Thomas-Müntzer-Ausgabe. Kritische Gesamtausgabe
Im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig herausgegeben von Helmar Junghans † u. Armin Kohnle
Band 1: Schriften, Manuskripte und Notizen. Herausgegeben von Armin Kohnle und Eike Wolgast unter Mitarbeit von Vasily Arslanov, Alexander Bartmuß und Christine Haustein (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, Band 25 I). Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2017. XXVI + 546 Seiten, 138 Notenabbildungen. Festeinband
Band 2: Thomas Müntzer Briefwechsel. Bearbeitet und kommentiert von Siegfried Bräuer und Manfred Kobuch (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, Band 25 II). Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2010. LII + 581 Seiten, 33 Abbildungen, 1 Tabelle. Festeinband
Band 3: Quellen zu Thomas Müntzer. Bearbeitet von Wieland Held (†) und Siegfried Hoyer (= Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, Band 25 III). Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2004. 294 Seiten. Festeinband
Mit Erscheinen von Band 1 im Sommer 2017 ist die dreibändige Thomas-Müntzer-Gesamtausgabe nach über 30 Jahren der Planung und Durchführung abgeschlossen. Sie war ursprünglich ein Projekt aus der Zeit der deutschen Teilung und wurde von einer privaten Kooperation zwischen ost- und westdeutschen Reformationshistorikern getragen. Im Vorfeld des auf 1989 festgelegten Müntzer-Jubiläums der DDR waren die Pläne für eine Thomas-Müntzer-Gesamtausgabe konkreter geworden. Nach der damals vereinbarten Arbeitsteilung sollten für den Müntzer-Briefwechsel (Band 2) Siegfried Bräuer (Berlin) und Manfred Kobuch (Leipzig) verantwortlich sein, für die Müntzer-Schriften (Band 1) Gottfried Seebaß und Eike Wolgast in Heidelberg. Im November 1984 machte sich die Historische Kommission bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften (SAW) dieses Projekt, das bis 1989 abgeschlossen sein sollte, zu eigen. Mit der deutschen Einheit verlor die Müntzer-Thematik jedoch ihre politische Brisanz. So bedurfte es eines von der Ost-West-Konstellation unabhängigen wissenschaftlichen Neuanfangs, der mit der Begründung des Projekts »Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte« an der SAW im Jahr 1992 erfolgte. Im Auftrag der Akademie übernahm Helmar Junghans die wissenschaftliche Gesamtverantwortung. 2004 wurde das bereits seit eineinhalb Jahrzehnten vorliegende Manuskript von Band 3 endlich zum Druck gebracht.
Bis zur Publikation des weitaus komplizierteren Briefwechsel-Bandes vergingen weitere Jahre, wobei der Tod von Helmar Junghans im Jahr 2010 einen schweren Rückschlag bedeutete. Dennoch konnte Band 2 noch in seinem Todesjahr erscheinen. Damit blieb die Lücke des Bandes 1, ohne den die Edition ein Torso bleiben musste. Der Tod von Gottfried Seebaß (2008) hatte die Arbeit zwischenzeitlich zum Erliegen gebracht. Erst die Finanzierung eines Wissenschaftlichen und eines Technischen Mitarbeiters durch die Fritz-Thyssen-Stiftung für ein Jahr machte einen Neustart möglich. 2013/14 arbeiteten Vasily Arslanov und Alexander Bartmuß an dem Band, eine zu kurze Zeit, um mehr als eine grobe Texterfassung abzuschließen. Die ausstehenden Arbeiten wurden von den Herausgebern in den folgenden Jahren neben anderen Aufgaben erledigt.
Müntzers Hinterlassenschaft an Druck- und Handschriften ist zwar nicht sonderlich umfangreich, seine Schriften gehören aber zu den anspruchsvollsten Texten des 16. Jahrhunderts und erfordern nicht nur theologische, sondern auch sprachhistorische und musikwissenschaftliche Kompetenz. Unter den in Band 1 edierten 40 Texten finden sich neben den acht schon zu Müntzers Lebzeiten gedruckten theologischen Schriften und zahlreichen Fragmenten auch seine drei umfangreichen liturgischen Werke, die mit einer modernen, von Christine Haustein erarbeiteten Notenumsetzung wiedergegeben werden. Die meisten Müntzer-Schriften werden nicht zum ersten Mal, aber erstmals nach modernen kritischen Standards ediert. Die Randglossen, die Müntzer bei der Lektüre der Kirchenväter Cyprian und Tertullian anfertigte, waren bisher nur teilweise bekannt. Mit der dreibändigen Müntzer-Ausgabe steht der Forschung damit auf etwa 1400 Druckseiten eine verlässliche Textgrundlage zur Verfügung, die nicht nur für Historiker und Theologen, sondern auch für Germanisten und Hymnologen von Interesse ist.