Deutsche Wortfeldetymologie in europäischem Kontext, Band 4: Religion und Ethik
Von Bettina Bock, Susanne Zeilfelder und Sabine Ziegler, herausgegeben von Rosemarie Lühr, Reichert Verlag, Wiesbaden 2018, 284 Seiten, Festeinband
Im Frühjahr 2018 ist der dritte Druckband des Akademieprojekts »Deutsche Wortfeldetymologie in europäischem Kontext« erschienen. Das Projekt wird von Rosemarie Lühr geleitet. In diesem datenbankgestützten Projekt wird der auf den Menschen bezogene Wortschatz des Deutschen synchron und diachron untersucht. Dabei ist die Leitidee, dass sich Bedeutungswandel nicht isoliert an einzelnen Wörtern vollzieht, sondern jeweils in semantischen Feldern, in denen es im Lauf der Sprachgeschichte immer wieder zu strukturellen Veränderungen kommt. Das Eindringen von Fremdwörtern oder die Entstehung von Neologismen sind daher auch in ihrem systematischen Zusammenhang zu betrachten: Sie füllen semantische Lücken, beseitigen Ambiguitäten oder bereichern das Wortfeld um Wörter mit neuen Bedeutungsnuancen. Das Absterben von Wörtern wiederum kann durch Verdrängung ebenso wie durch das Obsoletwerden von Bedeutungen verursacht sein.
In den ersten drei Bänden der Reihe wurden »Der Mensch und sein Körper«, »Der Mensch im Alltag« sowie »Mensch und Mitmensch« untersucht. Im vorliegenden vierten Band geht es nun um den religiösen Wortschatz, der im Rahmen der Wortfeldtheorie eine besondere Herausforderung darstellt, denn die Wörter, die sich auf den religiös-ethischen Bereich beziehen, gehören gleichzeitig auch oft anderen Wortfeldern an. So hat ein polysemes Wort wie Kirche vier verschiedene Bedeutungen: »religiöse Institution«, »Gesamtheit der Gläubigen«, »Sakralgebäude« und »Messe«, die Bedeutungen greifen also auch auf Semantikbereiche wie »Sozialinstitutionen« oder »Architektur« aus. Auch die Abgrenzung der Schnittstelle zwischen Religion und Ethik musste im Rahmen einer merkmalbasierten Semantiktheorie neu definiert werden.
Diachron kann die Geschichte der religiös-ethischen Begrifflichkeit in manchen Fällen über das Urgermanische bis zurück ins Urindogermanische nachverfolgt werden, was den Beobachtungszeitraum für den semantischen Wandel erheblich vergrößert, andere Wörter entstehen erst im Zuge der zahlreichen religiösen Umbrüche. Religiöse Sprache ist nämlich keineswegs immer so konservativ, wie man gemeinhin annimmt, wenngleich sich der Wandel oft mit einer beachtlichen Verzögerung im Lexikon niederschlägt.