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Neue Universitätsstruktur

Seit ihrer Entstehung im europäischen Mittelalter sind Universitäten eine Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, die sich selbst organisieren, frei forschen und lehren und dafür anerkannte akademische Grade verleihen. Das Humboldtsche Bildungsideal impliziert eine von staatlichen Zwängen freie Wissenschaft, in der Universitäten die Orte der Einheit von Lehre und Forschung sein sollen. Anscheinend aber stehen Universitäten unter ständigem Rechtfertigungszwang. Denn Freiheit für Forschung und Lehre ist teuer, und den Unterhalt erwirtschaften die Universitäten kaum selbst und konkurrieren daher mit anderen Interessen der Gesellschaft. Zudem sind die deutschen Universitäten einer besonderen Spezifik ausgesetzt, da seit einiger Zeit ein Großteil der Forschungsgelder in gut ausgestattete außeruniversitäre Forschungseinrichtungen fließt, Spitzenforschung also ›woanders‹ gemacht wird. So ist oft zu hören: ›Humboldt ist tot‹, oder auch das Gegenteil: ›Es lebe Humboldt‹. Mitten in diese Situation platzte Anfang 2004 die Idee, in Deutschland durch die Identifikation und Förderung von Spitzenuniversitäten denselben den Aufstieg in die Internationale ›Ivy League‹ zu ermöglichen (die sich übrigens, zumindest in den USA, die deutschen Universitäten des 19. Jahrhunderts zum Vorbild genommen hatte).

In den zurückliegenden Jahren erfolgte zwangsläufig im Zusammenhang mit der aus dieser Idee hervorgegangen Bundesexzellenzinitiative der Versuch einer konzentrierten, beschleunigten Schwerpunktentwicklung in der Forschung, der die Universitätslandschaft gewaltig in Bewegung gebracht hat. Derzeit sind 35 von ca. 100 Universitäten bei dem schneller werdenden Wettlauf noch erfolgreich und tragen den Lorbeerkranz der Exzellenz. Man darf gespannt sein auf das Ergebnis der Geschwindigkeitserhöhung des Wettlaufs in der nächsten Runde der Initiative in drei Jahren.

Und dennoch, es hat sich etwas bewegt, und nicht nur zum Schlechten. Verkrustete Strukturen konnten in einem ungeahnten Ausmaß aufgebrochen und neue Ideen verwirklicht werden. Vielerorts waren dabei die Universitäten erfolgreich, die sich mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen zusammen getan hatten. Allerdings wird sich noch erweisen müssen, ob alle Modelle auch Bestand haben werden.

Auch die Universität Leipzig hat sich diesem Wettlauf angeschlossen, bei dem man, wie die Rote Königin bei Alice im Wunderland, immer schneller rennen muss, um auf der Stelle zu bleiben, will heißen, seinen Platz unter den Forschungsuniversitäten zu behalten. Das von der Universität Leipzig (UL) entwickelte Konzept ist klar: Es beruht auf Ideen, die unterschiedlich weit entwickelt und ausdifferenziert sind, und die es, keineswegs nur um in der nächsten Runde der Exzellenzinitiative erfolgreich zu sein, konsequent und mit Bedacht umzusetzen gilt. Fünf Jahre hat die UL nunmehr ihre Profilbildenden Forschungsbereiche entwickelt, baut seit gut zwei Jahren die strukturierte Doktorandenqualifizierung an der Research Academy Leipzig (RAL) auf und hat vor einem Jahr ihre bereits seit längerem gepflegten Kooperationen zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen am Standort in einem Leipziger Forschungsforum formal etabliert. Strukturen, die gute und hoffnungsvolle Ansätze darstellen, und mit denen sie bereits anfängt, die ›Ernte einzufahren‹, wie die stark angestiegene Zahl von bewilligten Forschungsverbünden und eine signifikante Steigerung der Drittmitteleinwerbung zweifelsfrei erkennen lassen. Aber der Weg ist noch weit und steinig. Das Zentrum für Höhere Studien in seiner neuen Funktion als mit der RAL kooperierende Stätte der akademischen Begegnung im Sinne einer Lerngemeinschaft auf Zeit von jungen und international renommierten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen muss noch in diese Aufgabe hineinwachsen. Auch das Leipziger Forschungsforum und die Profilbildenden Forschungsbereiche müssen intensiver und häufiger in den Gedankenaustausch treten und gemeinsam handeln. Aber immerhin, die Strukturen sind da, und sie werden wachsen und funktionieren, wenn sie auch von denen, die noch skeptisch sind, akzeptiert und unterstützt werden. Konkrete wissenschaftliche Kooperationsprojekte und Forschungsverbünde müssen hierbei der Motor sein. Welche institutionellen Formalisierungen über die bereits bestehenden, wie das Leipziger Forschungsforum, hierbei notwendig sein werden, wird sich zeigen. Künstliche Gebilde mit Showeffekt sind überflüssig und eher hinderlich.

So viel zu Forschung und wissenschaftlichem Nachwuchs. Um ein Zukunftskonzept, das Bestand hat, die Universität auf dem Platz hält und sogar noch weiter nach vorn bringt, weiter zu entwickeln, bedarf es auch einer konsequenten Fortführung der Studienreform und einer strukturellen Neuorganisation der Universität. Vielleicht ist dann der Traum von Jürgen Mittelstraß nicht ganz so unrealistisch, der alten Idee einer Einheit von Forschung und Lehre zu neuer Wirklichkeit zu verhelfen.1

  1. 1Jürgen Mittelstraß, »Die Universität zwischen Anspruch und Anpassung«, inDenkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Heft 1, S. 11–23.
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Heft 2 (2009)
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1867-7061

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