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Ein säkulares Zeitalter?

A Secular Age.

By Charles Taylor, The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge/ Mass. 2007. 874 Seiten. Deutsch: Ein säkulares Zeitalter. Von Charles Taylor, aus dem Englischen von Joachim Schulte, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2009. 1297 Seiten.

Was bedeutet es zu sagen, dass wir in einem säkularen Zeitalter leben? Dieser Frage geht Charles Taylor in A Secular Age im Anschluss an seine unter diesem Titel 1999 in Edinburgh gehaltenen Gifford Lectures nach. Taylors Frage danach, ob wir in einem säkularen Zeitalter leben und was dies genau bedeuten könnte, zielt in erster Linie auf den folgenden Aspekt ab: Weshalb war der Glaube an einen Gott vor einem halben Jahrtausend noch die »default option«, während er heute (in westlichen Gesellschaften) keinesfalls mehr für alternativlos gehalten wird? Zentraler Angriffspunkt Taylors in der Erklärung dieses Phänomens sind dabei die von ihm sogenannten »Subtraktionserzählungen«, die die Säkularisierung als einen Prozess beschreiben, in dessen Verlauf immer weitere, bloß kontingente und die menschliche Natur vermeintlich nur verdeckende und behindernde Illusionen abgestreift wurden. Taylors Anliegen ist es dagegen zu zeigen, dass die westliche Moderne, und insbesondere die Säkularisierung, die Frucht von neuen »Erfindungen«, einem neuen Selbstverständnis und den zugehörigen Praktiken ist, einem nova effect, der keineswegs auf der Grundlage invarianter Züge menschlichen Lebens erklärt werden könne. Anstelle der Erzählung von einem Verlust, solle die zentrale Differenz vielmehr in einem radikal veränderten Verständnis der »(Sinn)-Fülle« gesehen werden. Diese kann nun aus vielen verschiedenen Quellen entstehen, die Alternativen zu der von einem Gott stammenden »Fülle« darstellen, diese jedoch niemals hinreichend kompensieren. Eine Entstehungsgeschichte des »exklusiven Humanismus«, der ohne einen religiösen Hintergrund auskommt, müsse im Gegensatz zu einer »Subtraktionserzählung« vielmehr aufzeigen, wie diese Sicht auf Alternativen entstehen konnte.

Im Unterschied zu Max Webers Erklärung der Entstehung säkularer Gesellschaften durch den in der Zeit der Reformation entstandenen Bruch mit der Vergangenheit der katholischen Kirche, steht bei Taylor ein Erwachsen säkularer Tendenzen aus Reformbestrebungen innerhalb der katholischen Kirche (insbesondere das Zurückdrängen heidnischer Bräuche und heidnischen »Aberglaubens«) im Fokus – somit die Kontinuität. Ein weiteres Ziel Taylors besteht darin, Definitionen von säkular verfassten Gesellschaften als falsch zu entlarven, die Glauben und Wissen(schaft) in eine Opposition zueinander bringen, nach der dann etwa gilt, Darwin habe die Bibel widerlegt und an die Stelle der Phantasie sei die »objektive« Beobachtung getreten. Die mechanistisch ausgerichtete Naturwissenschaft des 17. Jahrhunderts allein kann nach Taylor keineswegs als eine Bedrohung für den Glauben als »default option« verstanden werden. Viel stärker als naturalistische Erklärungen – und zudem als Voraussetzung für ihre eigene Plausibilität – muss ein neues Verständnis des menschlichen Selbst und seines Ortes im Kosmos gesehen werden: Taylor beruft sich zwar immer wieder auf Max Webers Bild einer »Entzauberung der Welt« und stimmt mit der These überein, dass die Säkularisierung letztlich ein nicht intendiertes Nebenprodukt von Entwicklungen innerhalb des Christentums war, die auf einen »reineren« Glauben abzielten. Dennoch greift Taylors Argument an einer anderen Stelle als das Webers: Die notwendige Bedingung für eine solche Entzauberung besteht nach Taylor in erster Linie in einem radikal neuen Selbstverständnis: Das Selbst konnte nicht länger als »porös«, als offen und verletzlich, durch eine Welt voller Geister und fremder Mächte beeinflussbar verstanden werden, sondern war nun »abgepuffert« . In der »verzauberten Welt« ist das Selbst noch nicht in dem in der Moderne dominanten Sinne gegen die Welt abgegrenzt. »Individuelles Handeln« und »anonyme Mächte« können hier noch nicht klar voneinander abgegrenzt werden. Bedeutungen etwa gibt es auch in der Welt selbst, nicht ausschließlich auf der Ebene des Geistes. Die Genese dieses »abgepufferten Selbst« jedoch könne nicht allein durch die von Weber beschriebene »Entzauberung« erklärt werden, vielmehr setze dieses neue Selbstverständnis zunächst das Vertrauen in unsere eigenen Kräfte, eine moralische Ordnung überhaupt etablieren zu können, voraus. Die Kontinuität innerhalb der Erzählung Taylors, im Unterschied zu der von Weber skizzierten Zäsur durch die Reformation, besteht darin, vor dem Hintergrund des christlichen Mittelalters und den innerhalb des Katholizismus vorherrschenden Widersprüchen und Schwierigkeiten die Entstehungsgeschichte des exklusiven Humanismus zu beschreiben, die dann, in einem zweiten Schritt, die von Weber beschriebene Entzauberung allererst ermöglichte.

Die Ursachen der Säkularisierung sieht Taylor damit in der christlichen Kirchenpolitik selbst, die sich mit der Bekämpfung heidnischer Tendenzen letztlich ihre eigene Grundlage entzog. Diese Ursachen verortet Taylor damit zu einem weitaus früheren Zeitpunkt als die Reformation. Die Ironie dieser Entwicklungen besteht für Taylor nun darin, dass gerade die Maßnahmen, die mit der Absicht implementiert wurden, durch eine Abkehr vom Aberglauben den »wirklichen« christlichen Glauben zu stärken, über den »providentiellen Deismus« letztlich zu einer Flucht aus dem Glauben in eine rein immanente Welt führten. Selbst der Individualismus, den Taylor als atomistisch beschreibt, hatte demnach seine Wurzeln im tiefen Glauben des Einzelnen, der sein Leben selbst in die Hand zu nehmen hatte, um dem göttlichen Willen zu folgen. Auch die Betonung der Unterscheidung von »natürlich« und »übernatürlich« sollte ursprünglich dem Zweck dienen, die Autonomie des letzteren zu betonen. So sollte etwa die Rebellion der »Nominalisten« gegen Thomas von Aquins »Realismus« die Souveränität der Macht Gottes gegenüber der Natur betonen. Schließlich führten alle diese Tendenzen jedoch dazu, das Universum als durch Gesetze geregelt zu verstehen, die keine Ausnahme zulassen und die die Weisheit und das Wohlwollen eines Schöpfers widerspiegeln können. Auf einen solchen Schöpfergott muss letztlich, im säkularen Zeitalter, jedoch nicht mehr Bezug genommen werden, um diese Gesetze verständlich zu machen.

Taylor grenzt sich mit seiner Bestimmung von »säkular« deutlich von vielen üblichen Erklärungsmustern ab: So könne etwa ein laizistischer Staat allein als Garant für eine säkulare Ordnung nicht genügen. Beispielsweise sind die Vereinigten Staaten zwar einerseits eine der ersten Gesellschaften, in denen eine Trennung von Kirche und Staat erfolgte, andererseits weist nach Taylor keine andere westliche Gesellschaft einen höheren Anteil an religiöser Praxis und Glauben auf. Aus diesem vermeintlichen Widerspruch schließt Taylor, dass sich die konsequente Trennung von Kirche und Staat allein nicht als Indikator für den Grad der Säkularisierung einer Gesellschaft eignet. Stattdessen schlägt er vor, den Übergang einer Gesellschaft zu einer säkularen Ordnung darin zu sehen, dass eine solche Gesellschaft von einem Zustand, in dem der Glaube an Gott als unbestritten und unproblematisch aufgefasst wird, dazu übergeht, diesen Gottesglauben als eine Option unter vielen zu begreifen, und zwar bei weitem nicht als die einfachste. In der säkularen Gegenwart westlicher Gesellschaften sei es weder möglich, »naiv« zu glauben noch »naiv« den Glauben abzulehnen: Taylor nennt diese Einstellung »abgelöst« im Gegensatz zu der vorherigen, die er als »gebunden« bezeichnet: In einer säkularen Welt muss dem Einzelnen immer die Tatsache präsent sein, dass er einen möglichen Standpunkt unter vielen einnimmt. Eine unmittelbare Realität hingegen kann nicht mehr vorausgesetzt werden, sobald der Glaube an einen Gott nicht mehr die »default option« darstellt.

»Säkular« wird damit zum Gegenstand des gesamten Verständniskontextes, innerhalb dessen sich die menschliche moralische, spirituelle und religiöse Erfahrung befindet. Das Individuum lebt nun nach Taylor in einem »immanenten Rahmen«: Die »abgepufferte Identität« des disziplinierten Individuums befinde sich in einem konstruierten, sozialen Raum, in dem instrumentelle Rationalität einen Schlüsselwert darstelle und in dem zugleich die Zeit ausschließlich säkular gemessen und verstanden wird. Damit geht eine Veränderung der gesamten Sicht auf die Welt und die Stellung des Menschen in ihr einher. Diese Definition von »säkular« überschreitet folglich die einer bloßen Trennung von Staat und Kirche bei weitem, indem sie sich nicht nur auf die explizierten und instituierten Bereiche bezieht, sondern auch auf einen »impliziten, im Großen und Ganzen unreflektierten Hintergrund dieser Erfahrung«. »Säkular« geht damit aber auch über eine weitere möglich Bedeutung weit hinaus, die in der Abnahme des (individuellen) religiösen Glaubens in westlichen Gesellschaften gesehen werden kann. Taylor geht es in erster Linie um diese »tiefere« Ebene und damit darum, ein Verständnis des Unterschieds dieser nun vollkommen anders gelebten Erfahrung zu erhalten. Dabei spielt der Begriff der »Fülle« eine zentrale Rolle: Wurde diese zuvor stets in einer bestimmten Form von Transzendenz gesehen, so ist es für das säkulare Zeitalter charakteristisch, dass sie auch bzw. nur weltimmanent zum Tragen kommt. Die Unterscheidung selbst zwischen immanent und transzendent erfülle in einer säkularen Welt keinerlei Funktion mehr. »Menschliches Gedeihen« wird nun zu einer Art Selbstzweck und verweist nicht mehr auf andere, »letzte« Ziele. Dies ist die entscheidende Differenz, die Taylor dem rein selbstgenügsamen Humanismus, im Unterschied zu zuvor auf der Differenz von transzendent und immanent basierenden Bestimmungen der condition humaine zuschreibt: Ein säkulares Zeitalter ist eines, in dem das Verblassen aller Ziele jenseits dieses menschlichen Gedeihens vorstellbar wird. Innerhalb des »immanenten Rahmens« gibt es keine Transzendenz mehr, er selbst wird als »natürlich« dem »Übernatürlichen« gegenübergestellt. Dies spiegelt auch die wörtliche Bedeutung von »säkular« wider, die ursprünglich auf zwei radikal verschiedenen Zeitdimensionen basiert: »säkular«, abgeleitet von saeculum verweist zunächst darauf, dass Menschen ausschließlich in der gewöhnlichen, weltlichen Zeit und nicht mehr in mehreren Zeiten denken, von denen eine die »höhere«, göttliche, ewige, nichtirdische Zeit, das »Reich der Ideen« – das unveränderlich, weil nicht zeitlich – ist, und die der ersteren Zeit ihre Struktur und ihren Sinn gibt. Die perfekte Zeit als »Reich der Ideen« stehe in einem rein säkularen Zeitalter nicht mehr zur Verfügung, die einzige Zeitrechnung sei nun die säkulare.

Das Selbst ist nun nach Taylor nicht mehr in einem wohlgeordneten Kosmos, sondern im Universum (der Naturwissenschaften) verortet: Während die Bezeichnung Kosmos noch auf eine vollständige Ordnung verweist, innerhalb derer das Individuum einen Ort einnimmt, ist das Universum vielmehr als Nebenprodukt der wissenschaftlichen Revolution des 16. und 17. Jahrhunderts ein Ort, in dem Gesetze herrschen, die entdeckt und verstanden werden können. Wir können das »Buch der Natur« lesen, aber es gibt keinen Kosmos mehr, der (menschliche) Bedeutungen trägt, vielmehr können und müssen wir das Wissen über die Natur nun selbst erwerben und verändernd anwenden. Das Individuum ist jedoch nicht nur in der Lage dazu, die Natur als neutrales Objekt zu untersuchen; auch das Verhältnis zum eigenen Selbst ändert sich radikal, das Selbst ist unabhängig, »losgelöst«, es ist in der Lage dazu und zugleich verpflichtet, sich selbst zu »besitzen« und zu kontrollieren, es ist für sich und seine Stellung verantwortlich. Die Entstehung der modernen Naturwissenschaften kann dabei für Taylor keineswegs als ein Absehen vom Bezug der Natur zu Gott gesehen werden, welche dann erst in einem Interesse an der Natur als solcher verstanden werden könne.

Ein weiterer entscheidender Faktor in der Unterscheidung unseres säkularen Zeitalters von allen vorherigen liegt in der Stellung des Individuums zum gesellschaftlichen Kontext. Damit greift Taylor ein Thema auf, das auch in seinen Philosophical Papers (1985) und in Sources of the Self (1989) eine zentrale Rolle spielt: Die soziale Dimension und das Heilige sind in vormodernen, nichtsäkularen Gesellschaften zum einen eng miteinander verbunden, zum anderen spielen gegensätzliche Prinzipien eine konstitutive Rolle: Ordnung und Chaos etwa sind eng miteinander verwoben, alle Struktur ist auf eine Form von Anti- Struktur angewiesen. So kommt es im Karneval regelmäßig zu einer Zerstörung der Ordnung. Die Aufrechterhaltung der Ordnung einer Gesellschaft hängt für Taylor hier noch davon ab, dass sie zu festgesetzten Zeiten durch ein (zeitlich und inhaltlich geregeltes) Chaos durchbrochen wird. Dabei könne beides nicht als Selbstzweck begriffen werden, sondern verweise letztlich auf die gesellschaftliche Ordnung als Ganzes. Auch die Dämonen und Mächte, die das »poröse Selbst« beeinflussen können, sind nur innerhalb einer gesellschaftlichen Ordnung verstehbar und auf sie als Ganzes gerichtet. Hier knüpft Taylor an Victor Turner und Arnold van Gennep mit seinen »rites de passage« an. Diese Komplementarität von Struktur und Antistruktur, Ordnung und Chaos liege in säkularen Gesellschaften nicht mehr vor, so Taylors Behauptung. Dieses Verblassen der Anti-Struktur ist ein weiteres wichtiges Unterscheidungskriterium des säkularen Zeitalters. Zudem ist das »entbettete Selbst« keineswegs mehr so in eine gesellschaftliche Ordnung eingebunden, wie es für das eingebettete Selbst noch galt – es ist nun »abgepuffert«, und zwar auch gegen andere Individuen: Daher ist es für Taylor auch keine Überraschung, dass ein solches Verständnis des individuellen Akteurs zu den atomistischen Ideologien verleitet, die Taylor auch in seinen anderen Arbeiten scharf kritisiert. Die Stellung des Einzelnen in der gesellschaftlichen Hierarchie liegt nun, als Konsequenz des modernen Individualismus und der damit einhergehenden Disziplinierung des Selbst, in der Verantwortung jedes Einzelnen. Mit der Gesellschaft ist er über den gegenseitigen Nutzen verbunden, sie stellt jedoch keineswegs mehr die primäre Stelle dar. Damit beschreibt Taylor auch den modernen Individualismus als eine Neuerung, die nicht als einfache »Subtraktionsgeschichte« erzählt werden könne.

Indem Taylor zum einen zeigen möchte, dass die »Fülle«, die er beschreibt, in einem reinen »säkularen Zeitalter« nicht (so leicht) erreicht werden kann, er zum anderen aber säkulare Tendenzen als partielle Konsequenz aus Tendenzen innerhalb des Glaubens und der Kirche beschreibt, möchte er die Tür für den Glauben in allen modernen Institutionen offenhalten. Wissenschaft und Glaube etwa seien durchaus miteinander vereinbar. Dieses eindeutige Plädoyer für den Glauben stellt eine Schwierigkeit von A Secular Age dar, insbesondere weil Taylor sich sowohl in diesem Plädoyer als auch in seiner Analyse nicht nur ausschließlich auf den christlichen Glauben, sondern innerhalb dessen vor allem auf die katholische Kirche konzentriert. Dies zieht jedoch das fruchtbare Ergebnis nach sich, dass die protestantisch geprägte Untersuchung Max Webers um wichtige Schritte ergänzt wird, indem mit dem instabilen und reformbedürftigen »post-axialen Gleichgewicht« die Voraussetzungen, die eine »Entzauberung« nicht nur möglich, sondern überhaupt verständlich machten, geklärt werden.

Problematisch an Taylors These ist aber auch die Ausschließlichkeit, mit der er (eine sehr bestimmte Form von) Religion als Ort einer (Sinn-)Fülle beschreibt. Die Zivilreligionen, die etwa in der Art der diversen Formen des Totalitarismus im 20. Jahrhundert in Erscheinung getreten sind, widersprechen der zentralen These Taylors. Peter Gordon1 weist darauf hin, dass man Formen wie den Faschismus und Bolschewismus sicher einfach als areligiöse Verneinung jeglicher Transzendenz beschreiben könne; man könne diese Bewegungen jedoch ebenso als den modernen Geist einer Form von »politischer Theologie« auffassen. Da es zudem ein integraler Bestandteil von Taylors Sicht ist, dass der »Hintergrund«, von dem er spricht, historisch zu verstehen ist, dass er also nicht durch einen Gott oder eine Form von Vernunft festgelegt ist, sondern einen geteilten und begrenzten Horizont von impliziten Vorannahmen darstellt, bleibt es unklar, warum trotz dieses historischen Narrativs in Taylors Ansatz eine invariante Form von Transzendenz die einzig mögliche darstellen sollte. Mit diesem in gewissem Sinne ahistorischen Argument geht eine zweite Schwierigkeit einher: Wenn das moderne Leben in einem säkularen Zeitalter sich vor allem durch einen neuen »Hintergrund« auszeichnet, der die Unterscheidung zwischen immanent und transzendent unterminiert, wie kann es dann dennoch möglich sein, dass ein transzendenter Gott überhaupt noch in Erscheinung tritt und noch immer eine mögliche Option darstellt? Dies scheint Taylors Idee eines »immanenten Rahmens« eindeutig zu widersprechen. Einerseits muss es Teil von Taylors historischem Narrativ sein, dass der Hintergrund sich im Laufe der Zeit verändert hat, dennoch scheint er Transzendenz als eine Art ahistorische und transhistorische Konstante zu verstehen, die stets zugänglich bleibt. Geschichte vermag demnach vieles zu verändern, doch die menschliche Sehnsucht nach einer invarianten Form von Transzendenz erweist sich als widerständig gegen diesen historischen Wandel und überdauert ihn. Es drängt sich der Verdacht auf, dass ein Schluss, den man aus A Secular Age ziehen könnte, darin besteht, dass, wenn es um die »letzten Dinge« geht, Geschichte letztlich doch keine Rolle spielt. Dies jedoch widerspricht vielen zentralen Annahmen Taylors und stellt damit das entscheidende Problem von A Secular Age dar.

  1. 1Peter E. Gordon, »The Place of the Sacred in the Absence of God: Charles Taylor’s A Secular Age«, in Journal of the History of Ideas, Volume 69, Number 4 (2008), S. 647–673.
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Heft 5 (2010)
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