Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy
Streichquintette. Leipziger Ausgabe der Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, Serie III, Band 4. Herausgegeben von Clemens Harasim, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden/Leipzig/Paris 2017, XXV + 303 Seiten, 12 Abbildungen, Festeinband
Felix Mendelssohn Bartholdy widmete der Gattung Streichquintett zwei Kompositionen. Obwohl zwischen der ersten vollständigen Niederschrift des ersten Quintetts (MWV R 21) in Form einer Partiturreinschrift im Frühjahr 1826 und der Komposition des zweiten Quintetts (MWV R 33) in der ersten Jahreshälfte 1845 etwa zwei Jahrzehnte liegen, sind die formellen und musikalischen Gemeinsamkeiten beider Werke unverkennbar. Zu beiden Stücken sind diverse Skizzen und Entwürfe erhalten, die in diesem Band erstmals vollständig in diplomatischer Übertragung publiziert sind.
Das Quintett A-Dur ist noch unter dem Einfluss Zelters entstanden, jedoch maßgeblich von Eduard Ritz angeregt worden. Bereits vor den erfolgreichen Aufführungen durch Pierre Baillot in Paris 1831/32 bemühte sich Mendelssohn um die Drucklegung bei Breitkopf & Härtel, die schließlich in stark überarbeiteter Form im Jahr 1833 von Simrock in Bonn realisiert wurde. Bei jenen Pariser Aufführungen, bei denen Mendelssohn offenbar selbst als zweiter Bratscher mitwirkte, wurde von Interpreten das Fehlen eines langsamen Satzes im Quintett moniert; der frühe Tod des Geigenvirtuosen Eduard Ritz, von dem Mendelssohn Anfang Februar 1832 erfuhr, war schließlich der Anlass, einen langsamen, als Intermezzo bezeichneten Satz zu komponieren, der als musikalischer Nachruf für den Freund verstanden werden will. Da der ursprüngliche zweite, später als Scherzo bezeichnete Satz sich beim Publikum besonderer Beliebtheit erfreute, musste für das neu komponierte Intermezzo das durch raffinierte Kontrapunktik gekennzeichnete Menuett mit Trio weichen; zuvor schon war das gefälligere Scherzo an die dritte Position verschoben worden, sodass der neue, langsame Satz nun direkt auf den Kopfsatz folgen konnte. Im Zuge der Druckvorbereitung unterzog Mendelssohn die verbliebenen drei Sätze und dabei besonders die beiden Außensätze einer tiefgreifenden Überarbeitung, wobei er größere Abschnitte – überwiegend solche mit Themenverarbeitungen – von insgesamt etwa 130 Takten ersatzlos strich und somit das Quintett wesentlich kürzte. Aufgrund der eklatanten und alle Sätze des Quintetts betreffenden Unterschiede der gedruckten Fassung des Jahres 1833 zur Fassung, wie sie seit 1826 mehrmals und nachweislich zumindest in Berlin, London und Paris erklang, wird diese als »Frühfassung« im Anhang des Gesamtausgabenbandes als Vollabdruck präsentiert.
Das Quintett B-Dur ist allem Anschein nach auf Anregung von Ferdinand David und auch im Hinblick auf den neuerlichen Erfolg des gedruckten A-Dur-Quintetts komponiert worden. Die einzige erhaltene authentische Quelle, das Kompositionsautograph, enthält Korrekturen, die sich weitgehend einer von mindestens vier Revisionsschichten zuordnen lassen, wobei zumindest eine Schicht nach dem Zeitpunkt des eigentlichen Abschlusses des Kompositionsvorgangs, der durch die Schlussdatierung markiert ist, zu bestimmen ist. Vor allem Mendelssohns Änderungen im Finalsatz, von dem der Komponist im Oktober 1846 gegenüber Ignaz Moscheles behauptete, er »sei nicht gut«, sind tiefgreifend; neben dem Zusatz eines 22 Takte umfassenden Couplets schrieb er den Schluss der Komposition von etwa 35 Takten komplett neu. Zudem deuten weitere, meist nur skizzenhaft ausgeführte Notate in der Partitur auf einen weiteren, nicht abgeschlossenen Revisionsgang. Ein Druck war zu Lebzeiten nicht geplant.