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Philologische Grundlagenforschung am Althochdeutschen Wörterbuch der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig1

1. Vorbemerkung

Es gibt Wörterbücher, die jeder kennt und zur Hand nimmt, bei denen es sich um kompakte, einfach zu benutzende Nachschlagewerke handelt, die auch kommerziell interessant sind und deshalb von Verlagen produziert werden. Daneben gibt es noch andere Wörterbücher, umfangreichere Wörterbücher, die als wissenschaftliche Grundlagenwerke konzipiert sind und daher an nationalen Forschungseinrichtungen wie den Akademien der Wissenschaften über einen langen Zeitraum erarbeitet werden. Ein solches Grundlagenwerk ist auch das Althochdeutsche Wörterbuch2, das seit 1948 unter Schirmherrschaft der Sächsischen Akademie der Wissenschaften steht und von einer Arbeitsgruppe erarbeitet wird.3 Was seine Aufgabe ist, wie es arbeitet und was es zu leisten vermag, soll im Folgenden dargestellt werden.

2. Was ist Althochdeutsch?

Der Begriff ›Althochdeutsch‹ umfasst einen bestimmten Zeitraum und ein bestimmtes Gebiet, aus dem Zeugnisse der deutschen Sprache überliefert sind.4 In zeitlicher Hinsicht versteht man unter Althochdeutsch Schriftzeugnisse aus einem etwa vier Jahrhunderte umfassenden Zeitraum vom ausgehenden 8. bis zum 11. Jahrhundert. Davon lässt sich das sogenannte Mittelhochdeutsche mit seinen Zeugnissen von etwa 1100 bis 1350, dann das daran angrenzende Frühneuhochdeutsche von etwa 1350 bis 1600 und schließlich das ab etwa 1600 folgende Neuhochdeutsche abgrenzen. Jede der genannten Sprachperioden wird in eigenen, noch laufenden lexikographischen Großvorhaben aufgearbeitet.5

Dass Ende des 8. Jahrhunderts eine kontinuierliche schriftliche Überlieferung des Deutschen einsetzt, ist eine Folge der christlichen Missionierung und der Kulturpolitik Karls des Großen. Davor gab es keinen Grund, in deutscher Sprache zu schreiben, denn das Lateinische füllte die Rolle der schriftlichen und überregionalen Verständigung vollständig aus. Das damalige gesprochene, mündliche Deutsch entzieht sich der wissenschaftlichen Beschreibung; Wörterbücher zu historischen Sprachstufen erfassen nur, was schriftlich festgehalten wurde. Und auch davon dokumentieren sie nur einen winzigen Bruchteil, da vieles im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen ist.

In räumlicher Hinsicht gab es noch keine flächendeckende Überlieferung des Deutschen, nur einzelne Schreibzentren wie in Sankt Gallen, Regensburg, Weißenburg, Mainz usw. mit regionalen Sprachausprägungen. Das waren Klöster mit schriftkundigen Gelehrten, Männern wie Frauen, und Skriptorien mit professionell ausgebildeten Schreibern. Geschrieben wurde auf Pergament, wofür man Feder und Radiermesser zu Hilfe nahm, aber auch auf leicht ausstreichbaren Wachstäfelchen mit dem Griffel, insbesondere, wenn es um das Aufsetzen von Texten ging. Fast jedes aus der frühdeutschen Zeit erhaltene nichtlateinische Sprachzeugnis ist als ein Unikat zu betrachten und steht manchmal ganz alleine für einen Schreibdialekt.

Die deutschen (einschließlich der niederländisch-flämischen) Dialekte waren wie heute auch durch ein Kontinuum6 miteinander verbunden, d. h. die Nachbarn einer regionalen Sprachform konnten sich gegenseitig verstehen. Das Kontinuum lässt sich in ober-, mittel- und niederdeutsche Mundarten untergliedern. Zum Althochdeutschen wird der ober- und mitteldeutsche Teil gerechnet, der an einer Lautverschiebung bestimmter Konsonanten teil hatte (der sogenannten hochdeutschen Lautverschiebung), wenngleich in unterschiedlichem Umfang. Ihm werden auch Zeugnisse aus dem sogenannten Westfränkischen auf heute französischsprachigem Gebiet etwa bei Metz zugerechnet. Jenseits einer ungefähr von Eupen in Belgien quer durch Deutschland von Düsseldorf über Kassel bis Magdeburg verlaufenden Linie grenzen sich die nördlichen Sprachausprägungen, das Altniederdeutsche bzw. Altsächsische7, und westlich davon das Altniederfränkische (um Xanten und auf heute niederländischem Gebiet)8 ab, die einen unverschobenen Lautstand bewahrten. Während man dort zum Beispiel maken mit einem intervokalischem Verschlusslaut k wie im Englischen sagte, sprachen die Sprecher südlich dieser Linie das Wort als machen mit einem Reibelaut aus.9 Das Kontinuum grenzte im Westen ans Romanische, im Norden ans Friesische und im Osten ans Slawische.

Das Althochdeutsche Wörterbuch erfasst Zeugnisse aus dem gesamten beschriebenen Kontinuum, wenngleich der Schwerpunkt auf dem Hochdeutschen liegt, das in dieser frühen Zeit in sechs regionale Schreibdialekte untergliedert werden kann. Ausgehend von den Schreiborten unterscheidet man im Süden das Alemannische und östlich davon das Bairische. Nördlich des Alemannischen schließt sich das Südrheinfränkische (heute Elsässisch) an, dann folgt das Rheinfränkische (heute Südhessisch), westlich davon das Mittelfränkische (heute Rheinisch) und östlich davon das Ostfränkische (heute Fränkisch).

Anteilig berücksichtigt werden im Wörterbuch auch Sprachzeugnisse des Altsächsischen mit seinen wenigen sicher lokalisierbaren Schreibzentren z. B. in Essen oder Magdeburg, sowie Sprachzeugnisse des Altniederfränkischen z. B. um Egmond. Auf dem Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen ist aus dieser Zeit keine schriftliche Überlieferung bekannt. Das ist auch kaum anders zu erwarten: Die Etablierung der deutschen Herrschaft und ihre Kulturentwicklung standen in diesem noch überwiegend von Slawen besiedelten Territorium erst am Anfang. Erst in Merseburg, gelegen am südöstlichen Zipfel des altsächsischen Siedlungsgebiets und Herkunftslandes des ottonischen Königsgeschlechts, das bis um 800 endgültig dem fränkischen Reich angegliedert worden war, gab es ein Schreibzentrum. Die berühmten Merseburger Zaubersprüche wurden dort allerdings nicht verfasst, wie ihr Name nahelegen könnte.

3. Ziel und Materialgrundlage des Vorhabens Althochdeutsches Wörterbuch

Ziel des Vorhabens ist es, das gesamte erhaltene Wortgut des frühestbezeugten Deutschen aus allen Textsorten mit Ausnahme der in mittellateinischen Urkunden-, Rechts- und Berichtstexten eingesprengten volkssprachigen Wörter zu erfassen und zu erschließen. Ausgewertet wird die Überlieferung in fortlaufenden Texten – in großen Texten, wie zum Beispiel der Evangelienharmonie Otfrids von Weißenburg mit rund 64 400 Textwörtern, oder in kleineren Texten, wie zum Beispiel dem Lorscher Bienensegen aus dem 10. Jahrhundert mit 47 Textwörtern. Dazu kommt die Überlieferung in sogenannten Glossen. Glossen sind einzelne deutsche Wörter, die beim Studium lateinischer Texte als Entsprechung zu erklärungsbedürftigen Wörtern hineingeschrieben wurden. Ein Beispiel für eine solche Textglossierung ist die reich am Rande kommentierte und interlinear glossierte lateinische Handschrift des 10. Jahrhunderts mit den Oden des Horaz, die in der Leipziger Universitätsbibliothek verwahrt wird (s. Abb.).10 Sie stammt aus Sankt Johann in Magdeburg, wo wohl auch im 11. Jahrhundert die Eintragung einer interlinearen Textglosse stattfand. Über das lateinische Wort antemnae[que] wurde das deutsche Wort sechilrodun geschrieben. Es handelt sich dabei um eine Form des Femininums segalruota ›Segelstange‹ in altsächsischem Lautstand.

Kommentierung der Oden des Horaz mit einer altsächsischen Textglosse über antemne in Zeile 8, 11. Jh. Leipzig, UB Rep. I. 4, fol. 48vb; 10. Jh. Kommentierung der Oden des Horaz mit einer altsächsischen Textglosse über antemne in Zeile 8, 11. Jh. Leipzig, UB Rep. I. 4, fol. 48vb; 10. Jh.

Glossen wurden nicht nur mit Tinte geschrieben, sondern auch mit dem Griffel ins Pergament eingeritzt. Griffelglossen sind kaum mit dem bloßen Auge zu erkennen. Am ehesten werden sie im Streiflicht einer Lampe unter einem bestimmten Einfallswinkel sichtbar. Nur besonders ausgewiesene und spezialisierte Paläographen sind in der Lage, diese Form der Überlieferung zu heben.

Aufgrund ihrer besonderen Eintragungsumstände sind Glossen meist schwerer zu beurteilen als Textwörter; das gilt für ihre Edition ebenso wie für ihre sprachliche Interpretation. Sie haben insofern eine herausragende Bedeutung, als sie zwei Drittel des gesamten Wortschatzes der frühdeutschen Zeit überliefern.11

Elias von Steinmeyer (1848–1922) hat sämtliche bekannte Glossen seiner Zeit in fünf Bänden ediert.12 Darüber hinaus hat er noch eine kritische Edition kleinerer althochdeutscher Sprachdenkmäler13 vorgelegt. Trotz vieler Nachträge und teilweiser Neueditionen aus den letzten Jahrzehnten bilden seine Werke noch heute den Bezugspunkt aller weiteren Forschungen auf diesem Gebiet. Im Anschluss an seine editorische Tätigkeit legte er für das geplante Althochdeutsche Wörterbuch ein Zettelarchiv an, das seither kontinuierlich aktualisiert wurde und nun etwa 750 000 Belegzettel mit allen Wortformenbelegen vom 8. Jahrhundert bis zu Spätbelegen des 15. Jahrhunderts alter Überlieferungstradition aus kritischen Editionen umfasst.

Das Belegarchiv ist in seiner Vollständigkeit und Ordnung einmalig und wurde gemäß der Haager Konvention als schützenswertes nationales Kulturgut eingestuft und gesichert. Aus diesem Material wird ein etwa zehnbändiges Wörterbuch erarbeitet, von dem der fünfte Band mit den Buchstaben K und L dieses Jahr im Druck abgeschlossen sein wird.

3.1 Konzeption

Die komplexe Konzeption des Althochdeutschen Wörterbuchs wurde in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings, den eigentlichen Begründern des Wörterbuchs, entwickelt. Bewusst entschieden sie sich gegen ein beschränktes Wörterbuch, das in kurzer Zeit erneut unzureichend sein würde und der besonderen Überlieferungssituation der frühdeutschen Sprache mit ihrer engen Bindung an die lateinische Sprache nicht gerecht werden würde. Stattdessen wollten sie, nach dem Vorbild des Thesaurus Linguae Latinae, ein langfristig dienliches Forschungsinstrument mit größter Bearbeitungstiefe und umfassender Aussagefähigkeit zu allen sprachhistorischen Fragestellungen schaffen. Es sollte die Grundlagen für eine neue althochdeutsche Grammatik und für eine Wortbildungslehre des ältesten Deutsch legen sowie ein sicheres Fundament für die historische Bedeutungsund Syntaxforschung bieten. Unter Rückgriff auf das Thesaurusprinzip sollte vermieden werden, durch Ausgrenzen von Material einen Beleg für eine im Frühdeutschen noch resthaft greifbare sprachliche Erscheinung zu verlieren. So wird jeder Beleg (mit Einschränkungen bei den grammatischen Wörtern) sprachlich nach seiner Form, seiner Bildung und seinem Gebrauch interpretiert und im Wörterbuch eingeordnet.

3.2 Artikelgestaltung

Ein Artikel des Althochdeutschen Wörterbuchs hat im Prinzip folgende Struktur: der Artikelkopf besteht aus dem Stichwort und einer Angabe seiner Wortart, dann folgen die Bildungsentsprechungen in den anderen germanischen Sprachen sowie in den jüngeren deutschen Sprachstufen, soweit sie belegt sind. Herkunftsangaben finden sich nur bei Lehnwörtern (in der Regel aus dem Lateinischen). In einem eigenen Absatz folgt der Formenteil, in dem die Belege nach geographischen, chronologischen und morphologischen Gesichtspunkten geordnet sind. Daran schließt sich der Bedeutungsteil mit den aus den Belegen ermittelten Bedeutungsangaben an. Jeder Beleg wird darin zugeordnet. Um Wortgebrauch und syntaktische Strukturen zu illustrieren, werden zugehörige Kontexte bzw. bei Glossen die lateinische Quellentexte in Auswahl zitiert. Auf den Bedeutungsteil folgen Angaben zur Wortbildung und gegebenenfalls zu benutzter Spezialliteratur.

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4. Von den Schwierigkeiten der Lexikographie zum ältesten Deutschen

Alle Vorhaben, die Belegwörterbücher zu einer Sprachepoche oder -region erarbeiten, beanspruchen lange Zeiträume bis zu ihrem Abschluss. Exemplarisch genannt seien das große Schweizerdeutsche Idiotikon, das 1881 zu publizieren begann und jetzt beim Buchstaben W angelangt ist, der Thesaurus Linguae Latinae, der seit 1900 publiziert und jetzt das P abgeschlossen hat (der Buchstabe N wurde zunächst wegen der riesigen Menge der Negationswörter übersprungen), und schließlich das Deutsche Rechtswörterbuch zur älteren deutschen und westgermanischen Rechtssprache, das von 1914 an bis heute zum Buchstaben S gelangt ist. Ein wissenschaftlicher Lexikograph wundert sich nicht darüber, dass die Erarbeitung eines Buchstabens mehrere Jahre dauert, der Öffentlichkeit diesen Umstand begreiflich zu machen, ist dagegen schwierig. Jedes der hier beispielhaft genannten Vorhaben sieht sich besonderen, mitseinem Gegenstand und dessen Bearbeitung verbundenen Schwierigkeiten gegenüber, deren Bewältigung einen hohen Arbeitsaufwand erfordert. Einige solcher Schwierigkeiten, denen die Lexikographie des ältesten deutschen Wortguts zu begegnen hat, seien nachfolgend näher ausgeführt.

4.1 Die Abhängigkeit des Frühdeutschen vom Lateinischen

Das wesentlichste Merkmal der althochdeutschen Überlieferung ist ihre Abhängigkeit von der lateinischen Sprache, wie bereits am Beispiel der Textglossen deutlich wurde. Verdichtet sich eine solche Glossierung, spricht man von Interlinearversionen (Sankt Pauler Lukasglossen des 8. Jahrhunderts, Übersetzung der lateinischen Benediktinerregel des 9. Jahrhunderts, Ambrosianische Hymnen des 9. Jahrhunderts u. a.). Lateinische Vorlagen wurden aber nicht nur glossiert, sondern auch textförmig wiedergegeben. So entstanden große bilinguale Sprachdenkmäler wie die althochdeutsche Isidorübersetzung oder die Evangelienharmonie des Tatian, aber auch kleinere Textzeugen der religiösen Unterweisung wie das alemannische Vater-unser-Gebet aus dem 8. Jahrhundert. Oft ist das zugrunde liegende Latein nicht mit überliefert. Um solche Denkmäler sprachlich und inhaltlich beurteilen zu können, müssen die Vorlagentexte vergleichend herangezogen werden, was im Althochdeutschen Wörterbuch nicht nur bei der Interpretation der Belege, sondern auch im Abdruck ausgewählter Passagen geschieht. Nur so fällt beispielsweise auf, dass im Vater-unser-Gebet die lateinische Passivform sanctificetur in sanctificetur nomen tuum ›dein Name werde geheiligt‹ durch die aktivische Form uuihi ›heilige!‹ in uuihi namun dinan14 wiedergegeben wird. Das ist erklärungsbedürftig, galt doch den frühdeutschen Übersetzern die strenge Wiedergabe ihrer lateinischen Vorlage meist mehr als die grammatische Richtigkeit ihrer eigenen Sprache. Entweder erkannte der Übersetzer hier nicht die synthetisch gebildete Form als Passiv, denn im Deutschen wird das Passiv analytisch gebildet – es müsste also giuuihit uuerde ›geheiligt werde‹ heißen. Oder er scheute davor zurück, in seiner Übersetzung zwei Wörter statt eines wie im Lateinischen heranzuziehen, und nahm dafür sogar eine andere (entstellende) Sinngebung in Kauf.

Einige althochdeutsche Texte wechseln auch fortlaufend zwischen Latein und Deutsch hin und her. Der große Sankt Galler Klosterlehrer Notker der Deutsche (950–1022) setzt diesen Sprachwechsel gezielt ein, um nicht nur religiöses Schrifttum, sondern auch Werke der antiken lateinischen Literatur, darunter die aristotelischen Schriften in der Bearbeitung des Boethius, in der Volkssprache zu erschließen. In seiner Psalmenübersetzung und -kommentierung heißt es zum Beispiel (Latein ist im Zitat kursiviert): »et inmisit in os meum canticum novum . ymnum deo nostro vnde gab er in minen munt . niuuuez sang . lobosang unsermo gote . vbe ich êr sang idolis chit sancta ecclesia . nu singo ih aber Christo«15 [Übersetzung: Und er gab in meinen Mund einen neuen Gesang, den Lobgesang für unseren Gott. Obgleich ich zuvor den Götzen sang, sagt die Heilige Ekklesia, so singe ich nun aber Christus].

Ohne Kenntnisse des (Mittel-)Lateinischen, und zwar der Sprache wie der Literatur einschließlich der Glossographie, lässt sich der Gebrauch des Althochdeutschen in seinen Anfängen nicht nachvollziehen. Bei fast jedem Beleg hat sich der Lexikograph mit zwei Sprachen auseinanderzusetzen, will er Form und Bedeutung ermitteln. Schriftliche Zeugnisse einer vom Lateinischen völlig unabhängigen deutschen Sprache wie im Hildebrandslied, in den Zauber- und Segenssprüchen oder im Muspilli, einem Stabreimgedicht über das jüngste Gericht, gibt es auch, sie bleiben demgegenüber aber in der Minderheit.

4.2 Schwierigkeiten der frühdeutschen Sprache

4.2.1 Die Varianz in Schreibung und Lautung

Bedingt durch die Unsicherheit, wie mit den Buchstaben der Fremdsprache Latein die Laute der eigenen Sprache am besten wiederzugeben seien, und aufgrund der zahlreichen Dialekte herrschte eine breite Varianz in Schreibung und Lautung. So gibt es für das Wort Knecht im vom Althochdeutschen Wörterbuch erfassten Sprach- und Zeitraum insgesamt 110 Wortformenbelege aus fünf verschiedenen Textzeugen und vielen Glossaturen.16 Daraus lassen sich 15 verschiedene Schreibungen bzw. Lautungen des Wortstammes ableiten: can&, che. neth, cheneht, chneht, chnet, chneth, gneht, kenecht, khneht, knecht, kneght, knehd, kneht, knet und kneth. Dazu kommen noch sechs als verschrieben oder verstümmelt einzustufende Formen: cheht, chent, chnemht, choeht, ohnehiht und . . fht. Der anlautende Konsonant ist durch fünf verschiedene Graphien ch, kh, k, c oder g ausgedrückt. Für die stammauslautenden Konsonantenverbindung gibt es sogar sechs verschiedene Graphien: ht und th, cht, ght, hd und t alleine. Als Sprossvokal zwischen k und n der Anlautkonsonanz sind a in canet und e in den keneht-Formen belegt. Über solche Varianten lassen sich Schreibund Lautsysteme der frühdeutschen Dialekte ermitteln. Umgekehrt sind bei ausreichender Beleglage so auch Rückschlüsse auf die Lokalisierung und Datierung eines Sprachzeugnisses möglich.

4.2.2 Die morphologische Varianz

Eine zweite Schwierigkeit des Frühdeutschen ist seine morphologische Varianz. Das Deutsche gehört wie andere indogermanische oder auch die semitischen Sprachen zum Typus der flektierenden Sprachen, das heißt, Wörter bestimmter Wortarten werden je nach ihrer Funktion im Satz bezüglich ihrer Endung oder ihres Stammes abgewandelt: Nomina nach Kasus und Numerus, Verba nach Person, Numerus und Tempus/Modus usw. Da im heutigen Standarddeutschen die Flexionsendungen nur den abgeschwächten Laut e enthalten (diese Abschwächung ist schon in mittelhochdeutscher Zeit eingetreten), ist es in dieser Hinsicht viel weniger ausdifferenziert als das Althochdeutsche, das in diesen unbetonten Silben noch alle vollen Vokale aufweist, und zwar kurze wie lange. Die zeitlich-räumliche Varianz der Flexionsendungen im Frühdeutschen gegenüber dem Neuhochdeutschen sei am Dativ Plural des maskulinen Substantivs Tag veranschaulicht: der einen neuhochdeutschen Form Tagen stehen wenigstens vier Formen althochdeutscher Zeit gegenüber: die ältesten Formen mit der Endung -um oder -om in tagum, -om, die Normalform mit -un in tagun, die fränkische Form mit -on in tagon und jüngere Formen auf -en in tagen.

Auch der Aufbau der Flexionsklassen ist im Althochdeutschen sehr viel komplexer als im Neuhochdeutschen. Bei den regelmäßigen oder sogenannten schwachen Verben gibt es im Neuhochdeutschen nur eine Klasse, während das Althochdeutsche drei Klassen unterscheidet, die sogenannten jan-, ôn- und ên-Verba. Das gleiche gilt für die Substantive (während im Neuhochdeutschen allein beim maskulinen Substantiv vier Flexionsklassen unterscheidbar sind, sind es im Frühdeutschen acht, in Resten sogar neun Flexionsklassen) wie für die anderen flektierbaren Wortarten. Dazu kommen Phänomene wie Flexionsklassenwechsel und weitere Besonderheiten.

Da das Althochdeutsche Reste davon bewahrt, wie die Wörter in voralthochdeutscher Zeit aufgebaut waren, ist es wichtig für die Erschließung der altgermanischen Flexionssysteme vor der Zeit ihrer Verschriftlichung.

4.3 Die Schwierigkeiten der Parallelüberlieferung

Die ›Schwierigkeiten der Parallelüberlieferung‹ resultieren daraus, dass ein einmal geschaffenes Textzeugnis oder eine Glossierung nicht nur einmal, sondern durch Abschrift mehrfach überliefert sein kann. Abschriften können buchstabengetreu erfolgt sein, sie können aber auch Abweichungen enthalten. Solche Abweichungen sind manchmal nur Abschreibfehler, manchmal aber auch unbewusster Reflex des Schreiberdialekts oder ungewolltes Hineinlesen eines ähnlich klingenden Wortes in das vorhandene. Manches ist ganz bewusst oder sogar durchgängig im Hinblick auf einen anderen Lautstand oder auf ein moderneres Deutsch geändert. Für die sprachhistorische Forschung sind solche Änderungen höchst aufschlussreich, machen sie doch Erscheinungen des Sprachwandels sichtbar. Durch den kritischen Abgleich handschriftlicher Varianten lässt sich ermitteln, ob sprachhistorisch relevante Änderungen vorliegen oder nicht, eine Arbeit, die am Althochdeutschen Wörterbuch geleistet wird. Änderungen der Graphie, Lautung oder Morphologie werden im Formenteil des Wörterbuchs behandelt, Umänderungen der Bildung oder Wortersatz werden im Bedeutungsteil dokumentiert.

Warum bereitet die Parallelüberlieferung Schwierigkeiten? Zum einen, weil dadurch die Zahl der zu einem Sprachdenkmal zu prüfenden und gegebenenfalls ausführlicher zu behandelnden Belege in die Höhe schießt. So sind für Ofrids Evangelienbuch nicht 64 400 Belege, sondern insgesamt 201 400 Belege zu behandeln, für Willirams Paraphrase des Hohenliedes nicht 10 000, sondern weit über 50 000 Belege, für Notker nicht geschätzte 165 000, sondern über 200 000 Belege17 usw. Entsprechendes gilt für die Glossen, für die Monseer Glossenfamilie, das Summarium Heinrici, die Salomonischen Glossen oder die sogenannten Versusglossen u. a. Ein großer Teil der Parallelüberlieferung stellt sich nach mühseligen Prüfarbeiten nur als quantitative, nicht als qualitative Bereicherung des Materials heraus.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, Parallelüberlieferungen in Abhängigkeit von der Editionslage für die Bearbeitung schnell und sicher zugriffsfähig zu machen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten; und von Fall zu Fall ist abzuwägen, welche die günstigste ist. Im Vorhaben Althochdeutsches Wörterbuch, dessen Archiv noch aus Belegzetteln (nicht aus digital aufbereiteten Daten) besteht, gibt es im Prinzip drei Verfahren. Entweder ist für jede Wortform einer Parallelhandschrift ein eigener Belegzettel ausgeschrieben, oder aber es sind nur die Belege einer Handschrift verzettelt und die Abweichungen der anderen Handschriften dazu vermerkt. Da die Belegzettel in knappster Form gehalten und bei der Bearbeitung stets die Editionen aufzuschlagen sind, werden die Wortformen oder Stellen der Parallelüberlieferung auch direkt dort eingetragen.

Als letzte Schwierigkeit sei der Umgang mit den Editionen mit ihren wertvollen kritischen Apparaten genannt wie zum Beispiel die Neuedition des Summarium Heinrici. Sie entwickeln unter Umständen hoch komplexe Verfahrensweisen der Darstellung, um die Überlieferungslage abbilden zu können, und führen gegebenenfalls neue Handschriftensiglen ein, um zusätzliche Parallelhandschriften zu erfassen. Ergeben sich später dazu Nachträge oder Korrekturen, müssen diese an den entsprechenden Stellen der Editionen von Hand eingetragen werden.

4.4 Die Schwierigkeit der Lemmatisierung

Unter der ›Lemmatisierung‹ eines Wortes versteht man die Rückführung flektierter Formen auf eine konventionell festgelegte Grundform. Im schriftlichen Gegenwartsdeutschen fällt diese Grundform normalerweise mit der in einem Wörterbuch zitierbaren Stichwortform, auch ›Ansatz‹ oder ›Lemma‹ genannt, zusammen, mit der ein Wörterbuchartikel eröffnet wird. So wird die ablautende bzw. unregelmäßige Verbform fuhr in einem gegenwartssprachlichen Wörterbuch nicht unter fuhr, sondern unter fahren behandelt. Beim Lemmatisieren von Wortformen historischer Sprachstufen ist es jedoch nicht ausreichend, die belegten Formen auf ihre lexikographische Grundform zurückzuführen, um zu ihrer Ansatzform zu gelangen, denn es handelt sich ja um Formen aus verschiedenen Dialekten mit eigenen Schreib-, Laut- und Formensystemen. Ein weiterer Arbeitsschritt wird erforderlich, der ›Normalisierung‹ genannt wird. Dabei werden die Formen gemäß einer gängigen Konvention in den Lautstand des Ostfränkischen überführt, weil dieses in Bezug auf die Lautverschiebung ungefähr der heutigen deutschen Hochsprache entspricht. Wie an den genannten Formen zu althochdeutsch kneht zu sehen, würde die Abstraktion von den Flexionsendungen nach wie vor verschiedene Stämme mit einem denkmälerspezifischen bzw. sprachräumlich begrenzten Konsonantismus ergeben: chneht, chneth, kneht, gneht, kneght u. a. Erst durch die Normalisierung werden sämtliche Formen denkmälerübergreifend für den Benutzer unter einem Stichwort greifbar. Allerdings sind dieser Normalisierung Grenzen gesetzt, insbesondere dann, wenn die Beleglage unzureichend ist. In solchen Fällen wird der Ansatz angefragt oder die Form in ihrem Dialekt mit einer entsprechenden Markierung angesetzt.

5. Philologische Grundlagenforschung: Analysebeispiel mahha

Eine ganz wesentliche Aufgabe des Althochdeutschen Wörterbuchs ist es, zu ermitteln, welche Wörter und Bildungen in der frühdeutschen Sprachperiode überhaupt nachweisbar und ansetzbar sind. Viele Spezialforschungen knüpfen an das Althochdeutsche Wörterbuch an und müssen sich darauf verlassen können, dass die angesetzten Bildungen in ihrer Existenz philologisch geprüft"#endnote-conie selbst diese Arbeit nicht leisten können. Ein hoher Anteil althochdeutscher Stichwörter stützt sich aufgrund der Lückenhaftigkeit der Überlieferung gerade mal auf eine einzige Bezeugung. Diese kann auch noch schlecht lesbar, verstümmelt oder aus anderen Gründen unklar sein. Wie wichtig der philologische Zugriff gerade hier ist, sei an folgender Beleglage erläutert: Unter dem Material zum femininen Verbalsubstantiv mahhunga ›Verursachung, Machenschaft‹ befindet sich ein Belegzettel aus Steinmeyers Glossenedition18 mit sechs rot unterstrichenen Übersetzungsentsprechungen aus insgesamt zehn verschiedenen Handschriften, die durch Kleinbuchstaben von a bis q ausgewiesen sind (s. Abb.). Ausnahmsweise findet sich hier auch ein handschriftlicher Vermerk Steinmeyers. Die Handschriften gehören zu einer Gruppe von sogenannten Textglossaren, die als Monseer Glossenfamilie oder ›Familie M‹ zusammengefasst werden. Textglossare sind lateinisch-deutsche Wörterlisten, die dadurch entstanden, dass man die glossierten Wörter eines lateinischen Textes in der Reihe ihres Vorkommens spaltenweise oder auch fortlaufend hintereinanderweg herausschrieb. Das Wort mahhun steht in zwei kopial zusammenhängenden Handschriften19 und bildet zusammen mit dem deutschen Wort reisunga eine Übersetzungsentsprechung zum lateinischen Textwort machinationes. Dessen Form und Bedeutung lässt sich genauer bestimmen, wenn man es in seinem ursprünglichen Kontext betrachtet. Er entstammt dem Buch Esther aus dem Alten Testament und lautet: »(Esther) procidit ad pedes regis, … oravit ut malitiam Aman Agagitae, et machinationes eius pessimas, quas excogitaverat contra Iudaeos, iuberet irritas fieri, Esther 8,3«20 [Übersetzung: Esther warf sich dem König (ihrem Mann) zu Füßen und flehte, er möge die Bosheit Amans, des Agagiters, … und seine bösen Anschläge, die er gegen die Juden ausgedacht hatte, erfolglos sein lassen]. Im lateinischen Kontext ist die Form des Bezugswortes machinationes ein Akkusativ Plural im Accusativus cum infinitivo. Die fünf Formen mit dem Suffix -ung passen der Form und Bedeutung nach problemlos zum Ansatz mahhunga ›Machenschaft‹. Fraglich jedoch ist, ob auch die Form mahhun dazu gehört. Man könnte nämlich das Ende -un als Flexionsendung des Nominativ oder Akkusativ Plural der schwachen Femina auffassen und dann auf ein sonst nicht bezeugtes, aber von der Wortbildung her durchaus mögliches schwaches Femininum mahha rückschließen. Vorhandene Wörterbücher helfen bei einer Entscheidungsfindung nicht recht weiter: zwei Wörterbücher nehmen den Beleg zu mahhunga21, zwei setzen dafür mahha an. Gebucht ist der Ansatz mahha zum einen in Graffs Althochdeutschem Sprachschatz von 183622, dem Vorgängerwörterbuch des Leipziger Vorhabens, das noch heute von Wert ist, obwohl es zu seiner Zeit noch keine textkritischen Ausgaben gab. Dort sind auch zwei Zusammensetzungen mit mahha aufgeführt, nämlich heilîgmahha ›Heiligung‹ und zuolîhmahha ›luxuriöses Dasein‹. Das könnte die Existenz eines Grundwortes mahha stützen und seine Ansetzung rechtfertigen. Zum anderen ist im Glossenwortschatz von Rudolf Schützeichel aus dem Jahr 200423 ein Ansatz mahha enthalten, der sich auf diese eine Belegstelle stützt. Der Ansatz ist nicht weiter durch ein Fragezeichen als unsicher markiert. Als Bedeutungsangabe wird ›Unternehmung‹ angegeben. Doch findet sich der Beleg im gleichen Werk kurz darauf noch einmal, und zwar unter dem Ansatz mahhunga24. Dort wird eine Vervollständigung der Wortform mahhun um den Bestandteil ga konjiziert und eine andere Bedeutung als zuvor, nämlich ›Machenschaft‹, zugewiesen. Wie schon unter dem Ansatz mahha wird auch hier die Zuordnung weder angefragt noch dem Benutzer ein Hinweis auf die Behandlung der Belegstelle an zwei verschiedenen Stellen im Wörterbuch gegeben.

Nun könnte man die Nachforschungen einstellen, ohne eine Entscheidung zu treffen. Man könnte einen Artikel mahha schreiben und ihn mit einem Fragezeichen in seiner Unsicherheit markieren. Im Artikel mahhunga würde man den Benutzer mit einem Verweis auf den Artikel ?mahha lenken. Aber auch aus Fragezeichenansätzen werden von der Forschung bisweilen sprachgeschichtliche Schlussfolgerungen abgeleitet. So könnte mahha in einem Korpus schwacher Feminina eines bestimmten Bildungstyps auftauchen, als Grundlage einer abgeleiteten Bildung postuliert oder zum Erstbeleg für das neuhochdeutsche Wort Mache erklärt werden usw. Existiert das Wort nun aber nicht, entbehren solche Folgerungen ihrer Grundlage. Überdies gibt es da noch den handschriftlichen Verweis Steinmeyers auf dem Belegzettel, der lautet: »macha wol [sic] nicht mit Graff anzusetzen, nur abgekürzt für mahhunga. « Ihm folgend müsste der Beleg also im Wörterbuch unter mahhunga erscheinen. Ein Kommentar zur Stelle könnte etwa lauten: »Nach Steinm., handschriftl., wohl nur abgekürzt geschrieben«. Zwar ist Steinmeyer noch heute als unangefochtene wissenschaftliche Autorität bekannt, doch ist ein solcher handschriftlicher Hinweis immer noch nicht ganz befriedigend. Außerdem schränkt Steinmeyer selbst seine Erklärung durch ein ›wohl‹ ein; der Ansatz mahha stünde also immer noch im Raum.

Nun verfügt das Vorhaben intern über besondere Hilfsmittel, Wort- und Stellenregister zu wichtiger Sekundärliteratur, manche schon von Steinmeyer selbst, manche dann von späteren Mitarbeitern des Wörterbuchs angelegt. Auch zu Steinmeyers umfangreichen Untersuchungen über die Bibelglossare, gedruckt 1922 im fünften Band seiner Glossenedition, existiert ein solches Register. Sucht man darin den Beleg unter den rund 2 800 behandelten Stellen auf, stößt man auf folgenden gedruckten Kommentar: »[nun] deuten schreibungen von b wie 491,51 mahhun. reisunga, 657,1 zisplontiv. lispen, … darauf hin, dass mahhun, lispen … einst überschrieben waren und dass ihre schlusssilbe sollte suppliert werden aus der des darunter befindlichen deutschen wortes«25. Damit wäre der ursprüngliche handschriftliche Befund rekonstruiert: Über dem lateinischen Wort machinationes stand zunächst das deutsche Wort reisunga und darüber noch, als zweite deutsche Glossierung, das Wort mahhun, bei dem die ›Schlusssilbe suppliert‹ wurde. Da Steinmeyer nicht nur diese eine, sondern weitere Beweisstellen für dieses Kürzungsverfahren aufführen kann (und dieses auch in anderen Überlieferungszusammenhängen begegnet), ist abgesichert, dass ein Ansatz mahha nicht mehr zu erwägen ist. Der Beleg kann nun mit einem entsprechenden Kommentar unter mahhunga gebracht werden. Die Zuordnung der Belegstelle muss allerdings begründet werden, indem auf das Phänomen der ersparten Schlusssilbe hingewiesen und auf Steinmeyers Kommentar zu dieser Stelle referiert wird.

Analysebeispiel »mahhun« Gl 1,491,51 im Material von »mahhunga« st. f. mit handschriftlichem Kommentar Steinmeyers Analysebeispiel »mahhun« Gl 1,491,51 im Material von »mahhunga« st. f. mit handschriftlichem Kommentar Steinmeyers

mahhun machunga mahchunga mahhunga machunga machunge

Nicht zuletzt dank der am Vorhaben durch herausragende Wissenschaftler entwickelten Methodik, ihrer gesammelten Vorarbeiten und kontinuierlich weiter vermittelten Kompetenzen ist es möglich, beim Durchforsten des Sprachmaterials vorliegende Erkenntnisse zu präzisieren oder neue Erkenntnisse zu gewinnen. Manches, was als undeutbar galt, kann einem Deutungsversuch zugeführt werden. Anderes, was sicher galt, muss neu angefragt werden. Auf diese Weise wird gezeigt, wo eine weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung erforderlich ist, was auch zu den zentralen Aufgaben eines Grundlagenwerkes gehört.

  1. 1Vortrag anlässlich des Akademiekolloquiums der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig am 23. Januar 2009. Die Abbildungen zum Vortrag sind vollständig online bereitgestellt, siehe Fn. 3.
  2. 2Althochdeutsches Wörterbuch. Auf Grund der von Elias von Steinmeyer hinterlassenen Sammlungen im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig begründet von Elisabeth Karg-Gasterstädt und Theodor Frings, Bd. 1 ff. Berlin 1952 ff., Zitiert als »Ahd. Wb.« mit Band- und Spaltenzahl.
  3. 3Kontinuierlich aktualisierte Angaben zum Projekt finden sich unter http://www.saw-leipzig.de/ und im Jahrbuch der Sächsischen Akademie der Wissenschaften (2007/2008).
  4. 4Dieter Geuenich, »Soziokulturelle Voraussetzungen, Sprachraum und Diagliederung des Althochdeutschen«, in Werner Besch u. a., Hg., Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, 2. Aufl., 2. Teilbd., Berlin, New York 2000 (HSK 2,2), S. 1 144–1 155.
  5. 5Mittelhochdeutsches Wörterbuch, im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hg. von Kurt Gärtner u. a., Stuttgart 2006 ff., Bd. 1 ff.; Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. von Robert R. Anderson u. a., Berlin, New York 1989 ff., Bd. 1 ff.; Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Neubearbeitung hg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Stuttgart, Hirzel 1983 ff., Bd. 1 ff. (Neubearbeitung der Buchstaben A bis F).
  6. 6Zum Begriff des Kontinuums und zur Aufgliederung der germanischen Sprachen vgl. Elmar Seebold, »Germanen, Germania, Germanische Altertumskunde. II. Sprache und Dichtung. B. Sprache und Schrift«, in Heinrich Beck u. a., Hg., Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Bd. 11, Berlin, New York 1998, S. 275–305, bes. S. 276–279, 281–282 und 302–305.
  7. 7Thomas Klein, »Soziokulturelle Voraussetzungen und Sprachraum des Altniederdeutschen (Altsächsischen)«, inSprachgeschichte (s. Fn. 4), S. 1 241–1 247.
  8. 8Thomas Klein, »Althochdeutsch und Altniederländisch«, in Willy Pijnenburg u. a., Hg., Quod vulgo dicitur. Studien zum Altniederländischen (ABäG 57), Amsterdam, New York 2003, S. 19–60.
  9. 9Zur Problematik der Lautverschiebungsgrenze und der anfänglichen Überschätzung ihrer sprachstrukturellen Relevanz vgl. z. B. Klein, ebd., S. 19 f.
  10. 10Leipzig, UB Rep. I. 4, folium 48vb.
  11. 11Vgl. Jochen Splett, »Lexikologie und Lexikographie des Althochdeutschen«, inSprachgeschichte (s. Fn. 4), S. 1196–1206, bes. S. 1197.
  12. 12Elias Steinmeyer und Eduard Sievers, Hg., Die althochdeutschen Glossen, 5 Bd., Berlin 1879–1922. Zitiert als »Gl« mit Band-, Seiten- und Zeilenangabe.
  13. 13Elias Steinmeyer, Hg., Die kleineren althochdeutschen Sprachdenkmäler, Berlin 1916.
  14. 14Ebd., S. 27, Z. 2.
  15. 15Zitiert nach Paul Piper, Hg., Die Schriften Notkers und seiner Schule, Freiburg (Breisgau), Tübingen 1883, Bd. 2, S. 145 mit den wörterbucheigenen Normalisierungen.
  16. 16Vgl. Ahd. Wb., Bd. 5, Sp. 271 f.
  17. 17Vgl. Gerhard Köbler, »Vom Umfang des Althochdeutschen«, in Harald Burger u. a., Hg., Verborum Amor, Berlin, New York 1992, S. 129–155, hier S. 135.
  18. 18Gl 1, 491, 51.
  19. 19München, Clm 18 140, 11. Jh., und Clm 19 440, um 1000.
  20. 20Carolus Vercellone, Hg., Biblia sacra vulgatae editionis Sixti V. et Clementis VIII. pontificis maximi iussu recognita atque edita, Romae 1861, S. 317.
  21. 21Vgl. Taylor Starck und John C. Wells, Althochdeutsches Glossenwörterbuch, Heidelberg 1972–1990, S. 395; so auch Jochen Splett, Althochdeutsches Wörterbuch. Analyse der Wortfamilienstrukturen des Althochdeutschen, zugleich Grundlegung einer zukünftigen Strukturgeschichte des deutschen Wortschatzes. Bd. I, 1 und 2, Bd. II, Berlin, New York 1993 (Dies ist aus dem Fehlen des Ansatzes mahha im alphabetischen Index Bd. II, S. 517 zu erschließen).
  22. 22Eberhard G. Graff, Althochdeutscher Sprachschatz oder Wörterbuch der althochdeutschen Sprache, 6 Bde. Berlin 1834–1842, hier Bd. 2, S. 648.
  23. 23Rudolf Schützeichel, Hg., Althochdeutscher und Altsächsischer Glossenwortschatz, 12 Bde., Tübingen 2004, hier Bd. 6, S. 229.
  24. 24Ebd., S. 240.
  25. 25Vgl. Gl 5, 428, 1 ff.
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Heft 2 (2009)
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