Johann Christoph Gottsched: Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe.
Unter Einschluß des Briefwechsels von Luise Adelgunde Victorie Gottsched. Im Auftrage der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig herausgegeben von Detlef Döring und Manfred Rudersdorf.
Band 3: 1734–1735, herausgegeben und bearbeitet von Detlef Döring, Rüdiger Otto und Michael Schlott unter Mitarbeit von Franziska Menzel, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2009, XLVIII + 550 Seiten.
Im Frühjahr 2009 ist der dritte Band der Edition des Briefwechsels Johann Christoph Gottscheds und seiner Frau erschienen (vgl. die Anzeige zu Band 2 im 1. Heft der »Denkströme«, S. 123–125). Er enthält die Texte der überlieferten insgesamt 195 Briefe der Jahre 1734/35. Davon stammen lediglich sechs aus der Feder Gottscheds. Immerhin 35 sind von Frau Kulmus bzw. Gottsched verfasst worden.
Mit seiner Ernennung zum Professor für Logik und Metaphysik (1734) sowie seiner Hochzeit mit Luise Adelgunde Victorie Kulmus (1735) ist Gottsched nun in Leipzig fest etabliert. Der Heirat waren verschiedene Schwierigkeiten vorausgegangen, von denen wir durch die Briefe der in Danzig wohnenden Braut erfahren. Mit diesen im vorliegenden Band abgedruckten insgesamt dreißig Schreiben sind nun alle überlieferten sogenannten Brautbriefe (geschrieben zwischen 1729 und 1735) der Luise Kulmus erstmals historisch-kritisch ediert worden. Da die Originale unwiederbringlich verloren gegangen sind, kann freilich auch unsere Ausgabe dieses Corpus, das zu den berühmtesten Sammlungen von Frauenbriefen des 18. Jahrhunderts zählt, nicht in authentischer Form bieten.
Ein Thema vieler Briefe bildet die von Gottsched als Senior geleitete »Deutsche Gesellschaft« in Leipzig, deren Bedeutung und Anerkennung stetig anwächst. Viele Korrespondenzpartner möchten Mitglieder der Sozietät werden oder eigene Beiträge in deren Publikationsorganen veröffentlichen. Überhaupt erfahren wir viel über die Entstehung dieser für die Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft wichtigen Sammelbände und Periodika. Bis ins ferne Wien erstrecken sich die Verbindungen, wo der Sprachforscher Johann Balthasar von Antesperg an einer Grammatik der deutschen Sprache arbeitet und die Leipziger Gesellschaft um Unterstützung bittet. Die von Gottsched angestrebte kurfürstlich/königliche Privilegierung der »Deutschen Gesellschaft« kann trotz aller Bemühungen aber auch in diesen Jahren nicht erreicht werden. Vor diesem Hintergrund kommt es zu Verhandlungen zwischen Gottsched und dem Präses der Gesellschaft, Johann Lorenz Mosheim in Helmstedt, über eine Verlegung der Sozietät nach Göttingen, wo eine neue Universität im Entstehen begriffen ist.
Die wichtigste Publikation Gottscheds aus den Jahren 1734/35 ist sicher der zweite Band seiner »Ersten Gründe der Weltweisheit«. Dieses ganz der Philosophie Christian Wolffs verpflichtete Werk findet an den Universitäten und Schulen wachsende Verbreitung. Das bezeugt auch der vorliegende Briefwechsel, der z. B. die sonst nirgends verzeichnete Nachricht übermittelt, Gottsched habe den Plan gehegt, seine »Weltweisheit« in die Form eines großen Lehrgedichtes umzugießen. Von anderer Seite kommt die Anregung, Gottsched möge eine für den Gebrauch unter der Jugend gedachte Anleitung zur Aneignung des Gottesgelahrtheit verfassen. Darauf geht der Leipziger Professor jedoch nicht ein. Der wohl merkwürdigste Briefpartner Gottscheds im Zusammenhang mit der Diskussion um sein Philosophielehrbuch ist der Oberlausitzer Christian Gottlieb Priber, der Jahre später in Nordamerika die ganz von utopischen Ideen geprägte Kolonie »Kingdom of Paradise« gründen wird.
Ein anderes die Schulen berührendes Thema ist die Beschäftigung mit der deutschen Sprache, die in vielen Gymnasien nur ein Randdasein fristet. Lehrer, die sich für die Aufwertung der Muttersprache einsetzen, berichten Gottsched von den großen Schwierigkeiten, die diesem Bestreben, die Monopolstellung des Lateins zu durchbrechen, entgegenstehen. Weiterhin ist Gottsched auch mit der Förderung des deutschen Theaters beschäftigt. Das Ehepaar Neubert reist mit seiner Schauspielergruppe durch Deutschland, um u. a. Gottscheds Musterstück »Der sterbende Cato« aufzuführen – mit Erfolg, jedenfalls wissen die von den einzelnen Orten ausgehenden Briefe der Theaterprinzipale davon zu berichten. Größtes Interesse bringt Gottsched weiterhin dem Übersetzungswesen entgegen. Er selbst wird zu solchen Arbeiten aufgefordert, so durch Johann Jakob Bodmer, der die Verdeutschung einer Schrift über die Poesie des berühmten italienischen Gelehrten Ludovico Antonio Muratori anregt. In der Regel sind es jedoch Übersetzer, die sich an Gottsched wenden. In Weißenfels arbeitet der Lehrer Heinrich Engelhard Poley an der Übertragung von Lockes »Essay concerning human understanding«, d. h. er hegt diese Absicht. Jedoch, es fehlt ihm die originalsprachige Vorlage. Gottsched soll ihm helfen. In Schlesien beschäftigt sich Abraham Gottlob Rosenberg mit der Übersetzung der vielbändigen Predigtsammlung von Jacques Saurin. In Schleswig hat Ludwig Friedrich Hudemann Jean Racines Tragödie »Phädra« verdeutscht. Weitere Beispiele ließen sich anführen. Immer wieder wird Gottsched um Rat und Hilfe gebeten. Das gilt auch für Gottscheds Tätigkeit als Hochschullehrer. Im wachsenden Maße wird er von Eltern von Studenten, von deren Schullehrern oder von ihnen selbst um Unterstützung gebeten – für die Planung des Studienverlaufs, für die Vermittlung einer Unterkunft, für die Erlassung von Studiengebühren, für die Erlangung von Stipendien oder Anstellungen (z. B. als Hauslehrer). So wird die Gottsched-Korrespondenz nach ihrem Abschluss auch eine hervorragende Quelle für die Beschäftigung mit dem Studienbetrieb und dem Studentenleben des 18. Jahrhunderts darstellen.
Auch der vorliegende Band dokumentiert somit Gottscheds zentrale Stellung innerhalb der deutschen Aufklärungsbewegung, tätig nach allen Seiten und auf den unterschiedlichsten Gebieten. Band 4 der Edition, der die Briefe der Jahre 1736 und 1737 der Forschung zugänglich machen wird, ist ab Frühjahr 2010 ebenfalls auf dem Buchmarkt erhältlich.