Direkt zum Inhalt | Direkt zur Navigation

Benutzerspezifische Werkzeuge
Anmelden
Bereiche

Wie Geschichte in Karten kommt

Der Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen

Einleitung und Begriffe

Bereits 1896, mit der Gründung der Königlich Sächsischen Kommission für Geschichte, wurde das Ziel definiert, einen historischen Atlas von Sachsen zu erarbeiten. Nach Abschluss zahlreicher notwendiger Vorarbeiten, wie der Erstellung der historisch-statistischen Grundkarten von Sachsen, der Erarbeitung des historischen Ortsverzeichnisses von Sachsen und verschiedener anderer Verzeichnisse, sowie nach der Bearbeitung einiger Atlaskarten in den 1960er bis 1980er Jahren durch den heutigen Projektleiter Prof. Dr. Karlheinz Blaschke konnte im Jahr 1992 eine Arbeitsstelle »Historischer Atlas von Sachsen« bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaften mit einer Laufzeit von 18 Jahren eingerichtet werden. Der folgende Beitrag legt die Grundlagen der Organisation der Atlasarbeit sowie der Konzeption des Werkes dar, gibt aber vor allem einen Einblick in die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Historikern, Geographen und Kartographen und will damit die Frage beantworten, wie historische Zusammenhänge auf Karten dargestellt werden können und welche Arbeits- und Abstimmungsprozesse dafür notwendig sind.

Im Jahr 1995 erfolgte eine Umbenennung des Kartenwerkes in »Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen«, wobei das Projekt weiterhin unter »Historischer Atlas von Sachsen« firmiert. Dies führt zur ersten Frage nach den Begriffen historisch und geschichtlich, aber auch danach, was einen Atlas eigentlich ausmacht. Die genannten Begriffe werden in den beteiligten Fachwissenschaften nicht immer eineindeutig benutzt. Es gibt aber eine Definition,1 wonach eine historische Karte eine alte Karte oder Altkarte ist. Dagegen handelt es sich bei einer Geschichtskarte um eine moderne Karte, die einen Sachverhalt der Geschichte zum Inhalt hat. Nach dieser Definition gibt es natürlich auch historische, also alte Geschichtskarten.

Ein Atlas besteht aus einer ziel- und zweckorientierten systematischen Vereinigung von Karten gleichen oder verwandten Maßstabes in Buchform, als Loseblattsammlung oder als elektronische Präsentation. Die regionale Ausdehnung eines Atlas kann von der Darstellung der ganzen Welt (Weltatlas), eines Staates (Nationalatlas), einer Region (Regionalatlas) bis hin zu kleinen regionalen Einheiten wie einer Stadt (Stadtatlas) reichen. Die Karten eines Atlas sind die grundrissbezogene graphische Repräsentationsform des georäumlichen Wissens, das durch kartographische Abbildungsbedingungen wiedergegeben wird. Die wesentlichen Eigenschaften einer Karte sind deren grundrissliche Verebnung, die maßstäbliche Verkleinerung, die notwendige Generalisierung (Auswahl, Vereinfachung) der Objekte aufgrund der Verkleinerung, die graphische Kodierung der Inhalte sowie ihre schriftliche Erläuterung. Im Gegensatz zu den topographischen Karten, die mit dem Gewässernetz, der Bodenbedeckung, der Bebauung, den Verkehrswegen, dem Relief usw. Objekte der Erdoberfläche und damit alle Elemente zur Orientierung und Tätigkeit des Menschen im Raum darstellen, gehören Geschichtskarten in die Kategorie der thematischen Karten. Darauf werden auch Objekte und Sachverhalte nicht topographischer Art aus der natürlichen Umwelt, aus dem Wirtschafts- und Sozialbereich der menschlichen Gesellschaft u. a., bei Geschichtskarten speziell geschichtliche Sachverhalte und Entwicklungsprozesse, auf einer topographischen Grundlage wiedergegeben. Zu betonen ist die Notwendigkeit, dass die darzustellenden Sachverhalte, Entwicklungen und Zustände einen räumlichen Bezug aufweisen.2 Ein Geschichtsatlas bietet entsprechend der Atlasdefinition eine exemplarische Darstellung der Entwicklungs- und Strukturgeschichte eines Raumes, wobei durch die gleichen oder ähnlichen Maßstäbe der Vergleich zwischen mehreren Karten möglich wird und damit Zusammenhänge zwischen verschiedenen Themen erkannt werden können.

Konzeption und Organisation

In den letzten Jahrzehnten wurden Geschichtsatlanten für einige Regionen Deutschlands bearbeitet, wobei die Namensgebung nicht immer eindeutig ist (vgl. oben):

  • Mitteldeutscher Heimatatlas (1935–1945); Neuauflage und Fortsetzung als Atlas des Saale- und mittleren Elbegebietes (1959–1961),
  • Historischer Atlas von Bayern (1950–heute),
  • Historischer Atlas von Baden-Württemberg (1972–1988),
  • Geschichtlicher Atlas von Hessen (1960–1978),
  • Historischer Handatlas von Brandenburg und Berlin (1962–1980),
  • Historischer Atlas von Schleswig-Holstein (1999–2004).

Die in der Aufzählung genannte Auswahl an Geschichtsatlanten weist unterschiedliche Konzeptionen und regionale Ausdehnungen auf. Für den Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen wurde in Anlehnung an die Arbeiten in Baden-Württemberg eine Loseblattsammlung von Karten mit dazugehörigen Beiheften gewählt.

Der Atlasplan ist in einer Art Baukastensystem nach Sachgebieten und Zeiträumen gegliedert:

Sachgebiete

  1. A. Landesnatur
  2. B. Siedlung und Bevölkerung
  3. C. Territorialentwicklungn
  4. D. Kriege und soziale Bewegungen, Militärwesen
  5. E. Kirche und Konfessionen
  6. F. Wirtschaft (Landwirtschaft, Bergbau, Gewerbe, Verkehr)
  7. G. Kultur (Sprache, Bildung, Baukunst)
  8. H. Historische Karten

Zeiträume

  1. I. Ur- und Frühgeschichte (vor 929)
  2. II. Mittelalter (929–1485)
  3. III. Frühe Neuzeit (1485–1815)
  4. IV. Neueste Zeit (1815–1945)
  5. V. Zeitgeschichte (1945–heute)

Die Karte »Das Kurfürstentum Sachsen am Ende des Alten Reiches 1790« beispielsweise, die die regionale Ausdehnung und innere Verwaltungsgliederung zeigt, findet sich so unter der Nummer »C III 5«, wobei die »5« eine einfache numerische Gliederung innerhalb von »C III« darstellt.3 Ein solches Baukastenkonzept hat den Vorteil, dass Themen, die bei der Erstellung des Atlasplanes nicht berücksichtigt wurden, nachträglich eingefügt werden können. Ebenso lassen sich Themen, von denen sich herausstellt, dass sie keinen räumlichen Bezug aufweisen oder ein ganzes Kartenblatt inhaltlich nicht tragen können, löschen oder mit anderen Themen zusammenlegen. Nachteile zeigt eine solche Gliederung bei der Einordnung sachlich oder zeitlich übergreifender Themen.

Die Atlaskarten haben das Format von 500 × 630 mm und werden in zwei Hauptmaßstäben bearbeitet. Im Maßstab 1 : 400 000 wird das Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen dargestellt (Abb. 1), der etwas kleinere Maßstab 1 : 650 000 präsentiert auf der gleichen Kartenfläche das Gebiet des Kurfürstentums/ Königreiches Sachsen, wie es bis 1815 bestand (Abb. 2). Daneben kommen vereinzelt Sondermaßstäbe wie 1 : 200 000 und 1 : 800 000 zur Anwendung, die aber durch ihr ganzes Vielfaches gut mit dem Maßstab 1 : 400 000 vergleichbar sind.

Abbildung 1: Übersicht des Darstellungsgebietes im Hauptmaßstab des Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen 1 : 400 000. Dieser Maßstab kommt hauptsächlich für Themen nach dem Jahr 1815 zur Anwendung, da hier neben dem heutigen Freistaat Sachsen das nach den Gebietsverlusten durch den Wiener Kongress verkleinerte Königreich Sachsen gut präsentiert werden kann. Abbildung 1: Übersicht des Darstellungsgebietes im Hauptmaßstab des Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen 1 : 400 000. Dieser Maßstab kommt hauptsächlich für Themen nach dem Jahr 1815 zur Anwendung, da hier neben dem heutigen Freistaat Sachsen das nach den Gebietsverlusten durch den Wiener Kongress verkleinerte Königreich Sachsen gut präsentiert werden kann.
Abbildung 2: Übersicht des Darstellungsgebietes im 2. Hauptmaßstab des Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen 1 : 650 000. Dieser etwas kleinere Maßstab dient der Präsentation des Kurfüstentums/Königreiches Sachsen bis 1815. Abbildung 2: Übersicht des Darstellungsgebietes im 2. Hauptmaßstab des Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen 1 : 650 000. Dieser etwas kleinere Maßstab dient der Präsentation des Kurfüstentums/Königreiches Sachsen bis 1815.

Das Hauptanliegen eines solchen Atlaswerkes sind naturgemäß die Karten. In diesem Sinn wird bei der Bearbeitung besonderer Wert auf die inhaltliche und graphische Qualität, Genauigkeit und Aktualität des Forschungsstandes gelegt. Geschichtskarten im Speziellen können jedoch je nach dargestellter Thematik sehr komplex sein und müssen stark abstrahieren. Auch lassen sich, wie noch gezeigt werden wird, zwar einzelne Aspekte räumlich und graphisch gut darstellen, dagegen ist die Interpretation einer solchen Karte stark vom Vorwissen des Nutzers und dem Wissen um die Gründe für bestimmte Entwicklungen abhängig. Da als Nutzer des Atlas neben der Wissenschaft auch Ortschronisten und interessierte Laien zur Zielgruppe gehören, gibt es zu jeder Karte ein interpretierendes Beiheft, das das notwendige geschichtliche Hintergrundwissen und Begriffserläuterungen bietet, Entwicklungslinien aufzeichnet und weiterführende Literatur nennt. Geplant ist die Herausgabe von rund 110 Themen (150 Karten).4

Der Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen – neben dem Vertrieb des Atlas obliegt dieser Einrichtung der Druck der Kartenblätter – ist zusammen mit der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig einer der beiden Herausgeber des Atlaswerkes. Die Akademie beherbergt die Arbeitsstelle, in der alle Arbeiten zusammenlaufen, und zeichnet für den Druck der Beihefte verantwortlich. Zu den Aufgaben der Arbeitsstelle gehört die Kommunikation und Abstimmung mit den Autoren und der Redaktionskommission, die Herstellung bzw. Korrektur bis zur Druckreife zahlreicher Karten, die wissenschaftlich-redaktionelle Durchsicht und Vorbereitung zum Satz der Beiheftmanuskripte sowie die Erstellung von Graphiken und Karten für die Beihefte. Die Redaktionskommission, bestehend aus Historikern, Kartographen und Geographen, trägt die wissenschaftliche Gesamtleitung, begutachtet alle eingehenden Manuskripte und die erarbeiteten Kartenentwürfe. Für die Kartenherstellung besteht eine Kooperationsvereinbarung mit dem Studiengang Kartographie der Fakultät Geoinformation der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Im Rahmen von studentischen Komplexbelegen werden die Entwürfe für zahlreiche Kartenblätter von Studenten in enger Zusammenarbeit mit den Autoren erarbeitet und verteidigt. In diesem Sinn dient der Atlas nicht nur als fertiges Produkt der Aus- und Weiterbildung im Studienbetrieb, sondern ist selbst Objekt der Ausbildung des kartographischen Nachwuchses – das führt aber auch dazu, dass nicht jeder Entwurf im ersten Anlauf gelingt. Die inhaltliche Hauptarbeit wird von den Autoren der einzelnen Themen geleistet. Außer einer fest angestellten Mitarbeiterin in der Arbeitsstelle der Sächsischen Akademie der Wissenschaften wird die gesamte inhaltliche und redaktionelle Arbeit auf ehrenamtlicher Basis geleistet.

Bisher konnten bereits 38 Themen mit 45 Kartenblättern veröffentlicht werden. Jedes Thema wird sofort mit der Fertigstellung von Karte und Beiheft in einer Auflage von normalerweise 800 Exemplaren veröffentlicht. Der Vertrieb des Atlaswerkes erfolgt über den Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen. Jedes Thema (Karte mit Beiheft) hat eine eigene ISBN und kann einzeln erworben werden, die Sammlung der losen Blätter ist in einer Kassette mit Register möglich.

Aufgrund der personellen Situation ist es bisher nicht möglich gewesen, zusätzlich zur Druckausgabe eine eigentlich notwendige und sinnvolle digitale Ausgabe der Atlasblätter zu veröffentlichen.

Wie entsteht eine Geschichtskarte

Geschichtskarten, also die Darstellung geschichtlicher Zustände, Entwicklungen oder Ereignisse auf einer topographischen Grundlage, weisen alle Merkmale von thematischen Karten auf und benutzen alle Darstellungsmittel der Kartographie. Kartendarstellungen können statischer, statistischer oder dynamischer Natur sein (Abb. 3). Die Wahl der Darstellung und der Ausdrucksmittel hängt vom Thema, der Intention des Autors – welche Aussage soll in den Vordergrund treten – und von den vorhandenen Daten ab.

Abbildung 3: Beispiele für statische (links5 Karlheinz Blaschke, Das Markgraftum Oberlausitz und das Amt Stolpen 1777, Leipzig und Dresden 2005. (= Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Karte C III 4).), statistische (Mitte6 Uwe Schirmer, Ertragsstrukturen der kursächsischen Ämter 1580, Leipzig und Dresden 2006. (= Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Karte F III 4).) und dynamische (rechts7 Andreas Kowanda, Kriegshandlung und Besetzung 1945, Leipzig und Dresden 1998. (= Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Karte D IV 6).) Kartendarstellungen. Abbildung 3: Beispiele für statische (links5), statistische (Mitte6) und dynamische (rechts7) Kartendarstellungen.

Grundsätzlich ist zu betonen, dass die Arbeit an Geschichtskarten ein interdisziplinäres Zusammenarbeiten zwischen Autoren (Historikern, Sprachwissenschaftlern, Militärwissenschaftlern, Wirtschaftswissenschaftlern, Geographen usw.) und Kartographen voraussetzt. Die besten Karten entstehen dann, wenn alle Beteiligten versuchen, ein möglichst umfassendes Verständnis für die Inhalte und Arbeitsweisen der beteiligten Disziplinen zu erreichen. Ohne genaue Kenntnis und das Verständnis der Intention des Autors und der Inhalte des Themas kann die kartographische Umsetzung nicht nur ungenau, sondern regelrecht falsch werden. Andererseits setzt die graphische Umsetzung eines komplexen Zusammenhangs Grenzen, die dem Autor genannt und von diesem akzeptiert werden müssen. Um sinnvoll nutzbar zu sein, muss die Karte das Gleichgewicht halten zwischen Inhaltsdichte und Übersichtlichkeit.

Es lässt sich die Arbeit an den Karten und Beiheften im Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen immer nur vorläufig und grob schematisieren. (Abb. 4) Trotz der Erstellung der Karten als Teil eines Atlas mit allen ihren Ähnlichkeiten in Bezug auf den Maßstab und teilweise auch die Darstellungsmittel (siehe unten) ist jedes Thema ein Unikat in der Bearbeitung und muss unabhängig von den anderen betrachtet werden. Die Reihenfolge und Vorgehensweise in der Arbeit hängt stark von den vorhandenen Vorlagen, den Datengrundlagen und den beteiligten Autoren und Mitarbeitern ab.

Prinzipiell stellt der Atlasplan das Grundgerüst für die Themenwahl dar. Allerdings können auch andere Themen nachträglich eingefügt und die genannten Titel konkretisiert werden. Die Bearbeitung von Karte und Beiheft verläuft weitgehend parallel. Zunächst wird vom Autor eine verbale Konzeption mit Angabe der sachlichen, räumlichen und zeitlichen Einordnung erwartet. Auf der Grundlage der vom Autor zur Verfügung gestellten Daten, die vollständig sein müssen, kann die kartographische Konzeption erfolgen, die die Festlegung des Maßstabes, die Gliederung des Inhaltes nach darstellerischen Kriterien und die Typisierung der Daten umfasst. Während der Autor an seinem Manuskript arbeitet, kann die Kartengestaltung anhand eines ersten Entwurfs der Karte erfolgen.

Das erste Augenmerk liegt auf der Bearbeitung der Grundkarte (Basiskarte: topographische Bezugsgrundlage als Lagebezug für die thematische Kartierung und Orientierung bei der Kartennutzung) und der Wahl der Grundkartenelemente. Diese sind abhängig von dem darzustellenden Thema. Unerlässliche Grundkartenelemente sind:

  • Rahmen und Gradnetz,
  • Gewässernetz,
  • Administrative Grenzen (hier speziell auch Gemarkungsgrenzen),
  • Siedlungsnetz vollständig oder in Auswahl mit der entsprechenden Beschriftung.

Dazu können je nach Thema die Bodenbedeckung (insbes. Waldflächen), das Verkehrsnetz (in Auswahl), das Relief (als Höhenschichten, ein- oder mehrfarbige Schummerung) und andere topographische Elemente dargestellt werden. Allgemein gilt für die topographischen Elemente, dass diese in Auswahl und graphisch abgeschwächt erscheinen und, sofern möglich, dem in der Thematik dargestellten Zeitraum ensprechen sollten. Da dies nicht immer geht, muss ein Hinweis auf den Zeitbezug der Elemente in der Legende erfolgen. Der Zeitbezug hat ebenfalls bei der Beschriftung (z. B. bei der Schreibweise von Ortsnamen) Bedeutung. Im Atlas wird das Gewässernetz meist für das Jahr 1900 dargestellt, kann aber auch für das Jahr 1800 oder 2000 eingefügt werden. Ähnliches gilt auch für die administrativen Grenzen, die für mehrere Zeitschnitte vorliegen. Zu beachten ist die Wahl des Zeitschnittes vor allem bei der Nutzung von Reliefschummerungen. Mit Rücksicht auf die großen sächsischen Tagebaugebiete und die dadurch bedingten Flussumleitungen würden Teile des Gewässernetzes mit dem Stand 1900 über später aufgeschüttete Berge oder durch die Tagebaue hindurchfließen.

Abbildung 4: vereinfachtes Technologieschema der Herstellung eines Themas (Karte und Beiheft) im Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen. Abbildung 4: vereinfachtes Technologieschema der Herstellung eines Themas (Karte und Beiheft) im Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen.

Ein wesentlicher Punkt der Kartengestaltung ist die Wahl der Kartenzeichen. Diese kodieren den darzustellenden Inhalt, so dass die Informationen übersichtlich auf der Karte platziert werden können. Aus den graphischen Grundelementen Punkt, Linie und Fläche und deren Variation nach Form, Muster (Schraffur), Farbe, Tonwert (Helligkeit), Größe und Orientierung (graphische Variablen nach Bertin8) entstehen die kartographischen Mittel zur Konstruktion des Zeichensystems. Als Ergebnis von punkt-, linien- und flächenbezogenen Darstellungsmethoden entstehen qualitative und/oder quantitative Aussagen. Zusammen mit den Darstellungselementen Signatur/Diagramm, Farbe/Halbton und Schrift sowie den graphischen Variablen lassen sich alle Elemente einer Karte entwickeln. Den vorhandenen Daten und den zu erzielenden Aussagen sinnvolle und vor allem richtige Darstellungsmethoden zuzuweisen und diese auf der Karte im Zusammenspiel mehrerer Elemente wiederzugeben, ist die entscheidende Herausforderung für den Kartographen. Insbesondere die korrekte Wiedergabe von Qualitäten und Quantitäten und bei letzteren vor allem auch die richtige Unterscheidung und Umsetzung von absoluten und relativen Werten fordert die genaue Kenntnis der Darstellungsmittel. Nur der bewusste Einsatz der vorhandenen Mittel und Möglichkeiten und das Wissen um deren Wirkung können Falschaussagen und den Verdacht der Manipulation vermeiden. Außerdem ist auf die Kartenbelastung (Dichte der Darstellung) Rücksicht zu nehmen, um ein hohes Maß an Übersichtlichkeit und Lesbarkeit zu gewährleisten.

Ein ebenso wichtiger Punkt bei der Konzeption der Karte ist die Schrift, durch welche die dargestellte Thematik erläutert wird. Beschriftung findet häufig bei den topographischen Grundlagenelementen, also im Gewässernetz, im Straßennetz (z. B. Nummern von Autobahnen) und im Siedlungsnetz (Ortsnamen) statt. Die Schrift dient der Erläuterung der Kartenzeichen und soll helfen, gleiche Signaturen zu unterscheiden. Für die Beschriftung gilt besonders die Berücksichtigung und Angabe des Zeitbezuges. Sie kann historisch oder modern erfolgen, muss aber unbedingt einheitlich sein. Historische Schreibweisen können bei Identifizierungsproblemen u. U. durch die moderne Angabe ergänzt werden. Im Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen wird meist die Schreibweise um 1900 genutzt. Für Themen der Zeitgeschichte kommt die aktuelle Schreibweise von Namen zum Einsatz.

Kartengestalterische Regeln lassen sich ohne farbige Abbildungen nur unzureichend erläutern. Es sei hier darauf hingewiesen, dass Signaturen möglichst einfach gehalten werden sollten, das Signaturengewicht beachtet werden muss, die Signaturen Gruppen in Größe, Form und Farbe bilden sollten (Bsp. Karte »B II 1, Herrschaftliche Güter bis zur bürgerlichen Agrarreform«9) und bei Farbflächen das Farbgewicht zu beachten ist (große Flächen heller, kleine Flächen dunkler). Außerdem ist die Nutzung eines Leitfarbenprinzips anzustreben, indem für gleiche oder ähnliche Themen gleiche und ähnliche Farben genutzt werden (beispielsweise kirchliche oder städtische Gebiete, Staatsgebiete usw.). Immer ist aber auch die Ästhetik der einzelnen Karte zu berücksichtigen, wodurch letztlich jede Karte als Einzelprodukt hergestellt werden muss.

Die genannten kartographischen Arbeiten werden in einem Musterausschnitt oder einem ersten Kartenentwurf zusammengeführt, anhand dessen die Darstellung überprüft und optimiert werden kann. An dieser Stelle ist vor allem der Autor gefordert, der entscheiden muss, inwieweit die Präsentation des Inhaltes und die dadurch erzielten Aussagen seinen Vorstellungen und Zielen entsprechen.

Bei Vorliegen von Karte und Beiheftmanuskript folgen zahlreiche Korrekturdurchläufe. Die Karte wird durch den Autor auf ihre inhaltliche Genauigkeit und die Vollständigkeit der Daten geprüft. Außerdem müssen Karte und Manuskript aufeinander abgestimmt werden. Unabhängig davon wird der Textcontent-1"><a aktion unterworfen, zur Erläuterung des Themas werden notwendige Graphiken, Textkarten und/oder Diagramme erstellt und das gesamte Manuskript zum Satz vorbereitet. Danach wird die Karte noch einmal überarbeitet und zum Druck vorbereitet. Diese Punkte klingen recht einfach, sind in der Regel aber sehr zeitaufwendig. Nicht selten kommen beim Proof der Karte, also bei der Drucksimulation, Datenfehler zum Vorschein, die vorher nicht zu erkennen sind. Auch die Wiedergabe der Farben kann erst jetzt realistisch eingeschätzt werden und erfordert oftmals Nacharbeit.

Die Bearbeitung eines Themas ist mit dem Druck von Karte und Beiheft abgeschlossen. In den seltensten Fällen können beide Teile gleichzeitig abgeschlossen und gedruckt werden. Erst bei Fertigstellung von Karte und Beiheft zu einem Thema gelangt die Publikation beim Staatsbetrieb Geobasisinformation und Vermessung Sachsen in den Vertrieb und kann als Einzelblatt mit Beiheft käuflich erworben werden.

Die Bearbeitungsdauer für ein Thema (Karte und Beiheft) abzuschätzen, ist schwierig. Die Bearbeitung ist von vielen Faktoren abhängig. Neben der Frage nach dem Umfang der vorhandenen Vorarbeiten und Forschungsergebnisse spielt auch eine Rolle, wieviel Zeit ein unentgeltlich arbeitender Autor in die Bearbeitung investieren kann. Grob lässt sich feststellen, dass der Aufwand für das Quellenstudium für 100 Manuskriptseiten Text etwa identisch ist mit demjenigen für die Herstellung einer Karte im Atlasformat (rund 5 Seiten A4). Unter der Voraussetzung einer Bearbeitung ohne Pausen kann für ein Beiheft von etwa 11–22 Monaten, für eine Karte von etwa 17–27 Monaten ausgegangen werden.

Was kann eine Geschichtskarte und was kann sie nicht

Eine Karte ist bei richtiger Herstellung ein Informationsmittel mit spezifischem Informationsgehalt bei optimaler Informationsmenge. Speziell bei thematischen Karten, in unserem Fall vor allem Geschichtskarten, werden Themen dargestellt, die nicht auf der Erdoberfläche sichtbar sind. Gegenüber einem Text kann eine Karte einen 10–25fachen Informationsgehalt auf gleicher Fläche darbieten. Die angegebenen Werte stellen ungefähre Angaben dar, die je nach Thema, Inhaltsdichte und Gestaltung der Karte variieren.

Sprache kann nur einen Teil unserer Vorstellungen angemessen wiedergeben. Vorteile liegen hier in der Erschließung des kausal-funktionalen Bereiches unseres Denkens, d. h. bei der Erläuterung von Ursachen bestimmter Entwicklungen und dem Hintergrund von Entscheidungen. Dagegen lassen sich räumliche Vorstellungen nicht oder nur andeutungsweise wiedergeben. Das Nebeneinander von Fakten im Raum kann Sprache lediglich zeitlich aufeinanderfolgend beschreiben, ohne dabei den räumlichen Überblick zu gewähren bzw. zu gewährleisten. Diesen Überblickscharakter hat nur die Karte. Ereignisse und Inhalte werden verortet, d. h. im Raum lokalisiert. Dies ist nur möglich, wenn die vorhandenen Daten einen Raumbezug aufweisen. Nur dann ist eine Karte auch das richtige Medium. Außerdem macht eine Karte Verteilungen und Beziehungen sichtbar und zwar sowohl inhaltlich als auch räumlich.

Dabei ist sie nicht nur Darstellungs-, sondern gleichzeitig auch Forschungsmittel. Nicht selten entstehen aufgrund der Darstellung neue Forschungsfragen bzw. lassen sich weitere Entwicklungen und Zusammenhänge ablesen. Der Atlas mit seinen Karten im gleichen Maßstab geht dabei noch einen Schritt weiter, indem auch mehrere Karten verschiedener Themen miteinander verglichen und Beziehungen oder Abhängigkeiten deutlich werden können. Dadurch ist ein weiterer Erkenntnisgewinn möglich. Nicht zuletzt können durch spezielle, auch statische Darstellungen Entwicklungen verdeutlicht werden. Exemplarisch sei hier die Karte »B II 4, Hoch- und spätmittelalterliche Burgen« genannt, auf der das Vorrücken der Burganlagen von West nach Ost durch die Farbe der Signaturen (= Alter der Anlagen nach dem Darstellungsprinzip: je älter desto dunkler) eindrücklich aufgezeigt wird.

Im Gegensatz zur Sprache besitzt die Karte allerdings kategorischen Charakter. Sie fordert definitive Entscheidungen, auch bei unsicherer Datenlage. Zwar lassen sich Unsicherheiten auch als unsicher darstellen (gerissene Grenzen, Darstellung von Säumen statt Grenzlinien), trotzdem muss die Eintragung an einem bestimmten Punkt erfolgen. Bei Unwissen über die Lage eines Ortes oder eines Ereignisses muss entschieden werden, ob eine Darstellung erfolgt oder nicht. Jedem Symbol muss ein bestimmter Platz, eine Gestalt und Größe zugewiesen werden. Problematisch bei diesen Dingen ist der große Unbekannte – der Nutzer. Denn ob dieser eine gewählte Darstellung auch richtig interpretiert, kann nie garantiert werden. Die Sprache kann hier besser arbeiten, indem Unsicherheiten genannt und entsprechend abgewogen werden. Unsicheres, Unbestimmtes, Unvollständiges kann angedeutet und beschrieben werden, ohne den Wert der Aussage in Zweifel zu ziehen.

Fazit

Die Herstellung von Geschichtskarten erfordert die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Beteiligten unterschiedlicher Fachdisziplinen. Dabei ist die kartographische Umsetzung der Inhalte eines Themas nicht einfach eine technische Ausführung. Um die Inhalte richtig zu strukturieren sowie vollständig und sachlich richtig darzustellen, bedarf es des inhaltlichen Verständnisses durch den Kartographen, des Wissens um die graphischen Grenzen einer Karte durch den Autor sowie einer intensiven Kommunikation.

Gleichzeitig besitzt die Kartenherstellung künstlerische Aspekte. Zwar lassen sich Karten ohne Anspruch auf die graphische Komposition erstellen, meist leidet in diesen Fällen aber die Lesbarkeit und Anschaulichkeit. Eine gut lesbare Karte zeichnet sich auch durch ihre Ästhetik aus. Der Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen hat sich zum Ziel gesetzt, sowohl den wissenschaftlichen als auch den ästhetischen Aspekt bei der Bearbeitung der einzelnen Karten zu berücksichtigen und den Aufwand bei der Herstellung wissenschaftlich korrekter und dabei lesbarer und graphisch ansprechender Karten nicht zu scheuen.

Nicht umsonst will der Atlas nicht nur Forschungsmittel sein, sondern auch durch Erkenntnisgewinne neue Forschungen anregen. Dass die kartographische Umsetzung von Themen selbst den Autoren oftmals neue Einblicke in ihre Thematik bringt, wird immer dann deutlich, wenn ein Autor zum ersten Mal auf den Entwurf »seiner« Karte blickt und erstaunt und begeistert feststellt, dass er/sie sich das so nicht vorgestellt hat, dass ganz neue Verbindungen zwischen einzelnen Objekten zutage kommen.

Was sich inhaltlich aus dem Vergleich mehrerer Karten des Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen ableiten lässt, wird an einem Beispiel in dem Beitrag von Michael Wetzel erläutert.

Nicht zuletzt soll an dieser Stelle auf die rasanten technischen Entwicklungen der letzten zwanzig Jahre hingewiesen werden, die auch auf die Kartographie großen Einfluss haben. Wurden die ersten Karten des Atlas in den 1990er Jahren noch manuell als Foliengravur erstellt, wird heute mit graphikbasierten Programmen gearbeitet. Dabei ist die Entwicklung bereits fortgeschritten und für die zahlreichen vorhandenen Vorarbeiten müsste eigentlich die Nutzung von GI-Systemen10 mit nachträglicher graphischer Überarbeitung erfolgen. Diese Umstellung ist aufgrund des planmäßigen Endes der Projektfinanzierung 2010 bisher nicht erfolgt.

  1. 1Rudi Ogrissek und Werner Stams, »Stichwort ›Historische Karte‹«, inBrockhaus ABC-Kartenkunde, Leipzig 1983, S. 243.
  2. 2Andreas Kowanda, »Grundsätze der Kartengestaltung«, inSächsische Heimatblätter 1/2006, S. 8–10.
  3. 3Der Atlasplan mit allen geplanten sowie den bereits veröffentlichten Themen kann im Internet unter www.geschichtsatlas-sachsen.de eingesehen werden.
  4. 4Siehe Fußnote 3.
  5. 5Karlheinz Blaschke, Das Markgraftum Oberlausitz und das Amt Stolpen 1777, Leipzig und Dresden 2005. (= Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Karte C III 4).
  6. 6Uwe Schirmer, Ertragsstrukturen der kursächsischen Ämter 1580, Leipzig und Dresden 2006. (= Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Karte F III 4).
  7. 7Andreas Kowanda, Kriegshandlung und Besetzung 1945, Leipzig und Dresden 1998. (= Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Karte D IV 6).
  8. 8Jacques Bertin, Graphische Semiologie. Diagramme, Netze, Karten, Berlin 1974.
  9. 9Siehe www.geschichtsatlas-sachsen.de → Atlasplan/Themen → B II 1, Herrschaftliche Güter bis zur bürgerlichen Agrarreform.
  10. 10GIS – GeoInformationsSystem.
loading ....
Artikel Navigation
Heft 3 (2009)
Beiträge Diskussionen Berichte & Notizen
Footer - Zusätzliche Informationen

Logo der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig Sächsische Akademie
der Wissenschaften

ISSN:
1867-7061

Alle Artikel sind lizensiert unter:
Creative Commons BY-NC-ND

Gültiges CSS 2.1
Gültiges XHTML 1.1