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Vielfalt und Werte der sächsischen Denkmallandschaft

Sachsens Kulturlandschaften weisen eine große Vielfalt und Reichhaltigkeit auf, in ihren Landschaftsräumen ebenso wie in ihrem Denkmalbestand. Die Landschaftsräume in Sachsen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt und begütert. In reizvollem Wechsel folgen wald-, erz-, mineralien- und wasserreiche Gebirge, fruchtbare Vorgebirge, Tiefebenen, Flusstäler und Heideland. Auch die Voraussetzungen für Ackerbau und Viehzucht – Bodenfruchtbarkeit, Wasserverfügbarkeit, klimatische Verhältnisse, vorhandene Baustoffe usw. – differieren stark.

Bedingt durch die natürlichen Gegebenheiten entwickelten sich sehr unterschiedliche historische Ausprägungen in den Besiedlungs- und Baustrukturen. Die eindrucksvolle Reichhaltigkeit und qualitätvolle Ausprägung der sächsischen Denkmallandschaften geht u. a. auf frühe Silberfunde im Erzgebirge zurück. Dieser frühe wirtschaftliche und innovative Schub wirkte sich auf das ganze Land aus. Es entwickelte sich eine reiche Baukultur, die den Maßstäbe setzenden Bauten des kunstsinnigen und repräsentationsfreudigen Herrscherhauses zu verdanken war – zahlreiche Kulturdenkmale legen noch heute unmittelbares Zeugnis davon ab.

Das Sächsische Denkmalschutzgesetz von 1993 definiert Kulturdenkmale als »von Menschen geschaffene Sachen, Sachgesamtheiten, Teile und Spuren von Sachen einschließlich ihrer natürlichen Grundlagen, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen, städtebaulichen oder landschaftsgestaltenden Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt.« Sie sind materielle Zeugnisse gerade dieser landesgeschichtlichen Entwicklung. Diese Werte gilt es zu erkennen, zu erforschen, zu dokumentieren, in enger Verbindung und Abstimmung mit den Denkmaleigentümern zu pflegen und für künftige Generationen zu bewahren. Für die Realisierung dieses im Sächsischen Denkmalschutzgesetz formulierten Auftrages ist das Landesamt für Denkmalpflege zuständig.

Das Sächsische Denkmalschutzgesetz folgt mit diesen Grundsätzen der schon 1825 im § 1 des »Königlich sächsischen Vereins zur Erforschung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer« formulierten Aufgabenbeschreibung denkmalpflegerischer Arbeit. Das in den Jahren der Napoleonischen Kriege in Deutschland gewachsene nationale Selbstverständnis hatte zur verstärkten Würdigung und intensiveren Beschäftigung mit »vaterländischen Altertümern « geführt. Dabei kam der Bewahrung der Baudenkmale, die als bauliche Fixpunkte zu Symbolen der kulturellen Identität des Landes wurden und nun vor den Folgen gesellschaftlicher Umbrüche und der Industrialisierung zu sichern waren, besondere Bedeutung zu. Bis heute ist das Interesse der Bevölkerung an ihrem Herkommen, ihren »Wurzeln« und an ihrem historischen Umfeld ungebrochen. Dies belegen unzählige private Initiativen, die stabile Leserschaft der »Sächsischen Heimatblätter«, des Kalenders »Sächsische Heimat«, der »Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz e. V.« oder der »Werte der deutschen Heimat«. Auch dass die ehrenamtlich gestalteten »Tage des offenen Denkmals« und die vielen Naturschutzaktivitäten immer attraktiver und auch immer besser angenommen werden oder dass das Engagement z. B. im Landesverein Sächsischer Heimatschutz permanent steigt, kann als Indiz für ein steigendes Bevölkerungsinteresse an der jeweils eigenen Heimatregion verstanden werden.

Manches wirklich Wertvolle, Nachhaltige, Innovative liegt vielleicht als etwas in einer Landschaft lange Bewährtes, nur eben Vergessenes oder Bewahrenswertes unmittelbar vor der Tür. Kulturdenkmale verkörpern auf spezifische Weise Werthaltigkeit bzw. authentisch »erzählende«, gebaute Landesgeschichte. Die Wortstämme, die Bedeutung von »Wert« und »Würde« sind eng miteinander verwandt. Im Kulturdenkmal sind Wissen und Können unserer Altvorderen aufgehoben, auch deren eingebrachte Energie, ihre Haltung, ihr vertrauter Umgang mit der Landschaft und den von der Natur geschenkten Werten – im künstlerischen, handwerklichen, materialästhetischen und ethischen Sinne.

Vielleicht könnte das Erkennen und Bewahren dieser Werte zur Klärung gegenwärtiger Wertvorstellungen beitragen? Folgte man diesem Gedanken, wäre mit dem Verfall und der Gefährdung der Denkmal- und Kulturlandschaften unser eigenes Selbstverständnis bedroht oder zumindest in Frage gestellt. Es ginge unweigerlich mit diesen kulturellen Werten ein Teil unserer Würde verloren, gefolgt von einem »sich selbst vergessen«.

Und mit diesem »nicht mehr wissen« wäre unter Umständen eine Entwurzelung verbunden, ein nicht mehr wirklich »vor Ort Zuhause sein«. Im größeren Maßstab hieße das Heimatlosigkeit.

Europäisch und global betrachtet ist dies jedoch langfristig mit fatalen Folgen verbunden. Durch den Verlust eigenständiger Werte und den Verlust einer erkennbaren kulturellen Individualität und Prägung einer Kulturlandschaft wird diese beliebig und unattraktiv, anfangs für Touristen, letztendlich auch für ihre Bewohner.

Im Folgenden sollen beispielhaft (noch) typische sächsische Denkmallandschaften kurz vorgestellt werden – das Sächsische Vogtland, das Erzgebirge, Chemnitz und westliches Erzgebirgsvorland, das Nordsächsische Heideland, die Lommatzscher Pflege, das Muldental, der Leipziger Südraum, die Oberlausitz und natürlich das Obere Elbtal.

Neben der Vielfalt und Wertigkeit der Denkmallandschaften und ihren historischen Entwicklungsschüben werden auch die mit dem strukturellenund demografischen Wandel einhergehenden Gefährdungen aufgezeigt. Die Gebietsauswahl ist landschaftlich ausgerichtet und streift die großen Städte nur. Dies schien gerechtfertigt, da sie weit häufiger als der ländliche Raum im Fokus der öffentlichen und fachwissenschaftlichen Wahrnehmung stehen.

Dieser Aufsatz kann nur knappe Einblicke in die vorhandene Wertfülle – auch zu deren Bedrohung – vermitteln, Hinweise geben und zu eigener Auseinandersetzung anregen.

Eine eigene praktische Anteilnahme an Erhaltung und Pflege von Kulturdenkmalen der jeweiligen Heimatregion setzt allerdings meist Erwerbschancen oder Lebensgrundlagen vor Ort voraus. Das Fehlen dieser Erwerbsgrundlagen erleben derzeit vor allem die nicht im Speckgürtel der Zentren gelegenen und damit auch als Pendler-Wohnorte nicht geeigneten Randgebiete, in denen die Kleinindustrie nach 1990 zusammengebrochen ist.

Denkmalpflege ist auch hier kein Allheilmittel und Sanierung kann dauerhaft nicht verordnet werden. Wo kein Nutzer bzw. Eigentümer mehr da ist, fehlen die für sich selbst und auch für die Gesellschaft Bewahrenden und Pflegenden, eben die nach dem Sächsischen Denkmalschutzgesetz für die Erhaltung Zuständigen. Allerdings wäre im kulturpolitischen Rahmen eingehender zu prüfen, ob für die Geschichte und das Selbstverständnis der Regionen wesentliche Objekte »über die Zeit« gebracht und für die kommenden Generationen erhalten werden müssten – auch ohne eine momentane Nutzung. Im Folgenden stellen die jeweils für die Region zuständigen Referenten des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen die von ihnen betreuten Kulturlandschaften dar.1

Sächsisches Vogtland

Die über Jahrhunderte gewachsene Kultur- und Denkmallandschaft des Sächsischen Vogtlandes ist zunächst durch die Schönheit der Natur geprägt. Das Vogtland bezeichnet unter topographischen Gesichtspunkten die Mittelgebirgslandschaft zwischen Erzgebirge und Thüringer Wald, eingebettet im Dreiländereck der deutschen Freistaaten Sachsen, Thüringen und Bayern sowie dem westböhmischen Egerland in Tschechien. Kulturgeschichtlich betrachtet ist das Vogtland ein historisch-politisches Territorium. Die Bezeichnung »terra advocatorum« (Land der Vögte) in einer Urkunde von Kaiser Karl IV. (1343) verbindet die grenzübergreifende Region am Oberlauf von Elster und Saale seither mit dem Namen »Vogtland«. Der Name der Landschaft verweist damit rückblickend auf das seit der hochmittelalterlichen Kolonisation der Stauferzeit um 1200 von den Vögten von Weida, Gera und Plauen verwaltete Reichsterritorium, das sich vom Egerland (»regio egire«, 1135) im Süden bis zum Pleißenland (»terra plisnensis«, 1158) im Norden erstreckte und als Reichsvogtei von königlich-kaiserlichen Beamten verwaltet wurde.

Das Vogtland blieb im Verhältnis zum Eger- und Pleißenland jedoch ohne Kaiserpfalz, Reichsburg und Reichsstadt und war damit stets Durchgangsgebiet zwischen den Reichsstädten Eger und Altenburg. Der im Verlauf des 13. Jahrhunderts von den drei Vogtslinien Weida, Gera und Plauen gebildete grenzübergreifende Herrschaftsraum geriet in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Lehnsabhängigkeit zu den Königen von Böhmen und zum Herrscherhaus der Wettiner. Das heutige Sächsische Vogtland wurde um 1600 vom Kurfürstentum Sachsen verwaltungsmäßig zum »Voigtlaendischen Creiss« zusammengefasst. Der »Vogtländische Kreis« wurde 1835 im Königreich Sachsen zum Kreis Zwickau geschlagen.

Die Kultur- und Denkmallandschaft Sächsisches Vogtland gliedert sich in drei annähernd eigenständige Landschaftsteile mit charakteristischen Einzelorten sowie regional bedeutsamen Kulturdenkmalen.

Das Obere Vogtland verbindet die Benennung »Klingende Täler« mit dem Namen der Städte Klingenthal und Markneukirchen, wo um ihres Glaubens willen vertriebene Emigranten über Jahrhunderte eine weltweit bekannte Musikinstrumentenindustrie aufbauten. Die Bezeichnung »Bäderwinkel« verbindet die Kurorte Bad Elster und Bad Brambach, wo deren radonhaltige Mineralquellen im ursächlichen Zusammenhang mit den Heilquellen im böhmischen Bäderdreieck Franzensbad, Marinenbad und Karlsbad stehen. Das Obere Vogtland erstreckt sich von der Stadt Adorf über den Musik- und Bäderwinkel bis hinauf zur Wintersportregion des 936 Meter hohen Aschbergs. Entlang der Zuflüsse und Bäche im Ursprungsgebiet der Weißen Elster befinden sich in den tief eingeschnittenen Tälern im Südzipfel des Vogtlandes zahlreiche Dörfer, die in ihrer Holzblockbauweise mit Umgebinde-Stützkonstruktion an den schmuckreichen Giebelseiten unter dem Einfluss der Böhmisch-Egerländer Zimmermannskunst stehen.

Das Mittlere Vogtland, auch als mittelvogtländisches Kuppenland bezeichnet, schließt sich mit seinen städtischen Zentren Oelsnitz und Plauen nördlich von Adorf in abwechslungsreicher Oberflächengestaltung an die »Vogtländische Schweiz« mit den Erholungsgebieten der Talsperren Pirk und Pöhl an. Die an der Weißen Elster gelegenen Städte Oelsnitz und Plauen fungierten seit dem mittelalterlichen Landesausbau als Zentren eines jeweils größeren Herrschaftsgebietes. Zu Zeiten der Hochkolonisation im 13. Jahrhundert war der sogenannte »Hradschin« zu Plauen die Residenz der Vögte von Plauen und Schloss »Voigtsberg« bei Oelsnitz der Sitz der Vögte von Straßberg. Plauen und Oelsnitz sind noch heute Verwaltungsmittelpunkte des Vogtlandes und darüber hinaus nach wie vor wichtige Verkehrs-, Produktions- und Indus- triestandorte. Die Stadt Plauen ist seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem als Produktionsstandort der Textilindustrie »Plauener Spitze« weltweit bekannt. Oelsnitz gelangte im 19. Jahrhundert als Teppichstadt zu Weltruf.

Das Untere Vogtland mit seinen Hochflächen, Hügeln und Flusstälern links- und rechtsseitig der Weißen Elster gliedert sich naturräumlich in das nördliche Vogtland und das östliche Vogtland. Letzteres ist entlang dem Tal der Göltzsch durch eine Siedlungskonzentration dicht beieinander liegender Städte wie Falkenstein, Ellefeld, Auerbach, Rodewisch und Lengenfeld gekennzeichnet. Nicht von ungefähr ist seit 1925 die Vereinigung der fünf Städte an der Göltzsch zu einer »Großstadt Göltzschtal« im Gespräch. Das nördliche Vogtland wird entlang des unteren Göltzschtales durch die Städte Netzschkau mit dem spätgotischen Schloss, Mylau mit seiner alten Kaiserburg und Reichenbach als Hauptort der Region mit seinen der Moderne verpflichteten städtischen Bauten geprägt. Der Städteverbund »Nördliches Vogtland« mit den Städten Reichenbach, Mylau, Netzschkau, Elsterberg, Lengenfeld und der thüringischen Stadt Greiz wirbt als »Göltzschtal-Region« mit der Göltzschtalbrücke als der größten Ziegelbrücke der Welt.

Das Sächsische Vogtland als traditionelles Kernland des länderübergreifenden Raumes im Südzipfel des Freistaates Sachsen ist aufgrund seiner landschaftlichen und kulturgeschichtlichen Eigenart als großflächige und nationalwertige Kulturlandschaft vergleichbar den Weinbergen entlang der Elbhänge oder den Bergbaulandschaften um Freiberg und Schneeberg.

content-pic_84-116_pohlack-1.jpg Abb. 1: Schneeberg, Blick auf die Altstadt. Abdruck aller Abbildungen zu diesem Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen.

Erzgebirge

Das Erzgebirge erhielt seinen Namen im 16. Jahrhundert wegen des ertragreichen Silberbergbaus. Es ist ein Pultschollengebirge, das durch viele Flusstäler gegliedert wird, von Norden sanft ansteigt und nach Süden steil abfällt. Das Erzgebirge wird im Südwesten durch das Vogtland und im Nordosten durch die Sächsische Schweiz begrenzt. Nach Norden geht es in das Erzgebirgsbecken bzw. das Erzgebirgsvorland über. Im Süden bestimmt es die naturräumliche Grenze zwischen Sachsen und Böhmen.

Durch das unwegsame, bewaldete Gebirge führten zunächst nur wenige Passstraßen, an denen Burgen und Siedlungen entstanden. Die bäuerliche Besiedlung des Erzgebirges begann in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Sie wurde durch verschiedene Adelsgeschlechter vorangetrieben und durch die Klöster im Vorland unterstützt. Obwohl das raue Klima nur bedingt Landwirtschaft zuließ, schob sich die Besiedlung immer weiter in das Gebirge vor. Es entstanden die für die Landschaft typischen Waldhufendörfer, später in den Kammlagen die Streusiedlungen.

Durch den Fund von Silbererz im Jahre 1168 in der Umgebung von Freiberg bildete sich ein bedeutendes Bergbaurevier heraus. Das »Berggeschrey « lockte verstärkt Menschen, die nach neuen Erwerbsmöglichkeiten suchten, in das Erzgebirge. Neben Silber- wurden vor allem Zinn- und Eisenerz gewonnen. Eine zweite Blüte erlebte der Bergbau etwa ab der Mitte des 15. Jahrhunderts. Es entstanden viele neue Bergstädte. Sie verdankten ihre Gründung vielversprechenden Erzfunden in der unmittelbaren Umgebung. Während in Schneeberg die Besiedlung einer planmäßigen Stadtentwicklung zuvorkam, wurden die Städte Annaberg und Marienberg sowie mehrere kleinere Bergstädte wie Scheibenberg oder Oberwiesenthal nach sorgfältiger Platzsuche und nach einem auf das jeweilige Terrain abgestimmten städtebaulichen Entwurf und unter Aufsicht der Landesherrschaft angelegt. Neben dem Bergbau entwickelten sich vielfach Stätten der Erzverarbeitung.

Um 1550 setzte ein Niedergang des Bergbaus ein. Erst nach der Mitte des 18. Jahrhunderts nahm die Erzgewinnung wieder zu. Neben Silber wurden Kobalt, Uranerz, Kaolin, Blei, Zink und andere Metalle abgebaut. Geringer werdende Ausbeute und Preisverfall bei Rohstoffen führten im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert nach und nach zur Stilllegung der unwirtschaftlichen Gruben. Eine Montanindustrie konnte sich nicht entwickeln. Holzverarbeitung, Spitzenklöppeln, Stickerei und Textil- sowie Metallverarbeitung boten den Menschen neue Arbeitsmöglichkeiten. Ein erneuter Aufschwung des Bergbaus kam 1945 durch den Abbau von Uranerz insbesondere um Johanngeorgenstadt, Bad Schlema und Aue in Gang.

Die Kulturlandschaft des Erzgebirges verdankt ihren Charakter und ihre Entwicklung dem Bergbau. Er hat die Kultur und Lebensweise der Menschen lange Zeit bestimmt. Die Traditionen werden bis heute liebevoll gepflegt. »Alles kommt vom Bergwerk her« lautet ein historischer Ausspruch.

Das Erzgebirge kann auf einen umfangreichen Bestand an Kulturdenkmalen verweisen. Zeugnisse des Bergbaus wie Halden, Schächte, Huthäuser, Bergschmieden, Pingen oder Kunstgräben und Kunstteiche sind noch an vielen Orten anzutreffen. Die Altstädte von Freiberg, Zschopau, Wolkenstein, Schneeberg und Annaberg dokumentieren mit ihrer Stadtanlage, ihren unterschiedlichen Strukturen und topographischen Eigenheiten die Entwicklung des Städtebaus vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. In Marienberg wurde 1521 ein auf antiken Städtebautheorien basierendes Idealstadtkonzept umgesetzt.

Mit den national bedeutenden obersächsischen Hallenkirchen in Freiberg, Annaberg und Schneeberg wurde ein wichtiger Beitrag zur spätgotischen Sakralarchitektur in Deutschland geleistet. Unter den Dorfkirchen nehmen die mittelalterlichen Wehrkirchen und die barocken Zentralbauten eine besondere Stellung ein. Die Herrschaftsbauten tragen den Charakter von Landmarken (Augustusburg) oder städtebaulichen Dominanten (Freiberg, Zschopau, Wolkenstein, Schwarzenberg, Neuhausen u. a.). Bei den Rittergütern und Herrenhäusern bilden die Hammerherrenhäuser eine eigenständige Gruppe. In den Bergstädten hat sich ein umfangreicher Bestand an Bürgerhäusern aus dem späten 15. bis zum 19. Jahrhundert erhalten. Hervorzuheben sind die Freiberger Altstadt mit ihren Häusern aus der Zeit der Spätgotik und der Renaissance sowie die barocken Bauten Schneebergs. Die reichen Erzfunde führten im späten 15. und im frühen 16. Jahrhundert auch zu einem Aufschwung der bildenden Kunst. Zahlreiche Bildschnitzer und Maler ließen sich in den Zentren Freiberg und Chemnitz sowie an anderen Orten nieder und schufen außergewöhnliche und kunstgeschichtlich bedeutende Werke.

Der Fachwerkbau prägte die ländliche Bauweise. Blockbau und Umgebinde waren weit verbreitet. Im Erzgebirge wurden nach den erhaltenen Befunden die reichsten Fachwerkzierformen Sachsens hervorgebracht. Als Hofform dominierte der Dreiseithof. Durch die vielfach in den Erzgebirgsdörfern im 19. Jahrhundert einsetzende industrielle Entwicklung haben sich die Dorfbilder verändert. Wasserkraft und Holz boten die natürlichen Voraussetzungen für die Erzverarbeitung. Sie waren im Gebirge reichlich vorhanden und führten zur Entstehung vieler Hammerwerke und Mühlen. Als anschauliche Beispiele für das Hüttenwesen haben sich die Ensembles der Saigerhütte in Olbernhau- Grünthal und des Frohnauer Hammers erhalten.

Um 1800 setzte im Erzgebirge eine verstärkte industrielle Entwicklung ein, die bis heute in der Architektur der Städte und Dörfer ablesbar ist. Bemerkenswert sind die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen Spinnmühlen, die sich in ihrer architektonischen Gestaltung an traditionellen repräsentativen Bauten orientierten. Sie bildeten die Grundlage für die Textilindustrie im Chemnitzer Raum. Die Industriearchitektur war immer ein Synonym für wirtschaftlichen Fortschritt. Sie nahm im Verlauf des 19. Jahrhunderts Bezug auf die vorherrschenden Baustile. Vom Beginn des 20. Jahrhunderts an bis in die 1930er Jahre entstanden Industriebauten häufig als unkonventionelle moderne Architektur.

Die Bemühungen um die Erhaltung herausragender Werke der Architektur bzw. der bildenden Kunst reichen im Erzgebirge bis in das 15./16. Jahrhundert zurück. Am Anfang stehen die Umsetzungen der »Goldenen Pforte« am Freiberger Dom und der »Schönen Tür« des Meisters HW von der Franziskanerkirche an die St. Annenkirche in Annaberg. Besondere Beachtung verdient auch der Abbruch und Wiederaufbau der Lauterbacher Wehrgangkirche am neuen Standort auf dem Friedhof unter Bewahrung der vorhandenen Bausubstanz und der historischen Ausstattungsstücke (1905/06).

Von Kriegsschäden war besonders die Stadt Schneeberg betroffen. Der Wiederaufbau der St.-3.jpg" src="http://www.denkstDenkmalpflege über mehrere Jahrzehnte begleitet. Er fand 1996 seinen Abschluss mit der Indienststellung des Cranach-Altares. Mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Raumfassung und der bedeutenden Ausstattung der St. Annenkirche in Annaberg- Buchholz durch moderne restauratorische Untersuchungsmethoden gelang eine international anerkannte denkmalpflegerische Leistung. Die erzgebirgischen Kirchgemeinden haben ihre Gotteshäuser mit viel Engagement gepflegt, so dass keine Kirchen abgängig wurden. Einen Schwerpunkt bildete zunehmend auch die städtebauliche Denkmalpflege. Von flächenhaften Gebäudeabbrüchen blieben die Bergstädte verschont. Durch finanzielle und materielle Zwänge waren die Möglichkeiten der Pflege von Kulturdenkmalen eingeschränkt. Trotzdem konnten bei der Instandsetzung und Restaurierung von Einzelbauten und Ensembles im städtischen und ländlichen Raum sowie bei der Industriedenkmalpflege sehr gute Ergebnisse erzielt werden.

Nach 1990 hat sich das Arbeitsfeld der Denkmalpflege durch die er- gänzende Erfassung von Kulturdenkmalen und den Reparaturrückstau beträchtlich erweitert. Durch verschiedene Förderprogramme konnten viele Kulturdenkmale saniert und modernisiert werden. Das Erscheinungsbild der Altstädte und der Dörfer hat sich dadurch in den vergangen beiden Jahrzehnten positiv verändert. Die Stilllegung von Betrieben und die demographische Entwicklung führten zunehmend auch zum Leerstand vieler technischer Denkmale sowie historisch wertvoller ländlicher und städtischer Gebäude. So steht die Denkmalpflege auch im Erzgebirge immer wieder vor neuen Herausforderungen.

Chemnitz und westliches Erzgebirgsvorland

Mit der Stadt Chemnitz und dem westlichen Erzgebirgsvorland von Flöha bis Glauchau verbindet sich vor allem der Gedanke an industrielle Produktion. Seit die Region im 19. Jahrhundert zu einem der führenden Zentren der industriellen Revolution in Deutschland aufstieg, prägten weitläufige Fabrikanlagen und Schornsteine das Angesicht der Städte und Dörfer. Eine Vielzahl an Eisenbahnstrecken beschleunigte den Prozess der Industrialisierung und ließ Chemnitz zu einem bedeutenden Eisenbahnknoten mit großem Rangierbahnhof sowie Bahnbetriebs- und Reparaturwerken werden. Viele Sachzeugen dieser Entwicklung haben sich trotz Kriegseinwirkungen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs nach der politischen Wende erhalten und bilden wesentliche Teile des Denkmalbestandes.

content-pic_84-116_pohlack-2.jpg Abb. 2: Chemnitz, Eisenbahnviadukt über Annaberger Straße und Chemnitz-Fluss.

Das Oberzentrum Chemnitz geht auf zwei mittelalterliche Siedlungskerne zurück, die im Zuge der deutschen Ostkolonisation entstanden sind: das 1136 von Kaiser Lothar gestiftete Benediktinerkloster auf dem Schlossberg und die um 1170 als planmäßige Gründung Kaiser Friedrich Barbarossas in direkter Nachbarschaft zum Kloster entstandene Fernhandelsstadt.

Bis auf die romanischen Kerne vieler Dorfkirchen und deren spätgotische Überformung ist nur wenig bauliche Substanz aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit erhalten. Im Chemnitzer Stadtgebiet gehören dazu Kirche und Klausurgebäude des Klosters, das nach der Säkularisierung ab 1546 zum kurfürstlichen Schloss umgebaut wurde und heute als Schlossbergmuseum Objekte zur Stadtgeschichte und einen überregional bedeutenden Bestand an mittelalterlicher Plastik beherbergt. Darunter befindet sich das sogenannte Heilige Grab, ein um 1500 zur Verwendung in der Karliturgie entstandenes Schnitzwerk, das in der Nachbildung einer gotischen Kathedrale das Grab Christi zur Darstellung bringt. Mit der auf 1515 datierten Geißelsäule des Meisters HW und dem Ende der 1970er Jahre ins Kircheninnere versetzten Astwerkportal des Franz Maidburg von 1525 weist der heute als Gemeindekirche genutzte Sakralbau des Klosters selbst bedeutende Hauptwerke der spätmittelalterlichen sächsischen Skulptur auf.

Der Rote Turm, das erst später in die jüngere Stadtbefestigung einbezogene feste Haus des herrschaftlichen Richters, stellt das älteste profane Zeugnis der Stadtbaugeschichte dar. Umliegende Herrensitze wie Schloss Lichtenwalde, Burg Rabenstein und Wasserschloss Klaffenbach legen Zeugnis von der in das waldreiche Erzgebirgsvorland ausgreifenden Landnahme ab.

Ein landesherrliches Bleichprivileg sicherte der jungen Stadt Chemnitz wirtschaftliche Dominanz in der Leineweberei, die ihre Ergänzung durch die Strumpfwirkerei des Limbacher Raumes fand. Beide Gewerbezweige schufen die Grundlage für die rasche Industrialisierung des Chemnitzer Raumes, die um 1800 mit der Anlage erster Spinnmühlen nach englischem Vorbild ihren Anfang nahm. Die ältesten Beispiele dieses neuen Bautypus stellen das 1798 erbaute Produktionsgebäude der Bernhardschen Spinnerei in Harthau und die nahezu gleich alte, in späteren Erweiterungsbauten aufgegangene Spinnmühle der Webstuhlfabrik Schönherr im Zentrum der Stadt dar. Aufgereiht wie Perlenschnüre griffen diese charakteristischen Fabrikbauten entlang der Flüsse ins Umland aus.

Die technischen Fertigkeiten aus dem Bergbau des nahen Erzgebirges befruchteten die Entwicklung der industriellen Produktion. Im 16. Jahrhundert lebte Georgius Agricola, führender Theoretiker des Montanwesens und Betreiber einer Saigerhütte, in Chemnitz. Aus dem Bedürfnis der Textilunternehmer des frühen 19. Jahrhunderts nach Reparatur und Weiterentwicklung ihrer Produktionsmittel entstand der Maschinenbau als eigene Disziplin. Insbesondere sein Aufstieg – angefacht durch das Aufkommen des Dampfantriebs – trug Chemnitz den Beinahmen »Sächsisches Manchester« ein. Steinkohlefunde in der Zwickauer Region sowie um Stollberg und Oelsnitz intensivierten den Prozess der Industrialisierung nach 1850.

Die gewerbliche Produktion hat dem Chemnitzer Raum nicht nur unzählige Fabrikbauten beschert, sondern mit dem ständig wachsenden Bedarf an Arbeitskräften im ausgehenden 19. Jahrhundert zu einer raschen Ausbreitung der Siedlungsgebiete geführt. Dies ist besonders gut an den gründerzeitlichen Erweiterungsgebieten der Stadt Chemnitz ablesbar. Ihre Bevölkerungszahl wuchs von 45 000 (1860) auf 300 000 zu Beginn des Ersten Weltkriegs an. Das Stadtgebiet griff erstmals über den mittelalterlichen Kern hinaus.

Die erfolgreichen Fabrikanten ließen sich prachtvolle Villen errichten und bereicherten das öffentliche Leben als Stifter und Mäzene. Herbert Esche, Spross einer nach Chemnitz übergesiedelten Strumpfwirkerdynastie aus Limbach, engagierte für den Bau seines Wohnhauses – die Villa Esche – den avantgardistischen belgischen Jugendstilkünstler Henry van de Velde und quartierte später den norwegischen Maler Edvard Munch, der eine umfangreiche Porträtfolge der Familie schuf, bei sich ein. Beiden Künstlern half er so bei ihrer Etablierung in Deutschland.

content-pic_84-116_pohlack-3.jpg Abb. 3: Chemnitz, Villa Esche, Parkstraße.

Mit dem steigenden Wohlstand nach der Reichsgründung 1871 entstanden zahlreiche Verwaltungs- und Kulturbauten, in den 1920er Jahren etliche Fabriken im Art-Deco-Stil der Roten Moderne. Der aufblühende Uranabbau um Johanngeorgenstadt und Schwarzenberg ließ in Chemnitz das Verwaltungszentrum der deutsch-sowjetischen Wismut (SDAG) entstehen. Im Stadtteil Siegmar wurden Verwaltungsbauten, Freizeiteinrichtungen, ein Krankenhaus sowie ein Kultursaalgebäude im stalinistischen Stil, der heute vom Abriss bedrohte »Palast der Bergarbeiter«, errichtet.

In der Stadt Chemnitz und ihrem Umland bemühen sich vor allem mittelständische Unternehmen des Maschinenbaus, die gewerblich-technische Tradition fortzusetzen. Die Technische Universität Chemnitz unterstützt sie mit innovativer Forschung. Unter der Tourismusmarke »Stadt der Moderne« versucht sich die drittgrößte Stadt Sachsens auch anderweitig zu vermarkten. Besondere Bedeutung kommt dabei den städtischen Kunstsammlungen zu, die sich mit überregional beachteten Ausstellungen und der Ansiedlung der Sammlung Gunzenhauser mit Werken der klassischen Moderne im denkmalgeschützten Verwaltungsbau der städtischen Sparkasse aus den 1920er Jahren einen Namen gemacht haben.

Nordsächsisches Heideland

Das Nordsächsische Heideland wird im Osten vom Jahnatal, im Süden von der Freiberger Mulde, westlich vom Leipziger Land und nördlich von der Dübener Heide begrenzt und umfasst große Bereiche der sanft hügeligen mittelsächsischen Gefildezone, der Dahlener, Mutzschener und der Dübener Heide und der Elbaue um Torgau. Seine höchsten Erhebungen findet das Gebiet im Collm bei Oschatz sowie den Hohburger Bergen nördlich von Wurzen.

Kulturlandschaftlich ist eine deutliche Trennung zwischen dem nördlichen Bereich von Eilenburg, Torgau bis hin nach Belgern und dem südlichen Gebiet zwischen Oschatz, Wurzen und Grimma festzustellen. Eine natürliche Grenze bilden die bewaldeten Erhebungen der Dahlener Heide und Hohburger Berge. Der gering besiedelte, von größeren Waldgebieten und weiten Auen dominierte Norden, Teil des einstigen Kurkreises, gehörte zwischen 1815 und 1945 bis 1952 zur preußischen Provinz Sachsen bzw. Provinz Sachsen-Anhalt und erfuhr in dieser Zeit eine sehr nachhaltige kulturelle und bauliche Prägung. Der Süden, ehemals zum Meißner und Leipziger Kreis gehörig, ist relativ dicht besiedelt und wird von der stark agrarisch genutzten Lößhügellandschaft mit ihren zahlreichen, teilweise sehr kleinen Dörfern bestimmt.

content-pic_84-116_pohlack-4.jpg Abb. 4: Hof bei Oschatz, Altes Schloss.

Die größeren Städte Eilenburg, Torgau, Oschatz, Wurzen und Grimma fungierten seit dem Mittelalter traditionell als Zentren ihres ländlichen Umfeldes. Bis auf Oschatz entstanden alle Städte im Zusammenhang mit einer Burg und stellten auch in der Neuzeit mit ihren Schlössern Schwerpunkte markgräflicher, kurfürstlicher oder bischöflicher Macht dar. Eine sehr ausgeprägte Residenzfunktion erlangte Torgau, das zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert zu den bedeutendsten Machtzentren der Wettiner zählte.

Alle genannten Städte bis auf das stark kriegszerstörte Eilenburg besitzen noch gut erhaltene Stadtkerne mittelalterlichen Ursprungs mit einer über die Jahrhunderte kontinuierlich gewachsenen historischen Bebauung und teilweise noch Stadtmauern wie Grimma, Oschatz und Torgau. Am wenigsten zerstört hat sich Torgau mit einer geschlossenen Bebauung aus dem Spätmittelalter und vor allem der Renaissance erhalten. Es zählt zu den schönsten Renaissancestädten Europas.

Von geringerem ökonomischem und politischem Gewicht waren die kleineren, meist von Ackerbürgern bewohnten Städte Mügeln, Trebsen und Dahlen im südlichen Teil sowie Düben, Dommitzsch, Schildau und Belgern im Norden, die aber dennoch prägend für die Kulturlandschaft sind. Charaktervolle Stadtkerne haben sich u. a. in Belgern und Bad Düben, etwas weniger markant in Dahlen und Schildau erhalten.

An Herrschaftssitzen des Mittelalters ist vor allem die Eilenburger Burg bedeutsam, auch wenn sich substantiell nur wenig von ihr erhalten hat. Eines der vielleicht eigenwilligsten, weder historisch noch typologisch bisher eindeutig bestimmten Bauwerke ist das »Wüste Schloss« vor den Toren von Oschatz, das zu Beginn des 13. Jahrhunderts vermutlich von Markgraf Dietrich erbaut wurde. Romanische Substanz findet sich auch im Kern des stattlichen, spätgotisch erweiterten Grimmaer Schlosses. Neben dem großzügigen Renaissanceschloss Hartenfels in Torgau bildet Wermsdorf mit seinem alten Jagdschloss aus der späten Renaissance und dem barocken Schloss Hubertusburg einen Ort exzeptioneller Herrschaftsarchitektur. Letzteres ist als Zweitresidenz von Kurfürst Friedrich August II. im repräsentativen Format eines Königsschlosses errichtet worden und damit nicht nur der größte Schlossbau Sachsens überhaupt, sondern auch einer der Höhepunkte sächsischer Architektur im sogenannten Augusteischen Zeitalter.

In Wurzen und Mügeln befinden sich stadtbildbeherrschende Schlösser der Meißner Bischöfe. Zahlreiche Adelssitze mit Schlössern oder Herrenhäusern und z. T. ausgedehnten Gutskomplexen und Parkanlagen bestimmen die ländlichen Bereiche – Trebsen, Püchau, Thallwitz, Nischwitz, Thammenhain, Zschepplin, Schnaditz, Trossin, Dahlen, Börln, Hof, Wellerswalde, Lampertswalde, Leuben, Mahlis, Noschkowitz und Bornitz sind nur einige.

Eine sehr eigene Prägung mit Rittergutsdörfern wie Adelwitz, Pülswerda, Triestewitz, Kathewitz, Kamitz, Köllitsch, Weßnig, Kunzwerda oder Bennewitz entwickelte sich in der Torgauer Elbaue. Stattliche Gestüte und ehemals landesherrliche Domänen umgeben Torgau, so z. B. Repitz, Kreischau und Graditz. Zu den anspruchsvollsten barocken Schlössern zählen Nischwitz bei Wurzen, Hohenprießnitz bei Düben und Dahlen, letzteres leider nur als gesicherte Ruine. Als einer der bemerkenswertesten historistisch überformten Bauten ist Schloss Püchau bei Wurzen zu nennen.

Weiterhin stellen die Sakralbauten eine wichtige und in allen Teilen des Gebietes sehr präsente Komponente der Kulturlandschaft dar, allen voran die großen Stadtkirchen, die meist monumentalen Charakter angenommen haben und prägnante »Stadtkronen« bilden, wie z. B. die Marienkirchen in Torgau und Dommitzsch, St. Wenceslai in Wurzen, St. Aegidien in Oschatz und die Frauenkirche in Grimma. Ihre Substanz reicht meist bis in die Gründungszeit der Städte zurück. Eine Sonderstellung nimmt die Kollegiatsstiftskirche (Dom) in Wurzen ein.

In den meisten Kirchen haben sich Bauteile und Ausstattungsstücke aus der Zeit des Mittelalters biser eingebettet sind. Die kleinen Orte haben oft nicht mehr alb besonderen Zeugniswert für die sächsische Kulturgeschichte. Dies gilt gleichsam für die Dorfkirchen. Deren früheste Vertreter stehen nicht selten in direktem Zusammenhang mit der Besiedlung des Landes. Davon künden die zahlreichen romanischen Kirchen, die um Wurzen, Grimma und Oschatz ebenso anzutreffen sind wie in der Torgauer Elbaue. Stolz aufragende Türme als Landmarken, wie z. B. in Zschoppach, Ragewitz, Hohenwussen und Hof oder sich behäbig wie »Glucken« über die dörflichen Umgebung legende Bauten wie in Schmorkau, Laas, Lampertswalde, Dautzschen oder Falkenberg bieten ein vielgestaltiges Bild. Aus der umfangreichen Gruppe romanischen Ursprungs seien stellvertretend nur die Kirchen in Mockrehna, Klitzschen, Weidenhain und Cavertitz genannt. Mittelalterlichen Ursprungs, aber mit prägenden Ausstattungen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts sind die Bauten in Altmügeln und Triestewitz.

Die Kirchen in Schmannewitz bei Dahlen (George Bähr), Terpitz bei Oschatz oder Schweta bei Mügeln bzw. in Hof (Johann Georg Fuchs) und Calbitz (David Schatz) stellen die vielleicht anspruchsvollsten Barockkirchen der Region dar. Eine sehr auffällige Gruppe barocker Fachwerkkirchen findet sich landesübergreifend in der Niederung zwischen Elbe und Schwarzer Elster, auf heutigem sächsischem Territorium befinden sich beispielsweise Blumberg und Döbrichau.

Mit wichtigen Bauten sind auch die Epochen von Klassizismus und Historismus im Territorium vertreten. Zu nennen sind hier u. a. die Stadtkirche von Bad Düben und die Aegidienkirche in Oschatz (Alexander Heideloff), letztere mit ihrer kathedralartigen Westfront eines der bedeutendsten Bauwerke der frühen Neugotik in Sachsen. Im nördlichen Bereich, so in Pressel, Wörblitz oder Greudnitz, fallen zahlreiche neugotische Backsteinkirchen auf, die auf die Schule Schinkels zurückgehen. Schöne klassizistische Formen und ein neugotisch erhöhter Turm prägen die Kirche von Polbitz.

Bemerkenswerte Zeugnisse klösterlicher Architektur finden sich in Nimbschen bei Grimma, in Oschatz (Franziskanerkirche), in Torgau (ehem. Franziskanerkirche, später Alltagskirche, heute Gymnasium) und in Grimma ( Augustinerkirche) sowie in Belgern (Klosterhof des Zisterzienserklosters Buch).

An herausragenden städtischen Bauwerken sind in erster Linie die Rathäuser zu nennen. Die qualitätvollsten und einprägsamsten Vertreter dieses Bautyps finden sich in Torgau, Colditz, Belgern, Oschatz, Wurzen, Grimma und Bad Düben; ein bemerkenswerter Bau der Gründerzeit begegnet uns in Dahlen. Mit ihrem Vogtshaus besitzt die Stadt Oschatz das älteste bisher nachweisbare steinerne Haus in städtischem Kontext in Sachsen, entstanden um 1200. An weiteren öffentlichen Bauten ist die ehemalige Fürstenschule, heute Gymnasium St. Augustin, in Grimma zu nennen, ein palastartig-repräsentativer Neurenaissance- Bau, oder das großzügige barocke Proviantmagazin in Torgau.

Auch unter den Bauten der technischen Infrastruktur finden sich bemerkenswerte Zeugnisse im Gebiet, allen voran die Reste der barocken Brücke Pöppelmanns in Grimma oder die Bahnhofsbauten in Eilenburg, Mockrehna und Grimma (Oberer Bahnhof), das Eisenbahnviadukt über das Döllnitztal in Oschatz sowie Wassertürme mit erheblicher Präsenz im Stadtbild, so in Oschatz, Eilenburg und Torgau.

Stellvertretend für die vielfältigen Zeugnisse der Produktionsgeschichte stehen die opulenten und die Landschaft des Muldentales weithin beherrschenden Bauten der ehemaligen Krietsch-Werke in Wurzen (Mühlen und Speicher) und der Ziegeleiringofen in Großtreben, der wohl älteste erhaltene Hoffmannscher Bauart in Deutschland. Auch zahlreiche Windmühlen in unterschiedlichster Bauart haben sich mehr oder weniger vollständig erhalten; markant die stolzen Turmwindmühlen in Beilrode bei Torgau oder Querbitzsch bei Ablaß. Bock- und Paltrockmühlen stehen u. a. in Authausen, Großwig, auf dem Liebschützberg bei Oschatz, in Luppa, Schmannewitz, Audenhain oder Wellaune bei Düben. Bemerkenswerte Wassermühlen haben sich in Grimma und Dahlenberg erhalten.

Lommatzscher Pflege

Entlang des Mittelgebirgsvorlandes zieht sich quer durch Sachsen in West-Ost- Richtung von Thüringen bis in die Lausitz das Mittelsächsische Lößlehmgebiet. Die durch nacheiszeitliche Winde auf das nach Süden sanft steigende Land aufgewehten Decken aus Löß und Lößlehm bilden bis heute die Grundlage für das wohl beste Ackerbaugebiet in Sachsen, die Lommatzscher Pflege. Das hügelige Gelände zwischen der Döllnitz, der Elbe und der Linie der heutigen Autobahn 14 liegt ungefähr in der Mitte dieser geschlossenen Gefildezone.

Die Lommatzscher Pflege umgibt ein Ring von Städten, der bis ins 20. Jahrhundert hinein von der Ernte des Gebietes gelebt hat. Im Westen liegt Döbeln an der Freiberger Mulde mit seiner geschlossenen Altstadt, spätestens seit 1225 zur Mark Meißen gehörend. Nordwestlich folgt Oschatz als mittelalterliche Gründung. Mit seinem Tuchmacherhaus aus der Zeit um 1200 und der Kirche St. Aegidien erhebt sich die Stadt auf einem Sporn nach Osten. Von Nordosten ragen seit 1908 die Spitzen der Meißner Domtürme von Carl Schäfer über den mittelalterlichen Bau in die Lommatzscher Pflege hinein. Der über 1 000-jährige Siedlungsort an der Elbe unter dem ersten schlossartigen Herrschersitz der Wettiner, der Albrechtsburg, hat seinen über Jahrhunderte gewachsenen Altstadtkern inmitten von Weinbergen bewahren können. Die Stadt Nossen mit der über 800 Jahre alten Burg über der Freiberger Mulde und dem naheliegenden Kloster Altzella schließt den Ring. Im Mittelpunkt der Landschaft liegt die Kleinstadt Lommatzsch, die als historisches Zentrum des Getreidehandels der umliegenden Region den Namen gegeben hat. Der wohl um 1200 errichtete querrechteckige Westturm der Stadtkirche markiert mit den jüngeren Spitzen weithin die einstige Bedeutung der kleinen Stadt.

content-pic_84-116_pohlack-5.jpg Abb. 5: Praterschütz, eingebettet in die welligen Felder der Lommatzscher Pflege.

Zumindest über ein Jahrtausend wird die Lommatzscher Pflege durch landwirtschaftliche Nutzung geprägt. Die aus der sehr guten Bodenqualität folgenden hohen Erträge ließen sie im Bewusstsein der Bevölkerung zur Kornkammer Sachsens werden. Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung zur Kulturlandschaft, wie wir sie heute noch erleben können, sind die Neuerungen des 19. Jahrhunderts, die in einem bis dahin nicht gekannten Maße die Landwirtschaft verändert haben. Durch die Agrarreformen seit 1832 und den Einsatz von künstlichen Düngemitteln konnte die ohnehin schon gute Ertragsleistung der fruchtbaren Böden sprunghaft gesteigert werden.

Infolge der gestiegenen Wirtschaftskraft veränderte sich das Erscheinungsbild der Dörfer. Fährt der Reisende heute durch diese Gegend, findet er große Felder, in die kleine und mittlere Dörfer eingebettet sind. Dieder Unternehmer, am eindrucksvollr als vier Höfe, die aber von stattlicher Größe sind. Sie sind von Steinbauten und konstruktivem Fachwerk des 19. Jahrhunderts geprägt. Die Giebel zeigen städtische Motive. Stattliche Bauwerke wie die weithin sichtbare Rüsseinaer Kirche oder das Schloss Schleinitz mit dem Rittergut künden eindrucksvoll vom einstigen Wohlstand der Lommatzscher Pflege.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägt die mit der Ablösung des Einzelhofes durch die Großfeldwirtschaft einhergehende Umgestaltung des Dorfes das ländliche Bild. Den Bauern als schaffende und gestaltende Kraft des Hofes, des Dorfes und der Flur gibt es nicht mehr. Der dadurch eintretende Verlust an Kulturdenkmalen wird aus heutiger Perspektive einen Umfang erreichen, der mit wenigen Ausnahmen das Dorfbild lichten und über Jahrhunderte genutzte Kulturwerte auslöschen wird – bis hin zum Wüstfallen. In einigen kleinen Dörfern in der früher so reichen Lommatzscher Pflege kann der bisweilen schon fortgeschrittene Prozess beobachtet werden.

Muldental

Das Muldental, Gebiet des Mulde-Lößhügellandes, erstreckt sich zwischen der Zwickauer und der Freiberger Mulde und wird von den Flusstälern der unteren Zschopau und der Striegis geteilt. Die Landschaft bilden flach hügelige Plateaus mit nur kleineren Waldgebieten und tief eingeschnittene, an den Rändern meist bewaldete Flusstäler. Die höchste und markanteste Erhebung stellt der Rochlitzer Berg dar, dessen Steinbrüche über Jahrhunderte das Land mit dem charakteristischen roten Porphyrtuff als bevorzugtes Baumaterial versorgten.

Die meisten der vielen kleinen und mittelgroßen Städte entstanden in Tälern, in der Regel neben bedeutsamen Flussübergängen: Waldenburg, Penig, Lunzenau, Rochlitz, Colditz, Döbeln, Roßwein, Waldheim und Hainichen. Nur die Hochschulstadt Mittweida, Burgstädt, Hartha und Geringswalde befinden sich in der offenen Hügellandschaft. Leisnig bekrönt eindrucksvoll einen Bergsporn über der Freiberger Mulde. Markante Städtebilder entstanden neben Leisnig auch in Rochlitz mit seinem großzügigen, langen Marktplatz, in Döbeln mit der Insellage der Altstadt zwischen zwei Armen der Freiberger Mulde oder in Mittweida mit seinem dreieckigen Markt.

Langgestreckte Waldhufendörfer in flachen Mulden bestimmen das Bild der Landschaft. Ausnahmen bilden einige Dörfer slawischen Ursprungs in der Umgebung von Rochlitz. Von den meist in Fachwerk errichteten Häusern haben sich einige erhalten, die zu den ältesten in Sachsen gehören. Stellvertretend seien ein Gehöft in Helsdorf bei Burgstädt und eine Scheune in Bee- deln bei Rochlitz genannt, die in das 16. Jahrhundert zurückgehen. Ein Museum für Volksarchitektur und bäuerliche Kultur in Schwarzbach bei Rochlitz widmet sich der Bewahrung ausgewählter Zeugnisse der reichen Kultur der Region.

Zahlreiche Kirchenbauten reichen in ihrer Geschichte bis in die Zeit der hochmittelalterlichen Besiedlung Sachsens im 12. Jahrhundert zurück. Ihr baukünstlerisch anspruchsvollster Vertreter ist die Stiftskirche in Wechselburg. In der überwiegend offenen Landschaft dominieren zahlreiche Dorfkirchen als prägnante Landmarken wie z. B. in Seelitz und Zettlitz bei Rochlitz, Göhren und Hohenkirchen bei Lunzenau, Zschadraß und Zschirla bei Colditz, Gersdorf bei Leisnig und Seifersbach bei Mittweida. Große Stadtkirchen, meist Hallenbauten der späten Gotik, finden sich in Rochlitz, Mittweida, Leisnig, Döbeln und Penig. Wolkenburg, Waldheim und Roßwein besitzen ebenso wie die großen Bauerndörfer Technitz, Grünlichtenberg, Niederstriegis oder Zettlitz stattliche klassizistische Kirchen. Monumentale Kirchgebäude der Gründerzeit dominieren die Stadtbilder in Hainichen, Geringswalde und Hartha. Die Kirche in Hartha ist einer der ersten sächsischen Bauten, bei denen Beton und Gusseisen verwendet wurde.

Auch an bedeutsamen Zeugnissen sakraler Bildkunst ist das Muldenland außerordentlich reich. Am bekanntesten ist wohl die Triumphkreuzgruppe in Wechselburg. Die spätgotischen Schnitzaltäre in Rochlitz und Döbeln zählen zu den größten ihrer Art in Sachsen. Interessante Altarschöpfungen von Valentin Otte in Leisnig und Tragnitz stehen für die Zeit zwischen Renaissance und Barock.

An Klosteranlagen ist außer dem bereits erwähnten Benediktinerstift Zschillen (Wechselburg) das ehemalige Zisterzienserkloster Buch bei Leisnig zu erwähnen, von dem sich markante Reste der Klausur und Wirtschaftsgebäude erhalten haben. Mittlerweile hat sich Kloster Buch als weithin bekanntes Kulturzentrum einen Namen gemacht.

Charakteristisch für die Landschaft sind die zahlreichen Burgen und Schlösser, die – oft in exponierter Höhenlage – viele Städtebilder prägen, so in Waldenburg, Wolkenburg, Wechselburg, Rochlitz, Colditz und Leisnig, oder als Landmarken wirken wie Kriebstein, Rochsburg oder das Barockschloss Neusorge in Zschöppichen bei Mittweida. Komplettiert wird dieses Bild durch zahlreiche Rittergüter mit Herrenhäusern oder kleinen Schlössern wie Podelwitz bei Leisnig, Kössern, Otzdorf, Ebersbach und Stockhausen bei Döbeln.Gehen die Anlagen in Rochsburg, Rochlitz und die ehemalige Reichsburg Leisnig noch auf romanische Zeit zurück, bietet Burg Kriebstein mit ihrem mächtigen Wohnturm das beeindruckendste Beispiel einer spätmittelalterlichen Adelsburg in Sachsen. Nur wenig jünger, aber bereits auf die Entwicklung einer neuzeitlichen Schlossbaukunst hinweisend, sind die Palastbauten Markgraf Wilhelms in Rochlitz und Leisnig. Die Renaissance zeigt sich vor allem am großzügigen Colditzer Schloss mit seinem benachbarten, langgestreckten Tiergarten. Die Schlösser von Wechselburg und Neusorge verkörpern die Periode barocker Schlossbaukunst, in der wesentliche Impulse von der Tätigkeit des Oberbauamtes am sächsischen Hof in Dresden ausgingen. Schließlich finden sich überregional bedeutsame Raumkunstwerke des Klassizismus im Schloss Wolkenburg. Das Neue Schloss in Waldenburg ist eine der perfektesten Architekturleistungen des Neubarock in Sachsen.

content-pic_84-116_pohlack-6.jpg Abb. 6: Leisnig, Burg Mildenstein.

Die zahlreichen Städte des Muldenlandes, über Jahrhunderte hinweg mit besonderem Gewerbefleiß aufwartend, entwickelten sich im 19. Jahrhundert in der Mehrzahl zu ausgeprägten Industrieorten mit den Schwerpunkten der Papierproduktion in Penig, Lunzenau und Kriebstein, der Textilindustrie in Hartha, Mittweida und Burgstädt, der keramischen Industrie in Colditz und der metallverarbeitenden Industrie in Döbeln, Roßwein, Hartha und Leisnig. Als Domäne der Luxusproduktion von Tabakwaren und Parfümerie profilierte sich Waldheim. Nicht zu unterschätzen sind die vielen die Wasserkraft nutzenden Mühlenbetriebe, u. a. in Rochlitz, Colditz, Leisnig, Döbeln, Roßwein und Waldheim. Durch den starken wirtschaftlichen Aufschwung der Städte im späten 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche bemerkenswerte Villenbauten vermögender Unternehmer, amrna. Die Anlage ist sten vielleicht in Waldheim, Mittweida und Leisnig, aber auch anspruchsvoll und aufwendig gestaltete Mietshausbauten und Geschäftshäuser. In Döbeln, Waldheim, Mittweida und Roßwein bildeten sich Stadtbereiche mit nahezu großstädtischem Gepräge. Entsprechende Repräsentationsbauten wie die monumentalen Rathäuser in Döbeln, Waldheim, Geringswalde und Lunzenau oder zahlreiche Gasthöfe und Tanzetablissements mit üppiger Neubarock- oder Jugendstilausstattung wie in Mittweida oder Waldheim künden noch heute vom einstigen Wohlstand dieser Kommunen.

An Zeugnissen der Produktions- und Verkehrsgeschichte sind neben einer Reihe architektonisch sehr anspruchsvoller Fabrikbauten in Döbeln, Waldheim, Mittweida, Hainichen und Burgstädt die mehrgeschossigen Bogenbrücken der Eisenbahnstrecke Chemnitz-Riesa nahe Waldheim oder der Eisenbahnstrecke Leipzig-Chemnitz über das Tal der Zwickauer Mulde bei Göhren sowie die palastartigen Bahnhöfe in Döbeln oder Leisnig zu nennen. Als eine der imposantesten wassertechnischen Anlagen Sachsens gilt die ab 1927 an der Zschopau erbaute Talsperre Kriebstein, deren langgestreckter Stausee zu einem landschaftsprägenden Element inmitten des Muldenlandes geworden ist, der sich auch als Erholungs-, Sport- und Wandergebiet großer Beliebtheit erfreut.

Leipziger Südraum

Der Braunkohlentagebau im Leipziger Südraum hat bereits 1926 in den Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz (Heft 7 bis 10) Beachtung gefunden. Wegweisend am Horizont emporragende Schornsteine wurden damals als Zeichen einer neuen Wirtschaftsstruktur erkannt, die erhebliche Auswirkungen auf die Kulturlandschaft mit sich brachte. Ein grundsätzlicher Umbruch bahnte sich an. Doch versuchte man vor allem die Schönheiten einer unspektakulären Landschaft zu beschreiben, geprägt von Dörfern und Kleinstädten zwischen Ackerland und Flüssen, Bächen sowie Auenwäldern. In seinem Buch »Das Leipziger Land. Wanderungen in der Umgebung einer Großstadt « führte Karl Bergner 1933 zu Kulturdenkmalen der Leipziger Umgebung, zu Kirchen, Schlössern und Herrenhäusern mit ihren Parkanlagen. Viele der damals besuchten Orte südlich von Leipzig existieren heute nicht mehr, so etwa das Rittergut Rüben, die Kirche und das Herrenhaus in Zehmen und das Landhaus in Prödel. Bergner sparte auch die Beschreibung des Ortes Böhlen mit dem Tagebau und dem Braunkohlenwerk nicht aus. Er beklagte, dass der Park des Rittergutes bereits gelitten habe. 1979 wurde das aus dem 16. Jahrhundert stammende Herrenhaus abgerissen.

content-pic_84-116_pohlack-7.jpg Abb. 7: Borna-Neukirchen, ehemalige Brikettfabrik.

Der Braunkohletagebau und die weiterverarbeitende Industrie hat die Region in den letzten einhundert Jahren nachhaltig geprägt. Die Landschaft wurde durch Abbau- und Kippenflächen tiefgreifend umgestaltet. Historische Strukturen, beispielsweise Fluss- und Bachverläufe sowie Verkehrsverbindungen, wurden verändert, landwirtschaftlich geprägte Dörfer zu Industriedörfern mit Bergarbeitersiedlungen. Viele Orte mit Kirchen, Rittergütern und Höfen verschwanden. Die Relikte des Bergbaus und der Kohleverarbeitung zeugen heute von der Bedeutung eines nach 1990 weitgehend niedergegangenen Wirtschaftszweiges und sind mitunter auch zu schützenswerten Kulturdenkmalen geworden. Die Denkmalpflege im Südraum von Leipzig hat es nicht mit einer weitgehend ungestörten, ländlich geprägten Kulturlandschaft zu tun, sondern mit einem Bergbaurevier im Wandel am Rande einer Großstadt.

Ausgehend von dem Gebiet um Altenburg wurde im Leipziger Südraum seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Braunkohle gefördert. Bald nach 1900 begann der Übergang zu Großtagebauen und damit verbunden zur großflächigen Umgestaltung der Landschaft. Die erste Umsiedlung eines Dorfes betraf in den Jahren um 1930 Rusendorf im Meuselwitzer Revier. Bis heute wurden im Südraum von Leipzig über 60 Orte und Ortsteile aufgegeben. 18 Kirchen gingen dabei verloren. Als erste verschwand 1941 die im Kern spätromanische Kirche von Witznitz bei Borna. Zuletzt wurde im Sommer 2010 die nach Plänen von Ernst Wilhelm Zocher 1866 errichtete Taborkirche in Heuersdorf abgerissen. Bedeutende Rittergüter mit ihren Herrenhäusern und Parkanlangen gingen ebenfalls verloren. 1967 wurde beispielsweise das Wasserschloss in Altdeutzen zerstört. An das Rittergut Eythra erinnert heute ein Teil der Lindenallee mit dem wieder aufgebauten »Trianon«, einer künstlichen Tempelruine im ehemaligen Landschaftspark. Die bergbaubedingte Senkung des Grundwasserspiegels führte zu Rissen im Mauerwerk des Schlosses in Rötha, einer frühbarocken Anlage der Familie von Friesen; 1969 wurde der bedeutsame Bau als »Schandfleck« abgerissen. Das Anfang des 18. Jahrhunderts von dem Leipziger Kaufmann und Ratsherrn Fleischer, als von Fletscher in den Adelsstand erhoben, errichtete Schloss in Wiederau, welches ebenfalls starke Setzungsrisse aufwies, konnte in den Jahren 1995/97 mit dem Einsatz von Mitteln des Freistaates Sachsen gesichert und somit gerettet werden.

Der Denkmalschutz konnte die Devastierung von Ortschaften und den bergbaubedingten Verlust von Kulturdenkmalen nicht stoppen. Die Erfassungskarteien und Fotos im Landesamt für Denkmalpflege Sachsen aus den Jahren nach der Denkmalschutzverordnung von 1952 lassen die Verluste erahnen. Bei der Devastierung von Breunsdorf bis in die Mitte der 1990er Jahre erfolgte zum ersten Mal eine Dokumentation der Kulturdenkmale. Andere zum Abbau vorgesehene Dörfer konnten durch die Umstrukturierungen des Braunkohlebergbaus nach 1990 dem Untergang entgehen. Dank der Einstellung des Tagebaus Espenhain wurden etwa die Dörfer Dreiskau-Muckern und Pötzschau gerettet. Dreiskau-Muckern gilt heute als Beispiel eines vitalen und attraktiven Dorfes am Rande von Leipzig. Die gefährdete Kirche von Großpötzschau wird derzeit durch die vorbildhafte Arbeit eines Fördervereins restauriert.

Jüngst ist der Abriss von Heuersdorf im Tagebaugebiet »Vereinigtes Schleenhain« erfolgt, eine bis dahin weitgehend unversehrt erhaltene Dorfanlage mit hohem Zeugniswert. Die aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammende Emmauskirche konnte 2007 durch ihre spektakuläre Versetzung nach Borna gerettet werden. In Heuersdorf waren etwa 40 Kulturdenkmale erfasst: Neben den beiden Kirchen der Pfarrhof, das Herrenhaus mit Park und etliche Bauernhöfe, meist Dreiseithöfe aus dem 18. bis 19. Jahrhundert. Immerhin ermöglichte der bevorstehende Abbruch umfangreiche Untersuchungen, so dass die Denkmale detailliert erforscht und dokumentiert werden konnten.

Die Erhaltung von Kulturdenkmalen des Tagebaus und der Industrie stellt aufgrund meist fehlender Möglichkeiten der Umnutzung ein schwieriges Unterfangen dar. So konnte die gigantische Abraumförderbrücke AFB 18 im Tagebau Zwenkau trotz vielfältiger Bemühungen bis 2001 nicht gerettet werden. Als beispielhafter Erfolg gilt die Umnutzung der Brikettfabrik Neukirchen südlich von Borna. Die Anlage ist ein wichtiges industriegeschichtliches Denkmal aus der Hauptperiode des Bornaer Reviers. Seit Mitte der 1990er Jahre erfolgte abschnittsweise die Sanierung und Nutzung, vorrangig durch Einrichtungen des Sport- und Freizeitbereiches. Auch die Brikettfabrik Witznitz, nördlich von Borna gelegen, wird schrittweise revitalisiert. Vom Braunkohleverarbeitungsstandort in Espenhain mit Kraftwerken, Brikettfabriken und Schwelereien, der in der DDR aufgrund seiner Umweltverschmutzung Bekanntheit erlangte, steht heute nicht mehr viel. Lediglich die Schaltwarte, ein monumentaler Bau aus den 1940er Jahren, konnte gerettet werden. Stark gefährdet ist die in den 1930er Jahren im Braunkohlenwerk Deutzen aufgestellte Wasserkugel. Als letzter, weithin sichtbarer Rest der Anlage ist auch sie ein wichtiges Zeugnis der Industriegeschichte.

Etliche Kulturdenkmale am Rande des Tagebaus haben derzeit kaum noch eine Chance auf Erhaltung. Das neogotische Herrenhaus in Thierbach, in unmittelbarer Umgebung des ehemaligen Kraftwerks, ist mittlerweile eine Ruine. Das Herrenhaus in Lobstädt, durch die um 1950 erfolgte Verlegung der Pleiße seiner historischen Umgebung verlustig gegangen, steht nach mehreren Eigentümerwechseln kurz vor dem Untergang.

Der Strukturwandel im Leipziger Südraum ist noch längst nicht abgeschlossen. Die Bergbaufolgelandschaft, in der durch die Flutung von Tagebaurestlöchern 29 Seen entstehen sollen und die touristisch erschlossen wird, trägt heute die Bezeichnung »Leipziger Neuseenland«. Diese neue Attraktivität der Region bietet wiederum für Kulturdenkmale eine Chance der Revitalisierung. Das alte Herrenhaus in Kahnsdorf, in dem 1785 Friedrich Schiller weilte, konnte beispielsweise als Mittelpunkt eines geplanten Wohn- und Tourismuszentrums am neu entstandenen Hainer See saniert und für kulturelle Zwecke umgenutzt werden. Derzeit wird das zuvor akut gefährdete Herrenhaus in Störmthal, welches durch den Tagebau Espenhain seines Parks beraubt wurde, saniert. Das Vorhaben belegt, dass auch stark gefährdete, von vielen in Gedanken bereits aufgegebene Kulturdenkmale bei entsprechenden Rahmenbedingungen gute Chancen auf eine Rettung haben.

Oberlausitz

Die Oberlausitz bewahrt unter den verschiedenen Regionen des Freistaats Sachsen bis heute eine eigene kulturelle, historische und sprachliche Identität. Jahrhundertelang als Nebenland zum Königreich Böhmen gehörend, kam sie erst 1635 zum damaligen Kurfürstentum Sachsen und behielt hier bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einen Sonderstatus. Prägend für die Geschichte dieses Raumes wurde ein kleinteiliges Nebeneinander verschiedener Partikularmächte. Neben den vier Standesherrschaften Muskau, Königsbrück, Hoyerswerda und Seidenberg gehörten dazu die zahlreichen Rittergüter, die bis heute ununterbrochen bestehenden Zisterzienserinnen-Klöster St. Marienstern und St. Marienthal, das Domstift in Bautzen und die seit 1346 im Oberlausitzer Sechsstädtebund zusammengeschlossenen Städte Bautzen, Görlitz, Zittau, Kamenz, Löbau und Lauban, die über zahlreiche Dörfer (»Ratsdörfer«) die Grundherrschaft ausübten.

Die Oberlausitz weist sowohl in naturräumlicher als auch siedlungsgeschichtlicher Hinsicht sehr unterschiedliche Ausprägungen auf. Der nördlichen Heide- und Teichlandschaft folgt eine hügelige, fruchtbare Gefildezone – das slawische Altsiedelland mit Bautzen als Zentrum –, an die sich südlich das erst im Hochmittelalter durch Rodung erschlossene Lausitzer Bergland und das Lausitzer Gebirge anschließen. Das Westlausitzer Hügel- und Bergland mit Kamenz als Hauptort bildet die Grenze nach Westen, die östliche Oberlausitz zwischen Görlitz und Zittau mit dem Neißegebiet die nach Osten.

Eine besonders interessante Entwicklung nahm das Gebiet südlich der Linie Bautzen-Görlitz, das hier näher betrachtet werden soll. Seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde aus dem bis dahin weitgehend bäuerlich geprägten Land mit großen Waldhufendörfern ein Zentrum der Leineweberei; es entstand das »Weberdorf im Bauerndorf«. Wirtschaftlicher Aufschwung und Bevölkerungswachstum bewirkten nicht nur eine sprunghaft ansteigende Bautätigkeit, sondern führten nach städtischem Vorbild nun auch auf dem Land zu einer neuen, auf dem Barockstil gründenden Baukultur. Ihre Träger waren vor allem bürgerliche Bauherren, darunter reiche Großkaufleute mit überseeischen Handelsverbindungen. Mit dem Übergang von der Hausweberei zur maschinellen Textilherstellung im 19. Jahrhundert wandelten sich große Weberorte wie Ebersbach, Oderwitz oder Eibau zu teilweise städtisch überprägten Industriedörfern. Um 1900 gehörte die südliche Oberlausitz zu den am dichtesten besiedelten und höchst industrialisierten Regionen in Mitteleuropa mit besonders leistungsfähigen Produktionszweigen wie der Textilindustrie und dem Maschinenbau.

Diesen hier nur knapp skizzierten historischen Voraussetzungen entspricht ein reiches baukulturelles Erbe, darunter national bedeutende, inzwischen überwiegend wiederhergestellte Monumente wie Burg und Klosterruine Oybin aus dem späten 14. Jahrhundert, die barock überformten Klosteranlagen St. Marienthal und St. Marienstern, die spätgotischen Kirchenbauten in Görlitz, Bautzen und Zittau und mit Haus Schminke in Löbau (1930–1933) auch eine Inkunabel der klassischen Moderne. Hinzu kommen die weitgehend geschlossen erhaltenen Altstädte von Bautzen, Görlitz, Zittau und Löbau, wobei in Görlitz Spätgotik und Renaissance dominieren, während Bautzen und Zittau mehr vom Barock geprägt sind. Innerhalb der historistischen Architektur des 19. Jahrhunderts ragen die Gründerzeitviertel der Stadt Görlitz und die Zittauer Ringbebauung heraus. Insbesondere Görlitz gehört zu den eindrucksvollsten und am besten bewahrten historischen Städten in Deutschland. Eine weitere wichtige Denkmalgruppe bilden die Schlösser und Herrenhäuser, wie sie in großer Dichte und Anzahl vor allem im Bautzener Umland noch erhalten sind. Zu den kunsthistorisch bedeutenden Anlagen der Südlausitz zählen unter anderem die barocken Schlossbauten von Hainewalde, Königshain und Tauchritz. Auch unter den Dorfkirchen sind die barocken Bauten besonders hervorzuheben, in architektonischer Hinsicht vorrangig Kittlitz und die stattlichen Wandpfeilerkirchen von Bertsdorf, Hainewalde, Eibau, Spitzkunnersdorf und Niederoderwitz. Höchst bemerkenswerte Interieurs aus Spätrenaissance und Barock finden sich in der nach Görlitz-Königshufen umgesetzten Kirche Deutsch-Ossig sowie in den Kirchen von Oberseifersdorf, Kottmarsdorf, Obercunnersdorf, Ebersbach/Sa., Oybin, Reichenbach und Friedersdorf (bei Görlitz). Nicht unerwähnt dürfen einige speziell für die südliche Oberlausitz sehr kennzeichnende Bautengruppen bleiben, so die Görlitzer Hallenhäuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert, denen auf ähnlichem Niveau die jüngeren Handelshöfe in Zittau und Bautzen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entsprechen. Genauso charakteristisch sind die repräsentativen Faktorenhäuser der Leinwandhändler in den großen Weberorten (wie das Gebäude Hauptstraße 214 a in Eibau) sowie eine stattliche Gruppe von etwa siebzig erhaltenen Gruftbauten, die überwiegend durch bürgerliche Bauherren, darunter reiche Kaufleute, errichtet wurden und zu den bedeutendsten Zeugnissen barocker Sepulkralkunst in Deutschland gehören. Ein einmaliges Ensemble bilden die Bauten der »Brüdergemeinen« in Herrnhut, Berthelsdorf, Niesky und Kleinwelka. Die von dem Reichsgrafen Nikolaus von Zinzendorf auf seinem Gut in Berthelsdorf gegründete und geförderte Glaubensgemeinschaft hat der Nachwelt mit der Anlage von Herrnhut sowie mit sozialen und religiösen Gemeinschaftsbauten eine ganz eigenständige Variante barocker Stadtbaukunst und schlichter, aber nobler Baukultur hinterlassen (»Herrnhuter Barock«).

Trotzdem ist wohl das Umgebindehaus der eigentliche, Identität stiftende Kern der Oberlausitzer Kulturlandschaft. Seit dem Spätmittelalter hier verbreitet und als Bautyp von allen Bevölkerungsschichten bis in das 19. Jahrhundert hinein wie selbstverständlich verwendet, haben sich noch rund 6 000 Umgebindebauten aus dem 16. bis in das 20. Jahrhundert erhalten. Mit dieser Gebäudezahl, die freilich nur noch etwa zwei Fünftel des um 1900 vorhandenen Bestands ausmacht, übertrifft die südliche Oberlausitz alle anderen Vorkommensgebiete des Umgebindehauses wie z. B. das Altenburger Land, Nordböhmen oder Teile Niederschlesiens. Trotz aller Verluste gibt es derzeit noch 17 Orte mit mehr als 100 Umgebindehäusern, davon drei sogar mit über 400 Bauten (Oderwitz, Großschönau, Ebersbach). Diese Fülle denkmalreicher Ortsbilder auf vergleichsweise engem Raum hat in Sachsen und auch darüber hinaus kaum ihresgleichen.

Denkmalpflegerische Bemühungen um die Bewahrung baulicher Zeugen der Vergangenheit haben in der Oberlausitz eine lange Tradition. Träger waren hier vor allem örtliche Geschichts- und Museumsvereine. In den 1950er Jahren wurde die Stadt Görlitz das früheste und bekannteste Beispiel städtebaulichen Denkmalschutzes in der DDR. Trotzdem war in der Folgezeit der Verfall ganzer Altstadtquartiere in Bautzen, Zittau und Görlitz kaum zu stoppen. Nach 1990 erlebte die Oberlausitz einerseits, begünstigt durch Förderprogramme der städtebaulichen Erneuerung und der ländlichen Entwicklung, eine umfassende Sanierung der Infrastruktur und der historischen Bausubstanz. Die positiven, denkmalpflegerisch mit viel Aufwand betreuten Veränderungen in den Stadtbildern von Görlitz, Bautzen und Zittau sowie in vielen Dörfern sind offensichtlich. Andererseits kam es zu einer weitgehenden Ent-Industrialisierung der Region mit all ihren negativen Folgen. Gebäudeleerstand und baulicher Verfall stellen die Denkmalpflege auch in den kommenden Jahren vor schwierige Aufgaben. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Landkreise der südlichen Oberlausitz und der angrenzenden Gebiete in Tschechien und Polen seit einiger Zeit verstärkt auf die gemeinsame Hauslandschaft im Dreiländereck besinnen und unter der Dachmarke »Umgebindeland« neue Gremien gegründet und Projekte zur Erhaltung der Umgebindehäuser ins Leben gerufen haben. Dazu gesellen sich zahlreiche regionale Aktivitäten wie die auf Initiative des Landesamtes für Denkmalpflege 2004 gegründete Stiftung Umgebindehaus, die sich unter der Schirmherrschaft des Sächsischen Staatsministers des Innern sehr positiv entwickelt hat. Diese von vielen, untereinander inzwischen erfolgreich vernetzten Partnern getragenen Anstrengungen sollen dazu beitragen, dass über exemplarische Vertreter der Umgebindebauweise hinaus eine Hauslandschaft erhalten bleibt, die noch heute das Gesicht der ganzen Region bestimmt und ihre Unverwechselbarkeit ausmacht.

content-pic_84-116_pohlack-8.jpg Abb. 8: Obercunnersdorf, Ortsbild mit Umgebindehäusern.

Oberes Elbtal

Das Sächsische Elbland ist ein nicht klar definiertes Gebiet entlang der Elbe, welches sich von der tschechischen Grenze bis nach Torgau ausbreitet. Das Obere Elbtal als Teil dessen umfasst als Landschaften die Sächsische Schweiz und die Dresdner Elbtalweitung. Die Residenzstadt Dresden als politischer, wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt wird flankiert von den beiden größeren Städten Pirna am Oberlauf und Meißen am nordwestlichen Ausgang des Elbtalkessels. Zwischen der tschechischen Grenze und Dresden befindet sich das Elbsandsteingebirge, das sich zwischen dem Lausitzer Bergland und dem Osterzgebirge erstreckt. Die höchste Erhebung ist der Große Zschirnstein (562 Meter über NN), die berühmtesten sind der Königstein, der Lilienstein und der Große Winterberg. Die Bezeichnung »Sächsische Schweiz« wurde durch die Schweizer Künstler Adrian Zingg und Anton Graff geprägt, die 1766 an die Dresdner Kunstakademie berufen worden waren, sich an ihre Heimat – den Schweizer Jura – erinnert fühlten, und später populär gemacht durch die Veröffentlichungen von Wilhelm Leberecht Götzinger. Flussabwärts zwischen Dresden und Meißen befinden sich die sogenannten linkselbischen Täler, eine reizvolle Landschaft, bestehend aus Wäldern, Streuobstwiesen, Ritterguts- und Schlossanlagen sowie rechtselbisch die für den Weinanbau berühmte Lößnitz und das Spaargebirge, ein drei Kilometer langer und kaum 200 Meter breiter Höhenrücken, der als das kleinste Gebirge Sachsen gilt und mit der sich ca. 80 Meter über die Elbe erhebenden Deutschen Bosel über einen berühmten Aussichtspunkt verfügt.

Die Landschaft an der Elbe ist zwar etwas dünner besiedelt als die Ufer vergleichbarer Ströme in Europa. Trotzdem haben sich hier Kulturräume von hoher Wertigkeit gebildet, unter denen das Obere Elbtal wahrscheinlich als der bedeutendste gilt. Die Siedlungen entstanden als Fischer- und Schiffersiedlungen bzw. mit bäuerlicher Prägung auch in den angrenzenden Fluren. Größere Bauerndörfer entwickelten sich entlang der wasserführenden Geländemulden und an Verkehrswegen, wobei die ausgedehnteren Bauerngehöfte meist in höheren Lagen angelegt wurden, die Häusler- und Handwerkeranwesen hingegen meist tiefer errichtet worden sind. Die überwiegende Dorfform ist das Reihendorf, was sich in der Regel aus Zwei- und Dreiseithöfen, seltener aus Vierseithöfen aufbaut. In rechtselbischer Lage kommt darüber hinaus eine Häufung von Umgebindehäusern als Einfluss der angrenzenden Lausitz vor. In der gesamten Region gibt es auch häufig gut erhaltene Fachwerkhäuser.

content-pic_84-116_pohlack-9.jpg Abb. 9: Bad Schandau, Ortsteil Postelwitz.

Besonders wertvolle Gebäudesubstanz in Form von historischen Burganlagen, Kirchen und Altstadtkernen besitzen vor allem die Städte – in der Sächsischen Schweiz Königstein, Stadt Wehlen, Hohnstein und Bad Schandau. Meist entstanden diese in den Talweitungen, die sich durch die Einmündung von Nebenflüssen in die Elbe gebildet haben. Sie wurden geschützt durch Burganlagen, die zur Sicherung der Handelswege errichtet worden waren. Erhalten geblieben sind davon z. B. Festung Königstein und Burg Hohnstein. Die Königsteiner Festung, die vom 16. bis 18. Jahrhundert zur stärksten Festungsanlage Sachsens ausgebaut wurde, gilt als eine der größten Bergfestungen Europas. Die touristische Erschließung der Sächsischen Schweiz vollzog sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, wobei der Basteifelsen mit der 1851 errichteten Brücke zu einem der ersten und berühmtesten Ausflugsziele wurde.

Die 1233 erstmals erwähnte Stadt Pirna ist der Verwaltungssitz des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Um 1200 zur Entstehung eines festen Austauschplatzes entstanden, verfügt sie heute über ca. 39 000 Einwohner. Bedeutsam ist die regelmäßig angelegte mittelalterliche Altstadt mit gut 300 meist sehr alten Bürgerhäusern mit z. T. wertvoller Innenausstattung, von denen fast alle als Einzeldenkmale erfasst sind. 1502 wurde mit dem Bau der Stadtkirche – heute eine der schönsten spätgotischen Hallenkirchen Sachsens – begonnen, die 1546 mit den Gewölbeausmalungen in Form von Bilderzyklen aus der Lutherbibel vollendet wurde. Der Sonnenstein ist eine Anhöhe oberhalb der Stadt mit teilweise erhaltener Burg-Festung, die die Handelswege von Stolpen nach Prag und vom Königstein nach Meißen sicherte. Im Siebenjährigen Krieg teils verfallen und bereits seit 1764 zivil genutzt, wurde die Anlage 1811 zur Heilanstalt umgenutzt. Sie wird heute zum Verwaltungssitz des Großkreises ausgebaut.

Zwischen Pirna und Meißen entwickelten sich aus den hier gelegenen Dörfern durch Zusammenschluss Städte, die auch nach längerem Bestand heute immer noch nicht über einen eigenen »Mittelpunkt« verfügen. Zwischen Pirna und Dresden ist das die Industriegemeinde Heidenau, die 1920 aus Mügeln, Heidenau und Gommern hervorging und drei Jahre später noch um Großund Kleinsedlitz erweitert wurde, heute ca. 16 000 Einwohner besitzt und über zahlreiche Fabriken unterschiedlicher Industrien verfügt. Zwischen Dresden und Meißen ist das Pendant die Wein-, Villen- und Gartenstadt Radebeul mit ihren acht historischen Dorfkernen und zwei Villenquartieren. Radebeul hat ca. 33 000 Einwohner, ist eine der beliebtesten Wohngegenden der Dresdner Region und schmiegt sich an die Hänge der Nieder- und Oberlößnitz. Diese Steilhänge mit ihren trocken gesetzten Weinbergsmauern werden seit Jahrhunderten für den Weinanbau genutzt, der nach einem Niedergang im späten 19. Jahrhundert infolge des Befalls durch die Reblaus nach großen Anstrengungen der Wiederaufrebung im späten 20. Jahrhundert inzwischen wieder floriert. Die Stadt entstand 1935 als Zusammenschluss der Ortschaften Radebeul und Kötzschenbroda. Letztere erlangte historische Berühmtheit, als 1645 im dortigen Pfarrhaus der Waffenstillstand zwischen dem Königreich Schweden und dem Kurfürstentum Sachsen unterzeichnet wurde. Zu den bekanntesten Weingütern zählen heute das städtische Weingut Hoflößnitz und das sächsische Staatsweingut Schloss Wackerbarth.

Meißen, Verwaltungssitz des westlich von Dresden gelegenen gleichnamigen Großkreises mit knapp 30 000 Einwohnern und am Ausgang des Elbtalkessels gelegen, ist berühmt für die Herstellung des Meißener Porzellans, des ersten Hartporzellans Europas. Um 929 wurde die Burg »Misnia« von König Heinrich I. gegründet und von hier aus die Kolonisation des damals noch slawischen Landes betrieben. Unterhalb der Burg entwickelte sich Meißen aus einer anfänglichen Marktsiedlung gegen Ende des 12. Jahrhunderts zur Stadt, die später sogar Bischofssitz wurde. Der um 1250 begonnene, mit den beiden markanten Türmen erst 1909 fertig gestellte Dom und die ab 1470 durch den Baumeister Arnold von Westfalen erbaute Albrechtsburg auf dem linkselbischen Burgberg prägen die Silhouette der Stadt auf besondere Weise. Die Porzellanmanufaktur wurde 1710 unter August dem Starken gegründet und ist heute ein weltbekanntes Markenzeichen.

content-pic_84-116_pohlack-10.jpg Abb. 10: Meißen, Albrechtsburg.

Denkmalpflege in Sachsen

Die hier kurz dargestellte Reichhaltigkeit der sächsischen Denkmallandschaft bedarf professioneller Erforschung, Erhaltung und Pflege. Im Landesamt für Denkmalpflege werden zwei wesentliche Aufgaben wahrgenommen. Kernstück der Arbeit ist das Erkennen, Erfassen und Erforschen der Kulturdenkmale. Die – aufgrund der ihnen innewohnenden besonderen Werte – »erkannten« Objekte werden in die Denkmalliste eingetragen. Diese wird permanent gepflegt, neu Erkanntes aufgenommen, Abgebrochenes oder zu stark Beeinträchtigtes gestrichen. Die Liste gibt also den aktuellen Arbeitsstand wieder; sie kann nie abgeschlossen sein. Derzeit wird die in den 1990er Jahren erfolgte sogenannte Schnellerfassungsliste überprüft. Als Maßstab gilt eine inzwischen deutschlandweit anerkannte Wertskala, die in ihrem Niveau durch Gerichtsurteile gefestigt und untersetzt ist. Sachsen verzeichnet derzeit reichlich 105 000 Einträge. Hier zeigt sich eine sächsische Besonderheit: Es wird hausnummerkonkret und zudem jedes Objekt einzeln gezählt. Dies lässt eine sehr genaue Bearbeitung in der Erfassung und im denkmalschutzrechtlichen Verfahren zu, führt aber zu scheinbar überzogenen Denkmalzahlen, die mit der viel komplexeren Zählweise anderer Bundesländer nicht vergleichbar sind, was meist übersehen wird. Zu diesem Erfassungsbereich gehören auch die wissenschaftlichen Sammlungen – Dokumentationssammlung, Fachbibliothek, Plansammlung und Fotosammlung. Diese wissenschaftlichen Sammlungen zählen zu den wichtigsten Arbeitsgrundlagen des Amtes.

Die Gebietsdenkmalpflege stellt, einer langen Tradition folgend, das praktische und fachkundige Begleiten der Bauherren und Nutzer bei Maßnahmen an Kulturdenkmalen vor Ort durch die Gebietsreferenten sicher. In enger Zusammenarbeit mit den Unteren Denkmalschutzbehörden liegt hier ein Hauptarbeitsfeld des Landesamtes. Hierzu gehört auch das Erforschen und Dokumentieren der Befunde. Unterstützt werden die Gebietsreferenten durch Spezialisten für Bauforschung, Gartendenkmalpflege, Kunstgeschichte, technische Denkmale, Bautechnik, Städtebau und Restaurierung.

Die hier vorgestellte große Vielfalt der Denkmallandschaft lässt sogenannte vereinheitlichende, für ganz Sachsen gültige starre Handlungskonzepte und Standards für die Erhaltung des baulichen kulturellen Erbes nicht zu. Die Arbeit am Kulturdenkmal, vergleichbar der des Arztes am Patienten, ist stets eine individuelle, auf die jeweilige Situation und die gegebenen Handlungsspielräume, auch des Bauherren, mit Augenmaß abzustimmende Aufgabe.

  1. 1Autoren: Dr. Wolfgang Nitsche (Sächsisches Vogtland), Dr. Udo Lorenz (Erzgebirge), Dr. Michael Streetz (Chemnitz und westliches Erzgebirgsvorland), Dr. Steffen Delang (Nordsächsisches Heideland, Muldental), Dipl.-Ing. Thomas Noky (Lommatzscher Pflege), Dr. Thomas Brockow (Leipziger Südraum), Dr. Ulrich Rosner (Oberlausitz), Dr. Ralf-Peter Pinkwart (Oberes Elbtal).
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Heft 6 (2011)
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1867-7061

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