftlichen Festsetzung des Gegenstands dem Forscher etwas zu sagen haben. Denn Teilhaben ist Praxis, ist das Sich-immer-schon-eingelassen-haben auf Städtisches. Es ist in den Wissenschaftstheorien vom »lebensweltlichen Apriori« die Rede,16 um darauf hinzuweisen, dass jede Wissenschaft ihre Ausgangsüberzeugung nicht wissenschaftlich beweisen kann. Auch eine Theorie der Stadt muss an eine vortheoretische Praxis zurückgebunden werden. Die Praxis der Teilhabe im Sinne eines lebensweltlich eingeübten Könnens gibt unserer Wissenschaft erst ihren evidenten Grund.
Teilhabe, so möchte ich nun, das »lebensweltliche Apriori« aufnehmend, argumentieren, geht zurück auf das in der Daseins- und Wohnvielfalt gründende Kennen und Verstehen der Sache innerhalb unserer vorwissenschaftlichen Lebenspraxis. Wenn wir Teilhabe hier aufsuchen, dann begegnet uns das Städtische auf eine wissenschaftlich noch völlig ungefilterte Weise. Ist auf dieser praktisch-pragmatischen Ebene des Verständnisses vom Gegenstand ›Stadt‹ die Rede, dann stellt dieser sich nicht in exakt benennbaren Eigenschaften dar, sondern in seiner Erlebnisqualität und Erfahrungsvielfalt. Die Stadt ist ein dynamisches Gebilde. Sie ist so mannigfaltig wie es die Menschen sind, die in ihr leben. Deshalb benötigen wir als den Ausgangspunkt jeder begrifflichen Klärung ein Vor-Verständnis von Teilhabe an ihrer Basis, dort wo Menschen ihre Teilhabe handelnd praktizieren und den gesuchten ›Gegenstand‹ von ihm selbst her schon für sich besitzen. Nur wenn wir als Wissenschaftler auch davon wissen, haben wir die Chance, die Frage nach der Zukunft der Teilhabe als Forschungsaufgabe wirklichkeitsnah anzugehen.
Niemals kann Wissenschaft eine Lebenspraxis, auch die der Teilhabe nicht, konstituieren, aber sie kann dem Selbstverständnis einer bestehenden Praxis, das diese Praxis über sich selbst hat, nachgehen und es dahingehend untersuchen, welches Bild oder welche Idee oder welchen Daseinssinn von Stadt diesem Engagement zugrunde liegen. An welche Art von Wissenschaft wir dabei denken, haben wir andeutungsweise gezeigt.
An dieses wissenschaftstheoretische Vorverständnis anknüpfend, lassen sich Forschungsfragen aufwerfen. Ich denke dabei an Aufgaben, die dem nachgehen, wie Stadtbewohner heute mit ihrer Stadt umgehen, wie sie sie in Gebrauch nehmen, denn nur so verstehen wir, welche Anliegen der Stadt entgegengebracht werden und welche Erfahrungen ihre Bewohner mit der modernen Stadt gemacht haben. Ich denke an Fragestellungen, deren Bearbeitung nicht Selbstzeck ist, sondern die uns zu Begründungen für unser planerisches Handeln führen kann:
- Was ist der primäre Daseinssinn der Stadt? Wie ist Selbstbestimmung in der Stadt heute möglich?
- Was bedeutet heute Wohnen-können in der Stadt? Wie nehmen die Menschen heute ihre Stadt ›in Gebrauch‹?
- Welche Erwartungen verbinden sie mit städtischer Praxis und welche Erfahrungen werden dabei gemacht?
Wenn es stimmt, dass der Mensch als bedürftiges und bedrängtes Wesen sowohl bestimmter Güter als auch der Anderen bedarf, dann müssen wir klären, ob die ›moderne‹ Stadt für diese Daseinsvorsorge tatsächlich einstehen kann. Auf diese Weise könnten der Stadtplanung wieder Sinn und Begründung zugespielt werden, die auch unabhängig von ästhetischem Unbehagen oder politischer Agitation einsichtig sind.
5. Ausblick auf Städtisches – jenseits von Wunschbildern, Statistik und städtebaulicher Bestandsaufnahme
Was Stadt unter der Perspektive von Teilnahme und Teilhabe bedeutet, lässt sich wohl in der Begegnung mit dem Wissen und Kennen innerhalb der jeweiligen vorwissenschaftlichen Lebenspraxis und ihrer konkreten Anschaulichkeit einsehen. Wenn wir das Phänomen ›Stadt‹ hier aufsuchen, dann begegnet uns das Städtische auf eine wissenschaftlich noch völlig ungefilterte Weise. Welche Sprache wird hier gesprochen? Die Kenner der qualitativen empirischen Stadt- und Sozialforschung wissen sehr gut, wovon ich spreche. Wenn uns Bewohner ihre Geschichten erzählen, dann bedienen sie sich der Umgangssprache. Sie selbst sind der Held des Vorgetragenen, und inhaltlich geht es um das, was sie erlebt, was sie erfahren haben und um das, was ihnen widerfahren ist. Statt mit wissenschaftlicher Prosa haben wir es hier eher mit ›Alltags-Literatur‹ zu tun, deren tiefer liegende Sinndimensionen alles andere als trivial sind.
Wir haben von Erfahrungen gesprochen, die Menschen in oder mit ihrer Stadt machen. Solche Erfahrungen sind oder werden zu ›Gebilden‹, die allein in Geschichten und Erzählungen ihren Platz haben. Diese Quellen sind für uns unentbehrlich, ansonsten könnten wir die Bedeutsamkeiten, die den Erfahrungen erst ihre Prägnanz und ihren Stil verleihen, überhaupt nicht verstehen und erkennen. Damit ist ein eigenes ›empirisches Feld‹ eröffnet: Literatur im weitesten Sinne. Ich bin davon überzeugt, dass die Wissenschaft von der Lebensform Stadt nicht auf eine gründliche Beschäftigung mit Theorien der sinnlichen Wahrnehmung (aisthesis) verzichten kann.17 Wie treten Architektur, Stadt oder Landschaften in unser Leben? Wie begegnen sie uns alltagsweltlich-pragmatisch? Wie können wir, wie der Wissenschaftler und Stadtforscher, davon Kenntnis bekommen? Wie werden Teilhabe und Teilnahme kommunikativ? Meine Antwort: Nur indem entsprechende Erlebnisse und Erfahrungen ›in die Sprache finden‹.
Um sich davon ein Bild machen zu können, sei am Ende ein Wort zu Romanliteratur und Stadt gesprochen. Schriftsteller verstehen es manchmal auf eine außerordentliche Weise, Intuitionen, Stimmungen und Empfindungen auszudrücken und in ihrer Wirkung zu beschreiben. Darüber hinaus reflektieren sie diese auf eine wissenschaftlich vielleicht ›dilettantisch‹ oder ›naiv‹ zu nennende Weise, heben aber gerade so das mentale Geschehen oftmals auf ein unüberbietbares sprachliches Niveau, das den Stadttheoretiker neidisch werden lässt. Ich möchte diese vorwissenschaftliche Leistung der Literatur ›anschauliche Empirie‹ nennen. Erst die ›Deutlichkeit‹ im Sprachgebrauch, die nicht mit der ›exakten‹ Diktion in den Naturwissenschaften verwechselt werden sollte, macht die Phänomene überhaupt konkret wiedererkennbar, begreifbar und nachvollziehbar. Der Leser mag dann selbst entscheiden, ob er die Seelenstimmung oder räumliche Anmutung, die einer Romanfigur widerfährt, als glaubhaft annimmt oder als konstruiert zurückweist.
Es geht mir hier nicht um die Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität. Gottfried Gabriel hat überzeugend dafür geworben, dass sich Literatur, nicht-propositionale Erkenntnis und wissenschaftliche Logik als Wahrheitsquellen nicht ausschließen, sondern produktiv ergänzen können.18 Milan Kundera schreibt in einem Essay: »Der Roman erforscht nicht die Realität, sondern die Existenz«.19 Entscheidend ist das hermeneutische Anliegen: Wie authentisch, das heißt, wie nah am Geschehen seelischer Ereignisse und mentaler Zustände gelingt es einem Autor, etwas zu verstehen und andere darin einzuweihen, daran teilnehmen zu lassen? Aber verstanden werden nicht Erlebnis oder Gefühl als solche und diese auch nicht, um noch einmal Kundera zu zitieren, »in einem abstrakten Raum ohne Figuren, ohne Situationen«20, sondern verstanden wird der Mensch, dem diese Dinge widerfahren, er wird verstanden in seiner Situation, in seinem Betroffen-sein, dass ihm also ein Widerfahrnis dies oder das bedeutet.
Manche Schriftsteller sind Meister des ›Schauens‹, so auch Heimito von Doderer (1896–1966). Ein außerordentliches Beispiel für das In-Erscheinung-treten von Architektur und städtischem Raum und deren Aneignungsmöglichkeiten wie Wirkungen stellt sein Roman Die Strudlhofstiege dar. Wer in Wien lebt, wird Roman und Bauwerk selbstverständlich kennen. Nur so viel: Der Mensch erscheint darin als einer, der in Raum und Zeit verstrickt ist. An einer Stelle bin ich auf folgendes Zitat gestoßen: »Es hat jede Affär’ ihren Hintergrund, ihr Milieu, wie man sagt, das Leben ist immer der beste Regisseur: die Kulissen stimmen unsagbar gut zu dem, was gespielt wird.«21 Der Roman ist auf über 900 Seiten für diese Beobachtung eine einzigartige Belegquelle. Der städtische Raum ist mehr als eine austauschbare Kulisse: Er ist mitverantwortlich für die jeweilige Weise, wie der Mensch in der Welt steht.
Was mich an Beispielen wie der Strudlhofstiege besonders fasziniert, ist, dass es Romanautoren oftmals besser als Architekturtheoretiker und Architekturkritiker wissen, was wahrnehmen und was der Gebrauch von Architektur im lebenspraktischen Vollzug bedeuten. Architekten kennen in der Regel nur einen Nutzer. Dieser ›User‹ sind sie selber oder Ihresgleichen. Das Bauwerk rückt indessen in die Umwelt des Menschen, die sich in seiner Nähe aufhalten, und wirkt auf ihr Verhalten auf eine Weise, deren Bedeutsamkeit wissenschaftlich nicht wirklich nachgegangen werden kann. Wie sollte Wissenschaft auch ›Existenz‹ erforschen können? Stadt, seine Menschen, Straßen, Plätze, Häuser und Parks werden vom Dichter als lebensweltlicher Anschauungs- und Gebrauchsgegenstand gezeigt. Diese Leistung des Autors von Doderer ist überragend. Was mich als Stadtforscher dann aber weiter interessiert, ist, folgender Frage nachzugehen: Inwiefern ist dieser pragmatisch-anschauliche Zugang zum Städtischen, hier also das nicht-wissenschaftliche Anschaulich-machen von Empfinden, Wahrnehmen und Beobachten, theoretisch einzuordnen und zu begründen? Der Stadttheoretiker wird ja nicht selbst Schriftsteller werden wollen. Wir bräuchten dafür allerdings eine Wissenschaft, die mehr auch beschreibt und nicht nur erklären will.
6. Fazit
Fassen wir am Ende zusammen: Unter der Perspektive der alltäglichen Daseinsvorsorge und Daseinsbewältigung sind Stadt und Wohnquartier immer schon in konkreter Anschaulichkeit pragmatisch angeeignet. Die Stadt tritt jetzt, d. h. in lebenspraktischer Hinsicht, eher als eine städtische Gegend, als eine städtische Situation in Erscheinung, die uns erlebend zustößt, von der wir ergriffen werden können, von der wir uns auch in Abwehrhaltung wegwenden. Erleben ist qualitatives Erfassen22 in der Mannigfaltigkeit von Begegnungen, Erinnerungen, Lebenserfahrung. Diese vergegenwärtigen Städtisches in Lebensgeschichten, die an konkreten Orten spielen, mit ihren Erwartungen und Enttäuschungen. Erzählungen sind vielsagend, und dies macht gerade die Qualität von Geschichten aus, die von unserer Erlebniswirklichkeit handeln. Die Literatur kann uns folgendes lehren: Wer seine Wahrnehmungsbereitschaft auf spontane Mitteilungsformen ausrichtet, wird von der Vielfalt der Bilder und Metaphern überrascht sein und ihnen entnehmen können, wie mannigfaltig Architektur, Stadt oder Landschaft in unser Leben getreten sind und wirken. Primär begegnet uns die Stadt nicht in kontemplativ-ästhetischer Einstellung, sondern alltagsweltlich-pragmatisch. In den seltensten Fällen ist der Mensch unbeteiligter Zuschauer. Erlebnisse der städtischen Wirklichkeit können auf verschiedene Weise zur Kenntnis gebracht werden, ohne dabei immer auf sprachliche Formen zurückzugreifen. Dennoch bleibt die Sprache das wichtigste Mitteilungsmedium. Fülle von Eindrücklichkeit geht auf die Einmaligkeit eines jeden Menschen zurück, insofern Menschen auf eine mannigfaltige Art und Weise in einem Quartier ihr Leben führen. Die »Zukunftsstadt« ist allein ein Thema der Gegenwart und ihrer Stimmungen.
- 1Vgl. hierzu beispielsweise: Camillo Sitte, Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen. Vermehrt um Großstadtgrün, Reprint der 4. Auflage von 1909, Braunschweig, Wiesbaden 1983.
- 2Vgl. hierzu beispielsweise: Benoit Jallon u. a., Paris Haussmann: A Model´s Relevance, Zürich 2017.
- 3Vgl. zum Folgenden die einschlägigen Studien zu Aristoteles, der polis und zum ›bürgerlichen Leben‹ bei Joachim Ritter, Metaphysik und Politik. Studien zu Aristoteles und Hegel, Frankfurt a. M. 1969.
- 4Vgl. das Themenheft »Stadtentwicklung« der Beilage-Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte 17 (2010).
- 5Beiträge in Stadt Bielefeld (Hg.), Zukunft findet Stadt – Stadt findet Zukunft. Ein Symposium zum demographischen Wandel. Zukunft Stadt Demographischer Wandel, Heft 4, Bielefeld 2007, https://www.bielefeld.de/ftp/dokumente/Demo-Heft4.pdf (3.8.2017).
- 6Paul Lorenzen, Methodisches Denken, Frankfurt a. M. 1968, S. 26.
- 7Wilhelm Kamlah, Philosophische Anthropologie. Sprachkritische Grundlegung und Ethik, Mannheim u. a. 1972, S. 16.
- 8Ullrich Melle (Hg.), Husserliana: Edmund Husserl – Gesammelte Werke, Band VI, S. 449.
- 9Und weiter heißt es: »… Die wachsende Fertigkeit der Angemessenheit offenbar zu machen, kann die natürliche Erfahrung nicht aus sich selbst leisten.« (Wilhelm Szilasi, Phantasie und Erkenntnis, Bern/München 1969, S. 31).
- 10Mit dem AusdruckAngemessenheit wird unterstellt, dass Erfahrungen auch zu Einsichten führen können, ob und wie eine Sache den auf sie gerichteten ›Erwartungen‹ entspricht.
- 11Ludwig Landgrebe, Phänomenologie und Geschichte, Gütersloh 1968, S. 151.
- 12Vgl. Gottfried Gabriel, Logik und Rhetorik der Erkenntnis, Paderborn u. a. 1997.
- 13Vgl. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Frankfurt a. M. 2001, § 150. »Die Grammatik des Wortes ›wissen‹ ist offenbar eng verwandt der Grammatik der Worte ›können‹, ›imstande sein‹. Aber auch eng verwandt der des Wortes ›verstehen‹. (Eine Technik ›beherrschen‹.)«.
- 14Dieter Thomä, »Leben als Teilnehmen. Überlegungen im Anschluss an Johann Gottfried Herder«, in Deutsche Zeitschrift für Philosophie 59/1 (2011), S. 5–32.
- 15Ebd., S. 17.
- 16Vgl. Jürgen Mittelstraß, »Das lebensweltliche Apriori: Paul Lorenzen zum 70. Geburtstag«, in Carl Friedrich Gethmann (Hg.), Studien zum Verhältnis von Phänomenologie und Wissenschaftstheorie, Bonn 1991, S. 114–142.
- 17Achim Hahn, Syn-Ästhesie oder: Die Kommunikation der Sinne. Zur Wahrnehmungslehre von Wilhelm Schapp und Maurice Merleau-Ponty«, in Wolkenkuckucksheim. Internationale Zeitschrift für Theorie der Architektur 31 (2013), S. 67–89, http://cloud-cuckoo.net/fileadmin/hefte_de/heft_31/artikel_hahn.pdf (3.8.2017).
- 18Gottfried Gabriel, »Zwischen Wissenschaft und Dichtung. Nicht-proportionale Vergegenwärtigungen in der Philosophie«, in Deutsche Zeitschrift für Philosophie 51 (2003), S. 415–425.
- 19Milan Kundera, Die Kunst des Romans, München 2007, S. 60; vgl. auch Richard Rorty, »Heidegger, Kundera und Dickens«, in Richard Rorty, Eine Kultur ohne Zentrum. Vier philosophische Essays, Stuttgart 1993.
- 20Ebd, S. 42.
- 21Heimito von Doderer, Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre, München 2003, S. 146.
- 22Vgl. John Dewey, »Qualitatives Denken«, in ders., Philosophie und Zivilisation, Frankfurt a. M. 2003.