Wege zur Edition der Sachsenspiegelglosse-Landrecht des Johann von Buch1
Die Jahrhunderte umfassenden Bemühungen zur kritischen Edition der Glossen zum Sachsenspiegel, im Besonderen zum Landrecht, stehen im Mittelpunkt der folgenden kurzen Ausführungen. Es soll versucht werden, die Frage zu beantworten, warum es nahezu 250 Jahre dauerte, bis eine kritische Ausgabe der Sachsenspiegelglosse-Landrecht des Johann von Buch vorgelegt werden konnte. Dazu bedarf es zunächst dreier kurzer Vorbemerkungen, die in die Thematik einführen und einen Beitrag zum Verständnis des folgenden Textes liefern sollen:
- 1. Was sind Rechtsbücher (der Sachsenspiegel)?
- 2. Was ist eine Glosse?
- 3. Wer war Johann von Buch?
1. Was versteht man also unter Rechtsbüchern? Als »Rechtsbücher« werden hierzulande die in der Zeit zwischen 1200 und 1500 entstandenen Aufzeichnungen des deutschen Rechts bezeichnet. Die Rechtsbücher stellen Privatarbeiten von Rechtsgelehrten dar, die das geltende Gewohnheitsrecht ihrer jeweiligen heimatlichen Region, das bis dahin fast ausschließlich mündlich tradiert worden war, niederschrieben. Die Rechtsbücher sollen nicht im amtlichen Auftrag entstanden sein und sie stellen keinen obrigkeitlichen gesetzgeberischen Akt dar. Jedoch erlangten sie im Zuge ihrer Anwendung bald gesetzesgleiche Wirkung.2 Neben dem Mühlhäuser Reichsrechtsbuch3 ist der Sachsenspiegel das älteste und aufgrund seiner weiten Verbreitung eines der bedeutendsten deutschen Rechtsbücher. Er entstand zwischen 1220 und 1235. Sein Verfasser war Eike von Reppichau.4 Reppichau liegt in der Nähe von Dessau, der Entstehungsort der Quelle selbst ist nicht sicher. Die Forschung bietet mehrere Orte an. Neben der Burg Falkenstein bei Quedlinburg wurde letztlich auch Altzella bei Nossen in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht.5 Wie dem auch sei, der Sachsenspiegel stellt nach Friedrich Ebel das »erste bedeutende deutschsprachige Prosawerk des Mittelalters« dar.6 Hans Peter Schneider sah 1994 im Sachsenspiegel gar »ein Rechtsbuch von europäischem Rang«.7 Dem Zeitgeist dürfte mit dieser Einschätzung Genüge getan sein.
Der Name Sachsenspiegel erklärt sich nach Eike wie folgt: eyn speygel der Sassen schal dit bok sin ghenant, went der Sassen recht is hire an bekant, alse an eneme speygele de vrowen ere antlat beschouwen8 – im heutigen Deutsch etwa: »Ein Spiegel der Sachsen sei dies Buch genannt, denn der Sachsen Recht wird hieraus bekannt, wie in einem Spiegel die Frauen ihr Antlitz beschauen.« Hinzuweisen ist an dieser Stelle noch auf vier bebilderte Sachsenspiegelhandschriften, die nach ihren Aufbewahrungsorten benannt sind: Dresden, Heidelberg, Oldenburg und Wolfenbüttel.9
2. Was ist eine Glosse? Der Begriff γλῶσσα stammt aus dem Griechischen. Im Mittelniederdeutschen lautet er »Glosa«. Er hat im Laufe der Zeit einen mehrfachen Bedeutungswandel erfahren. Die letzte Bedeutungserweiterung des Wortes »Glosa« finden wir im 12. Jahrhundert bereits ausgeformt, nämlich im Sinne von Erklärung überhaupt. Die Literaturform der Glosse hat sich aus der exegetischen, d. h. »erklärenden« Unterrichtsmethode, wie sie die Rechtslehrer an der bedeutenden mittelalterlichen Rechtsschule in Bologna praktizierten, entwickelt. Denn diese erläuterten in ihren Vorlesungen den Text der berühmten Gesetzessammlung des byzantinischen Kaisers Justinian – die wir heute als Corpus iuris civilis bezeichnen – Titel für Titel, Satz für Satz und Wort für Wort. Die anfänglich knapp gefassten Anmerkungen, die sich an einzelne Worte des Textes anschlossen, um einen Sachverhalt zu erörtern, wurden nach und nach, über die reine Worterklärung hinaus, zu juristischen Erläuterungen erweitert. Auf diese Weise entstanden ganze Glossenapparate.
In der Mitte des 13. Jahrhunderts fasste der Bologneser Rechtslehrer Franciscus Accursius10 die Arbeit der vorangegangenen Glossatorengenerationen in einem Glossenapparat zum Corpus iuris civilis zusammen (Abb. 1).
Diese sogenannte Glossa ordinaria verdrängte die älteren Glossenapparate aus dem Gebrauch und sie bildete dann auch das Vorbild für die Glossierung des Sachsenspiegel-Landrechts sowie des Sachsenspiegel-Lehnrechts. Der Sachsenspiegel besteht also aus zwei Teilen, dem Landrecht und dem Lehnrecht. Etwa 100 Jahre nach der Entstehung des Sachsenspiegels, um 1325, wurde, vermutlich in der Altmark, erstmalig eine Glosse, also eine Art Kommentar, zum Landrechtsteil dieses Rechtsbuches verfasst. Ihr genialer Schöpfer war Johann von Buch. Er versuchte, die Rechtsgrundsätze des Sachsenspiegels mit denen des Corpus iuris civilis und des Corpus iuris canonici (dem geltenden Kirchenrecht) in Einklang zu bringen. Er leistete hiermit einen wichtigen Beitrag zur Rezeption des Römischen Rechts, wobei er auch sprachschöpferisch tätig wurde. Musste er doch Sachverhalte des Römischen Rechts ins Mittelniederdeutsche übertragen, ohne auf Vorbilder zurückgreifen zu können.
3. Wer war Johann von Buch?11 Sein Geburts- und Todesdatum sind unbekannt. Das Geburtsdatum um 1290 ist erschlossen aus einem Eintrag in den Matrikeln der Universität Bologna zum Jahre 1305 (Alter von 15 Jahren), wo übrigens neben Johann von Buch auch ein »Johann« von Kerkow, also ein weiterer Altmärker, als Student der Rechte genannt ist (Abb. 2 und 3).
Beide Familien, die von Buch und die von Kerkow, waren eng verbunden. Es gilt also für die Identifizierung des Johann: Wo ein Kerkow da ein Buch, und wo ein Buch da ein Kerkow. Ein von Kerkow heiratete später eine Tochter des Johann von Buch. Johanns Vater und sein Großvater dienten in herausgehobenen Positionen am Hofe der askanischen Markgrafen von Brandenburg. Seine Familie soll sich im Übrigen nach einem Ort in der Nähe von Tangermünde namens Buch benannt haben.
131312, nicht wie bisher angenommen 1321, lässt sich Johann wieder in Brandenburg nachweisen. Die Frage, inwieweit die Studentenzeit in Bologna Johanns Persönlichkeit insgesamt prägte, ist bisher nicht genügend beantwortet. Sicher ist indes, dass Johann seit der Herrschaftsübernahme der Wittelsbacher in der Mark Brandenburg 1323 in deren Dienst stand. Er steigt auf zum capitaneus generalis, zum Landeshauptmann, und zum iudex curiae, zum Hofrichter, der Mark Brandenburg. Er ist zwischen 1323 und etwa 1350 einer der engsten Vertrauten des Markgrafen (Ludwig d. Älteren, Sohn Kaiser Ludwigs des Bayern). Mehr als 300 Urkunden zeugen von seiner Tätigkeit in dieser Zeit. Dieser Quellenfundus ist bisher nur ungenügend ausgewertet und er ist vor allem nicht in Beziehung zu seinen Glossen zum Sachsenspiegel- Landrecht gesetzt worden. Johann ist wohl zwischen 1352 und 1354 gestorben. Nach dieser Zeit begegnen wir in den Quellen noch seinem Sohn gleichen Namens.
Diese kurzen Bemerkungen müssen zum Verständnis des Folgenden genügen. Widmen wir uns nun den Bemühungen zur Realisierung eines textkritischen Druckes13 der Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht.
Zunächst ist Christian Ulrich Grupen (1692–1767), Jurist und seit 1725 zweiter Bürgermeister von Hannover, zu nennen, der nicht nur den Beweis lieferte, dass Johann von Buch der Autor der Sachsenspiegelglosse (Landrecht) war, sondern der sich auch um die Realisierung eines kritischen Druckes bemühte, wobei er zur Annahme gelangte, dass die ältesten niederdeutschen Handschriften den besten Text überlieferten. Seine Bemühungen um einen kritischen Druck der Glossen blieben ohne Erfolg. Die Ergebnisse Grupens hat vor allem Ernst Peter Johann Spangenberg, Jurist in Celle, aus dessen dort befindlichem Nachlass der Öffentlichkeit um 1822 zur Kenntnis gebracht.14
Für das 19. Jahrhundert sind des Weiteren vor allem drei Namen zu nennen:
Friedrich August Nietzsche († 1833), vor seinem Tod Rechtsprofessor in Leipzig, stellte den Kontakt zur »Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde« her, um im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica (MGH) eine kritische Edition des Sachsenspiegels und anderer Rechtsbücher zu veranstalten. Lehramtsverpflichtungen und der frühe Tod verhinderten die Verwirklichung des Unternehmens.15
Carl Gustav Homeyer (1795–1874) erwarb sich bekanntermaßen besondere Verdienste um die Sachsenspiegelforschung. Er edierte mehrere Sachsenspiegelhandschriften. Ob er eine vollständige Edition der Sachsenspiegelglosse (Landrecht) plante, ist ungewiss. Immerhin schenkte Homeyer dem Glossenprolog besondere Aufmerksamkeit, zu dem er auch ein kleines Glossar lieferte. Homeyers kleines Glossar diente uns zumindest als Einstieg in die laufende Glossararbeit zur Sachsenspiegel-Landrechtsglosse des Johann von Buch. Zudem berücksichtigte Homeyer in seinen Sachsenspiegeleditionen ab und an den Glossentext.16 Homeyer folgte allerdings auch einer bestimmten wissenschaftlichen Schule, wie aus folgendem Zitat hervorgeht: »Nun übertrifft der Umfang der Glosse den des Textes wohl um das drei- bis vierfache, und diesen weitschichtigen Inhalt ferner sehen wir meist von den für uns unersprieslichen Streben erfüllt, den Sachsenspiegel durch römisches und kanonisches Recht zu erläutern, während Belehrungen aus dem heimischen Leben und Gerichtsgebrauche des Mittelalters nur hie und da begegnen. Das sind Umstände, welche mit jener beträchtlichen Zahl von Handschriften verbunden auch gegenwärtig jede Aussicht auf ein nahes ernstliches Angreifen der Glosse verschliessen.«17 Der »Deutschrechtler« fand also den Glossentext wenig ergiebig.
Emil Steffenhagen (1838–1919), Direktor der Universitätsbibliothek in Kiel, verfolgte das Vorhaben einer Glossenedition sodann intensiver weiter. 1877 legte er einen Plan für eine kritische Ausgabe vor. Zwischen 1881 und 1923 erschienen von ihm insgesamt 14 wertvolle Arbeiten zur Glossenproblematik, vor allem unter dem Aspekt, welchen Einfluss die Buch’sche Glosse auf andere, spätere Rechtsdenkmäler hatte. Außerdem untersuchte er Detailfragen, die wichtig für das Verständnis des Buch’schen Glossentextes sind. Eine druckreife Editionsfassung fand sich leider auch in Steffenhagens Nachlass nicht. Seine Arbeiten sind übrigens größtenteils in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie veröffentlicht.18
1921 übernahmen dann die MGH von der Wiener Akademie der Wissenschaften die Aufgabe, eine kritische Edition zu erstellen, und wandten sich an hervorragende Wissenschaftler. Nachdem 1922 Guido Kisch (1889–1985),19 ein überaus qualifizierter Rechtsgelehrter, damals Ordinarius in Halle-Wittenberg, den Auftrag ablehnte – er wusste wohl um die Größe und Schwierigkeit der Aufgabe –, übernahm ab 1927 Karl August Eckhardt (1901–1979)20 den anspruchsvollen Auftrag. Ein kurzer Hinweis auf die Biographien von Kisch und Eckhardt könnte dabei interessant sein: Kisch war ein jüdischer Gelehrter, der in der NS-Zeit gezwungen war, sein Heimatland zu verlassen und seine wissenschaftliche Arbeit in den USA fortzusetzen. Eckhardt dagegen war nationalgermanisch gesinnt und engagierte sich aktiv für das nationalsozialistische Regime von 1933–1945, er gestaltete u. a. die juristische Studentenausbildung in der Zeit des Nationalsozialismus wesentlich mit.21 Dessen ungeachtet war Eckhardt ein hervorragender Rechtshistoriker, Germanist und Genealoge. Seine Editionsleistungen haben allseits Anerkennung gefunden. Außerhalb der MGH kündigte Karl August Eckhardt nach dem Krieg eine druckreife Glossenedition an. Sein Sohn Albrecht, der ein Werksverzeichnis des Vaters publiziert hatte, teilte auf briefliche Anfrage mit, dass er eine solche Druckfassung nicht bestätigen könne.22
In den zwanziger Jahren erfolgte eine Aufgabenteilung innerhalb der MGH; Eckhardt kümmerte sich um Sachsenspiegelausgaben und andere deutsche Rechtsbücher (z. B. den Schwabenspiegel) und in Freiburg fanden Claudius Freiherr von Schwerin (1880–1944) und Erika Sinauer (1896–1942) zusammen.23 Sinauer, Tochter eines bekannten Freiburger Rechtsanwalts, studierte Jura und wurde von Freiherr von Schwerin mit einer Arbeit über den »Schlüssel des sächsischen Landrechts« promoviert. Sie bereiteten ab 1929 im Auftrag der MGH die Edition einer großen Sachsenspiegelausgabe mit Glosse vor, wobei sich von Schwerin und Sinauer auch auf den Nachlass von Steffenhagen stützten. Erika Sinauer legte 1935 einen wegweisenden Aufsatz »Studien zur Entstehung der Sachsenspiegelglosse« vor, in welchem sie u. a. den bisherigen Forschungsstand darlegte und auf den Codex Hecht als Leithandschrift für eine zukünftige Edition verwies.24 Im Oktober 1940 wurde sie ins unbesetzte Frankreich deportiert. Ihr Name findet sich auf der Liste eines Transports, der am 2. September 1942 von Drancy nach Auschwitz führte. Wahrscheinlich wurde sie bald darauf ermordet (Abb. 4 und 5).25
Von Schwerin versuchte in zwei ungedruckten Aufsätzen, die wohl zwischen 1930 und 1933 verfasst worden waren, neue methodische Wege in der Glossenforschung zu beschreiten. Er war der Meinung, der Inhalt der Sachsenspiegelglosse sei im Hinblick auf die Textkritik uneinheitlich, man könne deshalb nicht von der Glosse und von Johann von Buch als alleinigem Verfasser sprechen. Des Weiteren erklärte er, die Masse des Glossentextes sei in zwei inhaltlich verschiedene Gruppen einzuordnen, nämlich in Erklärungen des Textes und in geschlossene Abhandlungen über einzelne juristische Fragen oder Institutionen. Diese Theorie von der schichtweisen Entstehung der Glosse hatte schwerwiegende Folgen für das Zustandekommen einer benutzbaren Edition, wie anhand einer weiteren Abbildung (Abb. 6) sogleich dokumentiert werden soll. Von Schwerin ging 1935 nach München, wo er die Nachfolge von Karl von Amira antrat. Am 13. Juni 1944 kam er bei einem anglo-amerikanischen Bombenangriff ums Leben.26
In dieser Zeit (Ende der 30er Jahre) kam auch Helene Bindewald (1902–1986) in Kontakt mit der Glossenthematik. Von 1938–1941 hatte Bindewald als Stipendiatin der DFG bei von Schwerin gearbeitet. 1954 setzte sie die Arbeit im Rahmen der verbliebenen MGH-Arbeitsstelle in Berlin fort, wobei sie an die Forschungen von Schwerins und Sinauers anknüpfte. 1959 erschien ein Aufsatz, in dem Bindewald den oben genannten Titel Sinauers aufgriff. Bindewald folgte im Wesentlichen den methodischen Vorgaben von Schwerins, die allerdings zu keiner Edition führten, aber einige nicht unwichtige Detailstudien hervorbrachten.27
Eine Frage liegt nun auf der Hand. Warum brachten ausgewiesene, hervorragende Wissenschaftler bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts keine Edition der Sachsenspiegelglosse zu Wege? Neben dem persönlichen Schicksal der beteiligten Forscher und den Wirrnissen der Zeitläufte hatten offenbar die überdimensionierten Editionsgrundsätze eine benutzbare Ausgabe der Sachsenspiegelglosse des Johann von Buch bis ans Ende des 20. Jahrhunderts verhindert. Die folgende Abbildung (Abb. 6) mit dem Editionsbeispiel von Helene Bindewald mag diese Konstellation eindrucksvoll vor Augen führen. Schwierige Probleme stellten in diesem Zusammenhang die Handhabbarkeit und Lesbarkeit eines edierten Textes, die übersichtliche Editionsgestaltung und der Zeitfaktor bei der Editionsrealisierung eines handschriftlich überlieferten Textes dar. Der Glossentext des Johann von Buch umfasst etwa 23.000 Zeilen. Legt man den Editionsvorschlag von Helene Bindewald zugrunde, so wäre bei der Realisierung einer Ausgabe ohne Frage mit einem großen Zeitumfang von mehreren Jahrzehnten zu rechnen gewesen; für die heutige, um schnelle Ergebnisse heischende Zeit ein kaum vorstellbarer Zustand.
Am 1. Januar 1994 begann nun die gegenwärtige Etappe in der Glossen- Forschung mit der Einrichtung einer MGH-Arbeitsstelle (Sachsenspiegelglosse) an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Frank- Michael Kaufmann übernahm die Aufgabe, eine Edition der Buch’schen Glosse zum Sachsenspiegel-Landrecht zu realisieren. Als Projektleiter fungierte Rolf Lieberwirth, einer der bedeutendsten Rechtshistoriker der DDR und einer der besten Kenner des Sachsenspiegels. Leiter der projektbegleitenden Kommission wurde Heiner Lück, Rechtshistoriker in Halle. Als Mitglied der Kommission konnte u. a. auch Peter Landau gewonnen werden, der die Leges-Abteilung der Monumenta Germaniae Historica betreut. Seit November 2005 arbeiten Peter Neumeister und Frank-Michael Kaufmann gemeinsam an einem Glossar zur Buch’schen Landrechtsglosse. Dieses Glossar soll die Rechtssprache des Johann von Buch erschließen und den wichtigen Beitrag des Autors bei der Rezeption des Römischen Rechts verdeutlichen.
Frank-Michael Kaufmann konnte inzwischen zwei wichtige Editionen vorlegen: die erwähnte Glosse des Johann von Buch zum Sachsenspiegel-Landrecht (2002) und die kürzere Glosse zum Sachsenspiegel-Lehnrecht (2006).28 Darüber hinaus war in den letzten Jahren eine verstärkte Hinwendung zur Auswertung der Buch’schen Glosse zu beobachten. Besondere Erwähnung muss dabei die Arbeit von Bernd Kannowski über das Rechtsdenken des Johann von Buch finden.29
Das Editionsvorhaben an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften ist ein Langzeitprojekt der Grundlagenforschung mit einer Laufzeit bis 2022. Weitere Glosseneditionen und weitere Glossare, z. B. zum Lehnrecht, sind geplant. Das Forschungspotential im Hinblick auf die historische und rechtshistorische Auswertung des Glossenmaterials ist nach 250 Jahren kaum ausgeschöpft.
- 1Der nachfolgende Text wurde als Vortrag anlässlich des Akademiekolloquiums »Rechtsquellenforschung an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Sachsenspiegelglossen und sächsisch-magdeburgisches Recht« am 26.02.2010 gehalten. Er liegt hier in einer überarbeiteten Form vor.
- 2Dietlinde Munzel, »Rechtsbücher«, in Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 277–282; Peter Johanek, »Rechtsbücher«, in Lexikon des Mittelalters (LMA), VII. Bd., Stuttgart/Weimar 1999, Sp. 519–521; Ulrich-Dieter Oppitz, Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1: Beschreibung der Rechtsbücher, Köln/ Wien 1990, Bd. 2: Beschreibung der Handschriften, Köln/Wien 1990, Bd. 3, 1 und 2: Abbildungen der Fragmente, Köln/Wien 1992.
- 3Bernhard Koehler und Hans-Jürgen Becker, »Mühlhäuser Reichsrechtsbuch«, in HRG, Bd. 3, Berlin 1984, Sp. 722 f.
- 4Zum Sachsenspiegel vgl. auswahlweise: Rolf Lieberwirth, Eike von Repchow und der Sachsenspiegel, Berlin 1982 (= Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, Bd. 122, H. 4); ders., »Eike von Repgow (um 1180–nach 1233)«, in HRG, 2., völlig überarbeitete u. erweiterte Auflage, Bd. 1, Berlin 2008, Sp. 1288–1292; Heiner Lück, Über den Sachsenspiegel. Entstehung, Inhalt und Wirkung des Rechtsbuches. Mit einem Beitrag zu den Grafen von Falkenstein im Mittelalter von Joachim Schymalla. 2., überarbeitete, erweiterte Auflage, Dössel 2005.
- 5Peter Landau, »Der Entstehungsort des Sachsenspiegels. Eike von Repkow, Altzelle und die anglo-normannische Kanonistik«, in Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters (DA) 61 (2005), S. 73–101.
- 6Friedrich Ebel, »Sachsenspiegel«, in HRG, Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 1228–1237, hier Sp. 1228.
- 7Hans-Peter Schneider, Daz ein Recht mac vromen. Der Sachsenspiegel – Ein Rechtsbuch von europäischem Rang, Wolfenbüttel 1994.
- 8Zitiert nach: Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht. Buch’sche Glosse, hg. von Frank- Michael Kaufmann, Hannover 2002 (= MGH, Fontes iuris Germanici antiqui, N. S. 7), S. 87 Vorrede in Reimpaaren, V. 178–182.
- 9Allgemein: Ruth Schmidt-Wiegand, »Bilderhandschriften«, in HRG (Fn. 4), Bd. 1, Sp. 580–582.
- 10Zu Accursius siehe: Peter Weimar, »Accursius (um 1185–1263)«, in Michael Stolleis (Hg.), Juristen. Ein biographisches Lexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 1995, S. 18 f.
- 11Zu Johann von Buch siehe vor allem: Heiner Lück, »Johann von Buch (ca. 1290– ca. 1356) – Stationen einer juristisch-politischen Karriere«, in Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (ZRG GA) 124 (2007), S. 120–143.
- 12Hermann Krabbo und Eduard Winter, Regesten der Markgrafen von Brandenburg aus askanischem Hause, Berlin/Leipzig 1955 (= Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg), S. 634 f., Nr. 2317.
- 13Die Betonung liegt auf »textkritisch«, d. h. ein Druck mit text- und sachkritischen Apparaten, unter Berücksichtigung mehrerer Handschriften. Drucke einzelner Handschriften hatte es bereits gegen Ende des 15. und im 16./17. Jahrhundert gegeben. Allein im 15. Jahrhundert sind neun Drucke bekannt. Zu nennen sind stellvertretend die Drucke Basel 1474 und Köln 1480. Auch ein Leipziger Druck von 1488 findet sich darunter.
- 14Herbert Mundhenke, »Grupen, Christian Ulrich«, in Neue Deutsche Biographie (NDB), 7. Bd., Berlin 1966, S. 234 f.
- 15Zu den folgenden Wissenschaftlern vgl. im Besonderen Rolf Lieberwirth und Frank- Michael Kaufmann, Einleitung zu: Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht. Buch’sche Glosse (Fn. 8), S. XLIV–LVI.
- 16Gertrud Schubart-Fikentscher, »Homeyer, Carl Gustav«, in NDB, 7. Bd., Berlin 1966, S. 589 f.; siehe zudem: Carl Gustav Homeyer, Der Prolog zur Glosse des sächsischen Landrechts, Berlin 1854, S. 3–58.
- 17Homeyer, Prolog (Fn. 16), S. 4.
- 18Vgl. Emil Steffenhagen, Die Entwicklung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels. Einfluss der Buchschen Glosse auf die späteren Denkmäler, hg. von Karl August Eckhardt, Aalen 1977 (= Bibliotheca rerum historicarum. Neudrucke 9 = Nachdruck der Wiener Sitzungsberichte Steffenhagens mit fortlaufender Paginierung).
- 19Heiner Lück, »Der Rechtshistoriker Guido Kisch (1889–1985) und sein Beitrag zur Sachsenspiegelforschung«, in Walter Pauly (Hg.), Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft, Halle 1996 (= Hallesche Schriften zum Recht 1), S. 53–66; Guido Kisch, Der Lebensweg eines Rechtshistorikers. Erinnerungen, Sigmaringen 1975.
- 20Hermann Nehlsen, »Karl August Eckhardt«, in ZRG GA 104 (1987), S. 497–536.
- 21Karl August Eckhardt, Das Studium der Rechtswissenschaft, Hamburg 1935 (= Der deutsche Staat der Gegenwart, Heft 11).
- 22Albrecht Eckhardt, Werksverzeichnis Karl August Eckhardt, Aalen 1979 (= Bibliotheca rerum historicarum, Studia 12); Brief vom 25. Februar 2008 an Frank-Michael Kaufmann.
- 23Siehe u. a.: Wolfgang Simon, Claudius Freiherr von Schwerin, Frankfurt a. M. u. a. (= Rechtshistorische Reihe, Bd. 84), zu Erika Sinauer im Besonderen S. 199–205; Karl S. Bader, »In memoriam Erika Sinauer«, in ZRG GA 73 (1956), S. 556 f.
- 24Erika Sinauer, »Studien zur Entstehung der Sachsenspiegelglosse«, in Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde (NA) 50 (1935), S. 475–581. Vgl. außerdem die bezeichnete Dissertation: Erika Sinauer, Der Schlüssel des sächsischen Landrechts, Breslau 1928, Neudruck der Ausgabe Aalen 1970 (= Untersuchungen zur deutschen Staatsund Rechtsgeschichte, Heft 139).
- 25Gerhard J. Teschner, Die Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden am 22. Oktober 1940, Frankfurt a. M. u. a. 2002 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 930).
- 26Simon, von Schwerin (Fn. 23), S. 151 f. u. ö.
- 27Helene Bindewald, »Studien zur Entstehung der Sachsenspiegelglosse. Die Reihe I (6) 7 bis 14 des Sachsenspiegel-Landrechts«, in DA 15 (1959), S. 464–515.
- 28Vgl. Fn. 8 und Frank-Michael Kaufmann (Hg.), Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht. Die kürzere Glosse, Hannover 2006 (= MGH, Fontes iuris Germanici antiqui, N. S. 8).
- 29Bernd Kannowski, Die Umgestaltung des Sachsenspiegelrechts durch die Buch’sche Glosse, Hannover 2007 (= MGH, Schriften 56). Siehe auch Hiram Kümper, Sachsenrecht. Studien zur Geschichte des sächsischen Landrechts in Mittelalter und früher Neuzeit, Berlin 2009 (= Schriften zur Rechtsgeschichte, Heft 142).