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Editorial

Das zweite Heft der Denkströme führt vor, dass sich Wissen aus vielen Zuflüssen speist und dass diverse Aufgaben der Kanalisierung auftreten, besonders wo es um die Einheit von Wissen und Wissenschaft geht, bei aller Anerkennung methodischer und thematischer Diversität. Zwar fließt das Wasser von sich aus bergab. Aber das Denken, und nur das Denken, kann dafür sorgen, dass es auch mal bergauf fließt, nämlich bei Einsatz von Pumpen. Entsprechend ist auch Wissenschaft in ihrer Entwicklung autonom zu steuern, wenigstens partiell, und nicht einfach den Wirkungen kontingenter externer Kraftfelder zu überlassen.

Dabei zeigt der erste Text, Wolfram Hogrebes »Seher und Sensoren. Ursprünge der Orientierungstechniken «, dass schon die Mantik, das vage Wissen der Weisheit der Seher und des Orakels, als eine Art frühe Denkpumpe zu betrachten ist und ohnehin viel eher als etwa die Religion protowissenschaftliche Züge trägt. In einer Zusammenarbeit, die sich aus unserem Akademieforum ergab, thematisieren Olaf Breidbach und Pirmin Stekeler-Weithofer unter dem Titel »Brainworks« die orientierende und kritische Rolle von Philosophie und Geisteswissenschaft gerade auch für die Entwicklung einer auf Technologien abzielenden Wissenschaft. Dabei würde eine echte Wissensgesellschaft in ihrer Strukturierung höherer Bildung weit über die zurzeit leider dominante bloße Ausbildung in einer Informationsgesellschaft hinausgehen müssen. Im Unterschied zu diesem objektiven Geist, der im Sinne einer gemeinsamen Entwicklung der zentralen Institutionen gemeinsamen Lebens zu verstehen ist und dabei nicht etwa bloß des technischen Wissens und individuellen Könnens, rekonstruiert Wolfgang Prinz die scheinbar ›philosophische‹ Erfindung eines subjektiven Geistes im Sinne eines vermeintlich apriorisch gegebenen Bewusstseins, das angeblich auch die beobachtbaren Äußerungen mentalen Lebens im Verhalten transzendiere. Wie die Orientierungsaufgaben von Geisteswissenschaft und Philosophie in einer gerade auch ethisch geprägten Wissensgesellschaft praktisch zu institutionalisieren sind, führen Armin Grunwalds Überlegungen zur Technikfolgenabschätzung als wissenschaftliche Politikberatung am Deutschen Bundestag vor.

Ein zweiter Schwerpunkt in der Rubrik der Beiträge unseres Journals ist die Darstellung der Themen, Fragestellungen und Ergebnisse von Akademieprojekten, wie sie auch in unserem Akademiekolloquium diskutiert werden. Gerade in den Wörterbüchern wird Geisteswissenschaft material konkret. Das macht zunächst Brigitte Bulitta am Beispiel der philologischen Grundlagenforschung am Althochdeutschen Wörterbuch der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig klar. Auf die Bedeutung dieses Projekts für die internationale Sprachwissenschaft weist Rudolf Grosse hin. Susanne Zeilfelder stellt die indogermanistische Etymologie im Projekt Deutsche Wortfeldetymologie in einen europäischen Kontext, und Roland Schuhmann führt die Bedeutung frühester germanischer Überlieferungen für das Althochdeutsche an konkreten Beispielen vor. Almut Mikeleitis-Winter erinnert in ihren Ausführungen zum Alltagswortschatz im Althochdeutschen daran, dass wir aus den Wörtern für die Zubereitung von Nahrungsmitteln unter vielem anderen auch auf die Geschichte der Ernährungstechnologie gewisse Rückschlüsse ziehen können. Maria Kozianka zeigt am Beispiel des Lemmas »Herz« im Etymologischen Wörterbuch des Althochdeutschen, wie sich die (wohl schon immer auch metaphorischen) Vorstellungen über die leiblichen Zentren wandeln, welche die verschiedenen mentalen oder psychischen Reaktionen verursachen, wie z. B. die Leber, Milz oder das Herz. Das Zentrum für das Denken hat sich dabei sozusagen nach oben bewegt und ist heute im Kopf angekommen, so dass das Zwerchfell oder phren sozusagen denselben Namen trägt wie das Hirn oder brain, während der Sitz der Gefühle nach wie vor grob in der Mitte situiert ist.

Die Fruchtbringende Gesellschaft als Netzwerk höfisch-adeliger Wissenskultur der frühen Neuzeit wird von Andreas Herz präsentiert. Markus Kirchhoff erläutert, wie die Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur jüdische Kultur in den Kontext der europäischen Tradition stellt und dass sie, sozusagen auch umgekehrt, die europäischen Traditionen selbst an die Bedeutung jüdischer Kultur erinnert.

Die Diskussionen greifen Themen des ersten Heftes wieder auf, etwa Georg Vobrubas Thesen zur Hochschulpolitik, in welchen ebenso ernst wie ironisch die administrative Struktur der Verantwortungsfreiheit in der Universität unter anderem darin gesehen wird, dass man von einer Herrschaft der Bürokratie allzu viel an Heil erwartet. Martin Schlegel erläutert dazu kurz die neue Universitätsstruktur und nennt einige der anzupackenden Aufgaben.

Ulrich Stottmeister und Thomas Bley schildern in der Rubrik Berichte & Notizen die Zielsetzungen des neuen Forschungsprojekts zur Technikbewertung und -gestaltung an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, während Christian Schmidt über den Abschluss des Akademievorhabens »Rekonstruktion der wissenschaftsphilosophischen Diskurse in Wilhelm Ostwalds Annalen der Naturphilosophie« berichtet. Am Ende steht ein Hinweis auf eine Quellenarbeit in der Wissenschaftsgeschichte, nämlich die Studien zu Carl Julius Fritzsche (1808–1871) und Il’ja Il’ič Mečnikov (1845–1916), herausgegeben von Ortrun Riha und Heiner Kaden.

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Heft 2 (2009)
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ISSN:
1867-7061

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