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Was ist und was kann Rechtsarchäologie?


Die Hauptquellen rechtsgeschichtlicher Forschung bestehen in schriftlich überlieferten Rechtstexten. Daneben gibt es eine Fülle von nichtschriftlichen Quellen, welche das Wissen um das Rechtsleben im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit ergänzen und den Rechtsalltag in früheren Jahrhunderten vor Ort überhaupt erst anschaulich machen. Dazu gehören viele Örtlichkeiten und Gegenstände unter freiem Himmel, die einst der Ausübung von Rechten gedient oder diese symbolisiert haben. Rolande und Steinkreuze sind nur die populärsten Vertreter dieser Quellengruppe. Viele heute noch vorhandene Gerichtsplätze und Hinrichtungsstätten sind weit weniger bekannt. Mit diesen, auch oft eindrucksvoll in die Landschaft eingebetteten Quellen, beschäftigt sich die Rechtsarchäologie. 


Rechtsarchäologie1 befasst sich mit der Erforschung, Auswertung, Systematisierung und Inventarisierung von Sachzeugen des (in der Regel älteren) Rechts­lebens einschließlich der damit verbundenen Örtlichkeiten, Symbolik und Handlungen (rechtsrituelles Handeln, Rechtsbräuche und rechtlich geformte Volksbräuche). Die letzteren sind zu einem großen Teil in vergegenständ-
lichter Form überliefert (z. B. die in den Bilderhandschriften des Sachsen-
spiegels2 [Abb. 1] dokumentierten Gebärden3 oder das lebendige Brauch-



Abb. 1: Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (um 1300), fol. 26v (Detail):
Der Bauermeister hält vor der Kirche Gericht. Ein nicht zum Dorf gehörender Slawe (ganz links) wendet sich mit Verweigerungsgebärde vom Gericht ab, da dieses nicht für ihn 
zuständig ist. Universitätsbibliothek Heidelberg. Abb. 1: Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels (um 1300), fol. 26v (Detail):
Der Bauermeister hält vor der Kirche Gericht. Ein nicht zum Dorf gehörender Slawe (ganz links) wendet sich mit Verweigerungsgebärde vom Gericht ab, da dieses nicht für ihn 
zuständig ist. Universitätsbibliothek Heidelberg.

tum4). So lässt sich die Rechtsarchäologie gewiss auf das Gegenständliche konzentrieren, aber keinesfalls reduzieren. Jedenfalls hat die Rechtsarchäologie von dem durch Jacob Grimm (1786–1863)5 geformten und komplexen Begriff der »Rechtsaltertümer«6 ihren Ausgang genommen.


Rechtsarchäologie ist eine Disziplin, die sich aufgrund ihres spezifischen Gegenstandes und ihrer Methoden aus der Rechtsgeschichte (nicht aus der Archäologie) herauskristallisiert hat und inzwischen etabliert ist.7 Als Teildisziplin der Rechtsgeschichte bleibt sie jedoch stets der gesamten Breite der rechtsgeschichtlichen Forschung verpflichtet. Karl von Amira (1848–1930),8 der den Begriff »Rechtsarchäologie« 1890 erstmals gebraucht hatte9 und maßgeblich prägen sollte,10 gilt als ihr Begründer. Er hat bis heute Unverzichtbares zu Gegenstand, Methoden und Systematik der Rechtsarchäologie geleistet. Das wissenschaftliche Interesse an der rechtlichen Bedeutung von Gegenständen, Bildern, Symbolen, Handlungen usw. ist freilich älter. Es reicht bis in das 
17. Jh. zurück.11 In der ersten Hälfte des 20. Jh. glaubte man, durch die konsequente Förderung und Anwendung der Rechtsarchäologie zum »germanischen Recht«12 vordringen zu können. Unabhängig von dieser oft politisch eingefärbten Zielstellung sind in jener Zeit viele grundlegende, teilweise sehr materialreiche und methodisch wertvolle Arbeiten entstanden.13

Mit den gewonnenen Erkenntnissen hilft die Rechtsarchäologie, die Rechtswirklichkeit und die Rechtsnormen in einzelnen Orten, in Regionen, Landschaften und Ländern, letztlich auch übergreifend in den jeweiligen historischen Epochen, zu rekonstruieren. Insofern ergänzt sie das rechtsgeschichtliche Wissen, das vorwiegend auf der Auswertung schriftlicher, sprachlicher und bildlicher Quellen beruht. Hieraus ergeben sich Abgrenzungsfragen, aber auch befruchtende Berührungspunkte, etwa im Verhältnis zu Sprachgeschichte und Rechtssprachgeographie14 (z. B. in Bezug auf Straßen-, Platz-, Flurnamen,15 historische Amtsbezeichnungen, rechtliche Institutionen, Vorgänge und Gegenstände16), Literaturgeschichte (z. B. im Hinblick auf die literarische Überlieferung der Rolandsage zur Beurteilung der Rolandstandbilder17 oder die im Nibelungenlied tradierten Rechtsszenen zu Eheschließung, Fehde, Gottesurteil usw.)18, Historischen Hilfswissenschaften (zur Bestimmung von Wappen19, Siegeln20 und Münzen21); Kunstgeschichte (z. B. bei der Einordnung von Stilelementen an Amtsgebäuden)22, Kirchengeschichte23 (z. B. in Bezug auf kirch­liche Symbole)24, Archäologie (etwa für die Bewertung vorzeitlicher Grabstätten im Zusammenhang mit mittelalterlichen Gerichts- und Richtplätzen)25, Musikwissenschaften (z. B. bezüglich der Erschließung von Werken der Musik)26, Rechtsikonographie27 (z. B. bei der Interpretation von bildhaft überlieferten Gerichtsszenen oder ganzer »rechtsikonographischer Programme« an Gerichtsgebäuden28 oder Gerichts- und Gerechtigkeitsbildern)29 und Rechtsethnologie (z. B. für den Vergleich mit der Organisation von Gemeinschaften bei heutigen sogenannten Naturvölkern)30. 


Die Rechtsarchäologie ist eng verwandt mit der Rechtlichen Volkskunde, die sich ebenfalls mit dem Erkennen rechtsalltäglicher wie rechtspraktischer Tatsachen und Prozesse (vorzugsweise aus dem überlieferten Brauchtum) beschäftigt.31 Die Rechtliche Volkskunde bemüht sich, aus Volksbräuchen und anderen volkskundlichen Quellen, die nicht vordergründig rechtlich geprägt sein müssen (z. B. Kinderspiele,32 Märchen,33 Sagen,34 Volkslieder,35 Volkstänze), Rückschlüsse auf das rechtliche Zusammenleben der Menschen zu ziehen. Die Abgrenzung beider Disziplinen ist zwar gefordert und mit einigen Kriterien ­untermauert worden, doch gelang eine solche bislang nicht zufriedenstellend. Die Übergänge von Rechtsarchäologie zur Rechtlichen Volkskunde sind fließend. Nach dem polnischen Rechtshistoriker Witold Maisel (1914–1993) sollen jene Handlungen und Symbole, deren rechtliche Funktion durch Rechtsnormen oder gesicherten rechtsgeschichtlichen Kontext deutlich bestimmt ist, zur Rechts­archäologie gehören, während andere Handlungen und Symbole, bei denen diese Beziehung nicht vordergründig ist, der Rechtlichen Volkskunde zugeordnet werden.36 Damit wird das Verhältnis der Rechtsarchäologie zur Rechtssymbolik (einschließlich Herrschafts- und Staatssymbolik) berührt, welches im wissenschaftlichen Diskurs ebenfalls noch einer überzeugenden Präzisierung harrt.37 
Mit der Archäologie hat die Rechtsarchäologie die vorwiegend materiellen, nicht-schriftlichen Hinterlassenschaften unserer Vorfahren als Quellen gemeinsam. Inschriften38 und Zeichen39 als selbständige Überlieferungsgruppe oder an den Objekten selbst bilden eher eine, wenn auch durchaus verbreitete Ausnahme (Inschriften an Gebäuden; Gravuren auf Richtschwertern40 u. ä.). Die schriftliche (archivalische) oder/und kartographische Überlieferung (etwa Bauakten und Flurkarten) ist natürlich einzubeziehen. Sie spielt, soweit vorhanden, bei der Deutung und zeitlichen Einordnung der Objekte eine wichtige Rolle.41

Rechtsarchäologie und Archäologie gehen ineinander über, wo sich die letztere der Ausgrabung und/oder Auswertung auch rechtlich relevanter Gegenstände zuwendet (etwa Galgenstätten, Moorleichen, Pfalzen, Handelsplätze, Kirchen, Gräber mit standesspezifischen Beigaben usw.).42

Seit Karl von Amira und Claudius Freiherr von Schwerin (1880–1944)43 sind unterschiedliche Systematisierungsversuche zur möglichst vollständigen Erfassung der überkommenen Quellen der Rechtsarchäologie unternommen worden.44 Grundlegend blieb deren Einteilung des gesamten rechtsarchäologischen Materials in sechs Abteilungen: I. Orte und Gebäude; II. Gebrauchsgegenstände (Werkzeuge und Geräte); III. Attribute und Symbole; IV. Zeichen (von Personen, Sachen, Territorien); V. Amtstrachten; VI. Formen des Rechtsbrauches. 


In Weiterentwicklung dieser Systematik und der dazu geführten Diskussion entwarf Witold Maisel, welcher die Rechtsarchäologie in verdienstvoller Weise in ihrer europäischen Dimension sah und darstellte,45 eine Gliederung in zwei Klassen, die jeweils wieder in verschiedene Abteilungen, Unterabteilungen, Gruppen, Untergruppen und Typen zerfallen. 


Eine Klasse bilden Objekte (Orte und Gegenstände) mit funktionalem Charakter für Rechtssetzung und -anwendung, während die andere Klasse Gegenstände rechtlichen Handelns, Zeichen und Symbole, welche konkret-historische Erscheinungsformen des Rechts (Rechtsinstitute) und Handlungen begleiten sowie versinnbildlichen, umfasst.


Die erste Klasse wird unterteilt in: Rechtsorte unter freiem Himmel (Versammlungs-, Wahl-, Inthronisations-, Schwur-, Rechtsprechungs-, Verkünd-, Asyl-, Wallfahrts-, Huldigungs- und Strafvollzugsorte); Gebäude bzw. Räume mit Rechtsfunktionen (Rathäuser, Zunfthäuser, Pfalzen, Gerichts-, Verwaltungs-, Behörden-, Kirchen-, Universitäts- und Gefängnisgebäude, Zollhäuser, Börsen, Büttel- und Henkerhäuser, Verliese, Gerichts-, Gilden-, Zunft-, Rats-, Gemeinde- und Bruderschaftsstuben sowie Folterkammern), Einrichtungen und Geräte des Rechtslebens, insbesondere zur Durchführung des Gerichtsverfahrens (z. B. Ladungszeichen,46 Reliquiare,47 Folterwerkzeuge, prozessuale Beweisstücke), zur Vollstreckung von Strafen (z. B. Schwert, Galgen, Pranger in vielen Varianten48 [Abb. 3]), Geräte und Zubehör der Verwaltung (z. B. Glocke49 als Zeichen für die Ankündigung einer Bekanntmachung oder als Gebot einer zu vollziehenden Handlung,50 Wahlurne als Utensil der Abstimmung,51 Signalhorn zur Warnung vor Gefahren,52 Aktenschränke als Behältnisse im Archivwesen), Gegenstände des (insbesondere wirtschaftlich relevanten) Rechtsverkehrs (Münzen, Maße,53 Gewichte, Kerbhölzer, Auktionshämmer) und der Handwerkerzünfte sowie anderer Korporationen (Zunftladen, Handwerks­tafeln, Becher, Kannen).


Zur zweiten Klasse gehören: Trachten und Uniformen54 (z. B. Amtstrachten, Hochzeitstrachten, Trachten bestimmter Personengruppen,55 Militär- und Polizeiuniformen); Insignien weltlicher Herrscher und Amtszeichen (z. B. Kronen, Lanzen, Schwerter, Stäbe); Insignien kirchlicher Macht (z. B. Pallium); Universitätsinsignien (z. B. Zepter); Attribute kirchlicher Würdenträger (z. B. Krummstäbe56); Attribute weltlicher Beamter (z. B. Amtsketten57); Zeichen der Staatsgewalt (z. B. Flaggen, Banner, Fahnen, Standarten)58; Zeichen für Privilegien, Berechtigungen (z. B. Strohwisch/Kranz als Zeichen der Schankgerechtigkeit) und Amtsfunktionen (z. B. Richterstäbe); Beglaubigungszeichen (z. B. Notarsignets)59; Zeichen der Entrichtung von Abgaben; Personenzeichen (z. B. Siegel), Eigentumszeichen (z. B. Brandzeichen an Haustieren, Hauszeichen60) und Produktionszeichen (z. B. Steinmetzzeichen, Warenzeichen), Grenzzeichen (z. B. Grenzsteine), Friedens- und Freiheitszeichen (z. B. Freiheitsbäume, Rolande, Marktkreuze61, Schwertnachbildungen62 [Abb. 2]); öffentliche Beschau- und Prüfungszeichen (z. B. Qualitätssiegel) sowie Entfernungszeichen (z. B. Meilensteine, Postmeilensäulen63). Die letzteren wurden in der Regel aufgrund der Verwaltungsbedürfnisse des frühneuzeitlichen Territorialstaates 


Abb. 2: Sendschwert im Rathaus Münster (Nordrhein-Westfalen). Foto: Heiner Lück. Abb. 2: Sendschwert im Rathaus Münster (Nordrhein-Westfalen). Foto: Heiner Lück.

gesetzt und sind Ausdruck amtlich durchgeführter Landesvermessungen und -aufnahmen.64 Die Gegenstände dieser Klassen und Gruppen lassen sich (nachneuzeitlichen Vorstellungen) wiederum unterschiedlichen Rechtsbereichen zuordnen – etwa dem weltlichen und kirchlichen, dem ländlichen und städtischen, dem partikular- und reichsrechtlichen, dem öffentlichen und privaten, dem ­nationalen und internationalen, dem öffentlichrechtlichen, privatrechtlichen und strafrechtlichen, dem männlichen und weiblichen 
Bereich usw.


Eine solche Einteilung bleibt jedoch wegen der Vielfalt der Örtlichkeiten, Gegenstände, Symbole und Handlungen immer problematisch, was auch den »Systematikern« der Rechtsarchäologie stets bewusst war und ist. Hinzu kommt, dass sich der Symbolgehalt eines Ortes, eines Gegenstandes oder einer Handlung im Laufe der Geschichte mehrfach ändern konnte.65 Des Weiteren konnten einzelne Objekte gleichzeitig mehreren Zwecken dienen (z. B. ein Stein als Gerichts- und Verkündstein66; ein Meilenstein oder eine Gerichtslinde als Befestigungsgelegenheit für einen Pranger67; ein Galgen gleichzeitig als Strafvollzugsgerät und Zeichen der Flurgrenze). Jegliche Systematisierung ist diesem Variantenreichtum und der teilweise sehr komplexen sowie sich überlagernden wandelnden Bedeutung der Erscheinungsformen ausgesetzt, sodass sie die Einordnung eines einzelnen Objekts in unterschiedliche Rubriken zulas-
sen muss. 


Bei den Orten und Gegenständen kann es sich jeweils um solche handeln, die in der Natur von vornherein vorhanden sind (z. B. ein Fluss, Fels oder Baum, der eine Grenze markiert; ein weithin sichtbarer Hügel als Gerichtsplatz; der Baum als naturgegebene Vorrichtung für die Vollstreckung der Todesstrafe durch Erhängen; ein bereits vorhandener oder herbeigeschaffter Findling für eine Gerichtsstätte) oder die für den rechtlich relevanten Zweck angefertigt wurden (z. B. behauene und aufgestellte Grenzsteine68; die gemauerte Galgensäule).


Im Blickpunkt rechtsarchäologischer Betrachtung stehen Gegenstände sehr unterschiedlicher Beschaffenheit und stofflicher Zusammensetzung, wie sie z. T. auch in der Archäologie begegnen: Stein (z. B. Schandstein [Abb. 3])69, Metall (z. B. Ring), Holz (z. B. Gerichtstisch), Wachs (z. B. Kerze), Wasser (z. B. Hinrichtung durch Ertränken), Feuer (z. B. Strafe des Verbrennens), Erde (z. B. Gerichts­hügel), Ähren oder Gras (als zu übergebende Teile bei der Grundstücksveräußerung); Knochen (z. B. Reliquie), Textilien (z. B. der Sack als Strafwerkzeug)70, Papier (z. B. Los)71, Pflanzen (z. B. Bäume als Zeichen der Gerichtsstätte)72; Früchte (z. B. Apfel), Perlen (z. B. Diadem), Tiere (z. B. hin­gerichtete Tiere)73, Teile des menschlichen Körpers (z. B. abgetrennte Hand als »Leibzeichen«)74, ­Leder (z. B. Handschuh75) u. a. 


Abb. 3: Käfigpranger und Schandsteine am Rathaus Oschatz (Sachsen, Ldkr. Nordsachsen), 16. Jh.(?). Foto: Heiner Lück. Abb. 3: Käfigpranger und Schandsteine am Rathaus Oschatz (Sachsen, Ldkr. Nordsachsen), 16. Jh.(?). Foto: Heiner Lück.

Zur Beschaffenheit gehört bei manchen rechtsarchäologischen Denkmälern die Farbe.76 Sie steht oft für eine eigenständige Bedeutung und macht die betreffende Sache erst zur Quelle der Rechtsarchäologie (z. B. Rote Bücher,77 Rote Türme,78 Rote Türen,79 Rote Steine,80 Blaue Steine81). An Stelle der Farbe, die nicht real vorhanden sein muss,82 können andere Eigenschaften stehen (z. B. Heiße Steine83).


Die Rechtsarchäologie spielt vor allem für die Rekonstruktion des ländlichen Rechtsalltags in Mittelalter und Früher Neuzeit eine wichtige Rolle, da in diesem Bereich die schriftlichen Quellen über das Rechtsleben relativ spät und zunächst karg einsetzen.84 Allein schon wegen des Umstandes, dass um 1300 etwa 90 % der Bevölkerung im Alten Reich auf dem Lande lebten, ist die Bedeutung dieser Forschungen kaum zu überschätzen. Die Lage der Gerichts- und Versammlungsplätze (an Kirchen, auf Kirchhöfen, vor Wirtshäusern, auf Dorfplätzen,85 auf 
Angern,86 auf Wüstungen,87 auf Anhöhen, in mit Dielungen versehenen Baumkronen »geleiteter Linden« [Tanzlinden],88 an oder auf einem vorzeitlichen Grab), ihre Attribute (Stein, Steinkreis, Steintisch, Baum, Baumkreis) und ihre räumliche Beziehung zu anderen Einrichtungen bzw. Örtlichkei-
ten des gemeinschaftlichen Zusammenlebens (z. B. Brunnen, Brücken, Kirchen, Schänken, Anger, Richter-/Schulzengut, Orts- und Gemarkungsgrenzen) sind oft die einzigen Anhaltspunkte, um den Rechtsalltag zu rekonstruieren. Überhaupt kommt dem engeren räumlichen Kontext eine Schlüsselfunktion bei der Einordnung und Bewertung von Objekten, insbesondere solcher unter freiem Himmel, zu.89 Darauf aufbauend lassen sich typische topographische Situationen ausmachen. So ist ein Pranger in der Regel an einem öffentlichen Ort (Rathaus, Kirche, Markt, Friedhofsmauer) zu finden [Abb. 4], während ein Galgen wegen der Ehrlosigkeit des Erhängens grundsätzlich weit außerhalb der Ortschaft oder auf deren Grenze errichtet wurde. Des Öfteren kann Blickkontakt zwischen der Gerichts- und der Richtstätte konstatiert werden. Galgenberg und Flur-/Gemarkungsgrenze fallen bis heute häufig zusammen.90

Abb. 4: Bühnenpranger in Schwäbisch Hall (Baden-Württemberg, Ldkr. Schwäbisch-Hall). Foto: Heiner Lück. Abb. 4: Bühnenpranger in Schwäbisch Hall (Baden-Württemberg, Ldkr. Schwäbisch-Hall). Foto: Heiner Lück.

Die Behausungen der Henker sind entweder dicht an der Stadtmauer91 oder sogar außerhalb derselben lokalisierbar. Darauf weist z. B. noch ein altes Hauszeichen in Naumburg hin. Es befindet sich an einem Haus (nach wohl mehrfacher Ortsveränderung) in der Jenaer Straße (heute Jenaer Str. 11). Das heute nahezu unkenntliche Sandsteinrelief zeigte an der einstigen Naumburger Scharfrichterei eine abgehauene Hand mit einem 
Schwert. 


Demgegenüber finden sich Richtplätze, auf denen die (ehrenhafte) Todesstrafe mit dem Schwert vollzogen wurde, regelmäßig an belebten öffentlichen Orten (z. B. auf Marktplätzen).92

Gelegentlich sind Sachzeugen des älteren Rechtslebens und archäologische Denkmäler heute identisch oder stehen in einem engen räumlichen Zusammenhang. Dazu gehören vorzeitliche Kultsteine und Grabanlagen, an denen auch im Mittelalter rechtserhebliche Handlungen vorgenommen wurden (Gerichtsversammlungen an bzw. auf Grabhügeln oder Großsteingräbern;93 Durchführung von Eheschließungsriten an »Brautportalen«94 oder »Brautsteinen«95). In nicht wenigen Fällen war der vorzeitliche Begräbnisplatz auch mittelalterlicher Gerichtsplatz (z. B. bronzezeitliches Hügelgrab auf der »Mettine«, südlich von Zörbig96). Eine Kontinuität der bewussten Anknüpfung an die Vorfahren, wie ihn John Meier (1864–1953) annimmt,97 muss jedoch bezweifelt werden. Vielmehr wird die exponierte Lage eines markanten Punktes in der Landschaft (z. B. Hügel) für die Menschen der Vorzeit als Begräbnisort ganz ähnlich anziehend gewirkt haben wie für die Gerichtsherren und -pflichtigen des Mittel-
alters.


Die Häufigkeit heute noch existenter Quellen der Rechtsarchäologie ist 
je nach Typus sehr unterschiedlich. Sie hängt von der Verbreitung, von der ­Widerstandskraft gegenüber der Witterung und umweltschädigenden Immissionen, dem Alter, von Eingriffen nach dem Verlust ihrer Funktion, vom Denkmalschutz in der Moderne, von der Wertschätzung der Nachwelt und vielem mehr ab (z. B. wurden mehrere dörfliche Gerichtssteine zu Beginn des 20. Jh. in die Anlage und Errichtung von Kriegerdenkmälern einbezogen;98 alte vergangene Gerichtsbäume werden häufig nachgepflanzt)99. 


Einzigartig sind gewiss die Reichsinsignien in der Schatzkammer zu Wien.100 Zu den selteneren rechtsarchäologischen Denkmälern dürften Moorleichen, mumifizierte Teile des menschlichen Körpers (Daumen, Hände) und Galgenbauten (gemauerte Galgensäulen)101 gehören. Massenhaft vorhanden sind demgegenüber Steinkreuze (als Sühnekreuze, Grenzzeichen oder Erinnerungszeichen), Gerichtsplätze mit und ohne Stein- oder Baumbestand, Galgenberge ohne Aufbauten und einzelne Gerichtssteine. 


Überaus problematisch ist die Frage nach den Kriterien, die ein Gegenstand oder eine Örtlichkeit erfüllen muss, um als rechtsarchäologisch bedeutsam qualifiziert werden zu können. Bei aufwendig gestalteten Gegenständen, deren Zweck aufgrund ihrer funktionalen Spezifik weitgehend eindeutig ist (z. B. bei Kronen, Folterwerkzeugen, Gerichtsgebäuden102 und Gefängnisbauten103), liegt der Zusammenhang mit der Rechtsarchäologie auf der Hand. Bei vielen anderen Objekten ist eine solche Zuordnung, vor allem bei solchen unter freiem Himmel (wie Hügeln, Bäumen, Steinen), oft zweifelhaft. So muss ein Stein oder ein Baum auf einem Dorfplatz nicht zwingend ein Attribut des dörflichen Versammlungs- und Gerichtsplatzes sein (man denke an neuzeit­liche »Goethesteine«104, »Friedenseichen« o. ä.). Hier helfen oft nur ortsbezogene, mündliche Tradierungen, Straßen-/Flurnamen (gelegentlich in Verbindung mit einem dauerhaften oder zumindest in der Erinnerung noch vorhandenen Brauchtum) annäherungsweise weiter.


Ein weiteres Problem besteht in der Datierung. Während Objekte der Frühen Neuzeit und neueren Zeit mittels Stilformen oder überlieferter Zeitangaben in der Regel datierbar sind, fehlen solche Anhaltspunkte weitgehend für das Mittelalter. So ist es sehr schwierig, z. B. Steine in Verbindung mit dörf­lichen Versammlungs-/Gerichtsplätzen zeitlich näher zu bestimmen. Die im 15. Jh. einsetzenden schriftlichen Protokolle über Gerichtssitzungen105 erwähnen zudem solche Steine in der Regel nicht.


Neben der Beschreibung und Interpretation einzelner rechtsarchäologischer Denkmäler ist es ein Anliegen der Rechtsarchäologie, die immerhin noch reichlich vorhandenen Sachzeugen zu inventarisieren und vor Abgang (Beseitigung, Zerstörung, Diebstahl106) bzw. Beschädigung zu schützen.107 Dieser Prozess hat in einigen Regionen und Landschaften bereits gute Fortschritte gemacht.108 Neben der territorial ausgerichteten Verzeichnung aller rechtsarchäologischen Denkmäler steht die sachgruppenbezogene Bestandsaufnahme. Ergebnisse der letzteren sind zahlreiche Steinkreuz- und Kreuzsteininventare109 sowie das Repertorium der deutschen Königspfalzen.110 Auch die zahlreichen Grenzsteine am Thüringer Rennsteig sind gut inventarisiert.111 In Sachsen-Anhalt haben die Grenzsteine an der ehemaligen kurhannover-kursächsischen Grenze im Südharz Eingang in ein Inventar gefunden.112

Die rechtsarchäologischen Sachzeugen verdienen staatlichen Schutz, auch wenn sie häufig nicht mit den traditionellen archäologischen Denkmälern identisch sind. Bis heute zieren sie Dorfplätze, Anger, Märkte, Burghöfe, Kirchhöfe, Kirchplätze oder hoch liegende Aussichtspunkte in der Landschaft.


Es ist daher nur konsequent und sehr zu begrüßen, dass das Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 21. Oktober 1991 (GVOBl. Sachsen-Anhalt 1991, S. 368 ff.) in seinen sachlichen Schutz- und Geltungs­bereich die »Denkmale der Rechtsgeschichte« ausdrücklich mit einbezogen hat (§ 2 Abs. 2 Ziff. 3).


  1. 1Vgl. dazu auch meinen Beitrag »Rechtsarchäologie«, in Johannes Hoops (Begr.), Heinrich Beck, Dieter Geuenich und Heiko Steuer (Hg.), Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Aufl. (im Folgenden: 2RGA), Bd. 24, Berlin / New York 2003, S. 240–246; Louis Carlen, »Rechtsarchäologie«, in Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann (Hg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (im Folgenden: HRG), Bd. 4, Berlin 1990, Sp. 268–272; sowie Rolf Lieberwirth und Heiner Lück, »Zur Notwendigkeit regionaler rechtsarchäologischer Forschung«, in Jahrbuch für Regionalgeschichte 14 (1987), S. 347–353.

  2. 2Vgl. Heiner Lück, »Sachsenspiegel und Magdeburger Recht. Grundlagen für ­Europa. Eine Ausstellung des Landes Sachsen-Anhalt«, inDenkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften 4 (2010), S. 81–104, hier S. 83–92.

  3. 3Vgl. Ruth Schmidt-Wiegand, »Gebärden«, in Albrecht Cordes, Heiner Lück und Dieter Werkmüller (Hg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Aufl. (im Folgenden: 2HRG), Bd. 1, Berlin 2008, Sp. 1954–1969. Auch unsere Gegenwart kommt nicht ohne Gebärden aus. Im Akademiealltag begrüßt man sich mit Handschlag und honoriert Vorträge mit Applaus. Diese alltäglichen Handlungen gehören zu einem Brauchtum mit rechtlichen Aspekten. Die Bedeutung des Handschlags ist umstritten. Manche sehen darin eine Identifizierungsgebärde, andere eine Greifgebärde, mit deren Vollzug sich der Greifende unter den Schutz des Ergriffenen stellt. Vgl. auch Herbert Schempf, »Handschlag«, in 2HRG, 12. Lieferung, Berlin 2010, Sp. 748–749. Nach geltendem Recht (§§ 145 ff. BGB) können durch konkludentes Verhalten (z. B. Handschlag, Nicken u. a.) Verträge geschlossen werden. Eine bestimmte Gruppe von Menschen kann sich nur durch Gebärden verständigen. Die Hamburger Akademie der Wissenschaften betreibt seit 2008 ein entsprechendes Langzeitvorhaben: »Erstes Wörterbuch der deutschen Gebärdensprache«.

  4. 4Auf einem Hügel bei dem Dorf Salzmünde (Saalekreis) findet noch heute das »Himmelfahrtsbier« statt. Es handelt sich um ein Relikt früherer Gerichtsversammlungen. Vgl. dazu Heiner Lück, »Die Heilige Elisabeth und das Himmelfahrtsbier in Salzmünde bei Halle. Von der Kontinuität eines Gerichtsbrauchs«, in Stephan Buchholz und Heiner Lück (Hg.), Worte des Rechts. Wörter zur Rechtsgeschichte. Festschrift für Dieter Werkmüller zum 70. Geburtstag, Berlin 2007, S. 227–246.

  5. 5Vgl. Dieter Werkmüller, »Grimm, Jacob (1785–1863)«, in2HRG, 11. Lieferung, Berlin 2010, Sp. 554–556.

  6. 6Jacob Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer, 2 Bde., 1. Aufl., Kassel 1828; 4. Aufl. ­besorgt von Andreas Heusler und Rudolf Hübner, Leipzig 1899 (Neudruck Berlin 1956). Vgl. dazu auch Dieter Werkmüller, »Rechtsaltertümer«, in HRG 4 (1990), Sp. 265–268.

  7. 7Das belegen eindrucksvoll die von Louis Carlen betreute und herausgegebene SchriftenreiheForschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde, 24 Bände, Zürich 1978–2007, und ihre Nachfolgerin SIGNA IVRIS. Beiträge zur Rechtsikonographie, Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde, hg. von Gernot Kocher, Heiner Lück und Clausdieter Schott, Halle a. d. S. 2008 ff. (bisher erschienen: 9 Bde.). In diesen Kontext gehören auch die von Karl S. Bader (Zürich) herausgegebene Reihe Das Rechtswahrzeichen (5 Hefte) sowie die namens der Züricher »Forschungsstelle für Rechtssprache, Rechts­archäologie und Rechtliche Volkskunde« besorgten Rechtshistorischen Arbeiten (insges. 
16 Bde.). Vgl. dazu auch Gernot Kocher, Heiner Lück und Clausdieter Schott, »Zum Geleit«, in SIGNA IVRIS 1 (2008), S. 5–6. Ein sicherer Beleg für den Platz der Rechtsarchäologie und der mit ihr verwandten Disziplinen ist ferner ihre Präsenz in vielen Artikeln des Handwörterbuchs zur deutschen Rechtsgeschichte, das als viel benutztes Standardwerk der »deutschen Rechtsgeschichte« gelten darf. Erfreulicherweise gilt das auch für die 2. Auflage.

  8. 8Vgl. Mathias Schmoeckel, »Amira, Karl von (1848–1930)«, in2HRG 1 (2008), Sp. 200–202.

  9. 9Karl von Amira, »Die Investitur des Kanzlers«, inMitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 11 (1890), S. 521–527, hier S. 523. 

  10. 10Vgl. Peter Landau, Hermann Nehlsen und Mathias Schmoeckel (Hg.), Karl von Amira zum Gedächtnis (Rechtshistorische Reihe 206), Frankfurt a. M. u. a. 1999.

  11. 11Das belegt u. a. das erste Werk zu den Rolandstandbildern: J. Gryphiander, De Weichbildis Saxonicis seu Colossis Rulandinis urbium quarundarum Saxonicarum commentarius historico-juridicus, Frankfurt a. M. 1625 (1. Aufl.).

  12. 12Vgl. dazu Gerhard Dilcher, »Germanisches Recht«, in2HRG, 10. Lieferung, Berlin 2009, Sp. 241–252; Heiner Lück, »Recht«, in 2RGA 24 (2003), S. 209–224.

  13. 13Karl von Amira und Claudius Freiherr von Schwerin, Rechtsarchäologie. Gegenstände, Formen und Symbole germanischen Rechts, Teil 1: Einführung in die Rechtsarchäologie von Claudius Freiherr von Schwerin, Berlin-Dahlem 1943; Karl Frölich, Arbeiten zur rechtlichen Volkskunde, 5 Hefte, Tübingen/Gießen 1938–1946.

  14. 14Hierfür liefert das Heidelberger Akademievorhaben »Deutsches Rechtswörterbuch« seit Jahrzehnten zuverlässige und unentbehrliche Grundlagen. Vgl. auch Heino Speer, »Deutsches Rechtswörterbuch«, in2HRG 1 (2008), Sp. 1007–1011.

  15. 15Karl Bischoff, Der Tie (Akademie der Wissenschaften und der Literatur [Mainz], Abhandlungen Geistes- und Sozialwissenschaftliche Klasse 9 [1971]; 7 [1972]), Mainz/Wiesbaden 1971/72; ders., Nachträge zu »Tie«, in Jahrbuch des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung 101 (1978), S. 158–159; Eberhard Freiherr von Künßberg, Flurnamen 
und Rechtsgeschichte, Weimar 1936; Ruth Schmidt-Wiegand, »Tie«, in HRG 5 (1998), Sp. 228–229.

  16. 16Z. B. Bettina Schmidt, ›Pflugwende‹ und Anwenderecht im Westfälischen (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte 11), Frankfurt a. M. u. a. 1989; Angelo Garovi, Rechtssprachlandschaften der Schweiz und ihr europäischer Bezug (Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur 76), Tübingen/Basel 1999; Werner Peters, Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten in den mittelniederdeutschen Rechtsquellen (Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte 20), Frankfurt a. M. u. a. 1991. 

  17. 17Dorothea Klein, Susanne Kramarz-Bein und Heiner Lück, »Roland«, in2RGA 25 (2003), S. 184–197.

  18. 18Vgl. Ruth Schmidt-Wiegand, »Nibelungenlied«, in HRG 3 (1984), Sp. 965–974.

  19. 19Georg Scheibelreiter, »Heraldik«, in2HRG, 12. Lieferung, Berlin 2010, Sp. 948–951.

  20. 20Vgl. etwa Toni Diederich, Rheinische Städtesiegel (Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Jg. 1984/85), Neuss 1984.

  21. 21Torsten Fried, »Schrift und Bild, Münzen als Herrschaftszeichen«, in Olaf B. Rader (Hg.) unter Mitarbeit von Mathias Lawo, Turbata per aequora mundi. Dankesgabe an Eckhard Müller-Mertens (MGH. Studien und Texte 29), Hannover 2001, S. 233–252.

  22. 22Heiner Lück, »Gerichtslaube«, in2HRG, 9. Lieferung, Berlin 2009, Sp. 162–165; Stephan Albrecht, Mittelalterliche Rathäuser in Deutschland. Architektur und Funktion, Darmstadt 2004.

  23. 23Vgl. dazu Franz-Heinrich Beyer, Geheiligte Räume. Theologie, Geschichte und Symbolik des Kirchengebäudes, Darmstadt 2008.

  24. 24Louis Carlen, Orte, Gegenstände, Symbole kirchlichen Rechtslebens. Eine Einführung in die kirchliche Rechtsarchäologie, Freiburg Schweiz 1999.

  25. 25Vgl. Jost Auler (Hg.), Richtstättenarchäologie, 2 Bde., Dormagen 2008/2010.

  26. 26Heiner Lück, »Lehnrecht und Ehebruch, Das Beispiel Tristan«, inwagner-
spectrum 1 (2005), Schwerpunkt – focusing on Tristan und Isolde, Würzburg 2005, S. 80–97.

  27. 27Vgl. dazu Gernot Kocher, Zeichen und Symbole des Rechts. Eine historische Ikonographie, München 1992; Marion Perrin und Michael Rockmann, »Zur Ikonographie der Dresdner Bilderhandschrift des Sachsenspiegels. Ein Erfahrungsbericht zur Methode aus der Praxis der Bildanalyse«, in Heiner Lück (Hg.), Eike von Repgow. Sachsenspiegel. Die Dresdner Bilderhandschrift Mscr. Dresd. M. 32. Aufsätze und Untersuchungen, Graz 2011, S. 47–54; Colette R. Brunschwig, »Rechtsikonographie, Rechtsikonologie und Rechtsvisualisierung: Gesprächs- und Entwicklungspotenziale«, in Markus Steppan und Helmut Gebhardt (Hg.), Zur Geschichte des Rechts. Festschrift für Gernot Kocher zum 65. Geburtstag, Graz 2006, S. 39–47. 

  28. 28Einen nahezu unerschöpflichen Reichtum rechtsikonographischer Programme und Elemente bietet das Gebäude des Bundesverwaltungsgerichts (ehemals Reichsgerichts) in Leipzig. Diese Aspekte des Gebäudes sind bis heute nur wenig erschlossen.

  29. 29Gernot Kocher, »Gerechtigkeits- und Gerichtsbilder«, in2HRG, 9. Lieferung, Berlin 2009, Sp. 127–131.

  30. 30Vgl. Franz und Keebet von Benda-Beckmann, »Ethnologie«, in2HRG 1 (2008), Sp. 1432–1436. Als konkretes Beispiel ethnologischer Feldforschung mit erheblicher rechtshis­torischer Relevanz sei die interessante Studie von Burkhard Schnepel, Twinned Beings. Kings and Effigies in Southern Sudan, East India und Renaissance France, Göteborg 1995, erwähnt. 

  31. 31Vgl. Louis Carlen, »Volkskunde, Rechtliche«, in HRG 4 (1990), Sp. 999–1004, sowie Eberhard Freiherr von Künßberg, Rechtliche Volkskunde (Volk 3), Halle 1936. Zur modernen Diskussion vgl. auch Klaus F. Röhl, »Wie übersetzt man ›Popular Legal Culture‹?«, in SIGNA IVRIS 1 (2008), S. 173–174; Herbert Schempf, »Volksrecht – Rechtliche Volkskunde – 
Rechtsethnologie«, ebd., S. 175–176; Theodor Bühler, »Folklore juridique – Rechtliche Volkskunde«, ebd., S. 177–179.

  32. 32Das alte Spiel »Verstecken« ist ein Nachspielen der mittelalterlichen Fehde. Wer als Verfolgter einen vereinbarten Ort erreicht, ist frei vom Zugriff des Verfolgers. Vgl. dazu Ortwin Henßler, »Asyl«, in2HRG 1 (2008), Sp. 319–326, und Christine Reinle, »Fehde«, ebd., Sp. 1515–1525; Eberhard Freiherr von Künßberg, Rechtsbrauch und Kinderspiel, 2. Aufl., Heidelberg 1952; Brigitte Bulitta, Zur Herkunft und Geschichte von Spielbezeichnungen. Untersuchungen am Beispiel traditioneller Bewegungsspiele (Schriften der Brüder-Grimm-Gesellschaft N. F. 29), Kassel 2000, hier bes. der Abschnitt »Rechtsaltertümer im Kinderspiel«, S. 316–322.

  33. 33Hans Hattenhauer, »Märchen«, in HRG 3 (1984), Sp. 267–270.

  34. 34An vielen Steinkreuzen und aufrecht stehenden Steinen haften Sagen mit einem Erklärungsversuch (vgl. etwa Walter Saal, »Steinkreuzsagen aus Sachsen-Anhalt« [Steinkreuzforschung. Studien zur deutschen und internationalen Flurdenkmalforschung 7], Merseburg 1992). Zu den rechtsgeschichtlich eindrucksvollsten Sagen gehört jene vom Herrn von Kahlbutz, dessen mumifizierter Leichnam noch heute in der Kirche zu Kampehl bei Neustadt/Dosse aufbewahrt wird. Sie spielt sowohl auf eine Falschaussage vor Gericht als auch auf das vermeintliche Recht der ersten Nacht an (vgl. Gerd Heinrich, »Kampehl«, in ders. [Hg.], Berlin/Brandenburg [Handbuch der historischen Stätten Deutschlands X], 3. Aufl., Stuttgart 1995, S. 233 f.; Heiner Lück, »Jus primae noctis«, in 2HRG, 14. Lieferung, Berlin 2011, Sp. 1465–1466). Zum Zusammenhang von Sage und Recht allgemein vgl. zuletzt Mike Bacher, Das Recht in den Sagen Obwaldens (SIGNA IVRIS 9), Halle a. d. S. 2011.

  35. 35Im Volkslied »Wenn alle Brünnlein fließen …« kommen die Wörter »Winken mit den Äugelein und Treten auf den Fuß« vor. Das »Treten auf den Fuß« ist die symbolische Inbesitznahme der Braut durch den Bräutigam. Vgl. auch Herbert Schempf, »Fuß«, in2HRG 1 (2008), Sp. 1906–1908. Weitere Beispiele von Volksliedern zu Ehe, Verbrechen, Hinrichtungen etc. enthält fast jede Volksliedersammlung; etwa auch Walter Hansen (Hg.) unter beratender Mitarbeit von Georg Schwenk und Wiegand Stief, Das große Hausbuch der Volkslieder. Über 400 Lieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und Illustrationen von Ludwig Richter, München 1978.

  36. 36Witold Maisel, »Gegenstand und Systematik der Rechtsarchäologie«, inForschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde 1 (1978), S. 4–24; ders., »Die Abgrenzung der Rechtsarchäologie und der Rechtlichen Volkskunde«, in Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde 2 (1979), S. 93–104.

  37. 37Vgl. dazu Heiner Lück, »Rechtssymbolik«, in2RGA 24 (2003), S. 284–291; ders., »Herrschaftszeichen«, in 2HRG, 12. Lieferung, Berlin 2010, Sp. 982–987; ders., »Insignien«, ebd., 14. Lieferung, Berlin 2011, Sp. 1255–1256.

  38. 38Vgl. Heiner Lück, »Inschriften«, in2HRG, 14. Lieferung, Berlin 2011, Sp. 1249–1254. Eine besonders interessante Inschrift mit eindeutiger Rechtsqualität befindet sich im Rathaus der sächsischen Bergstadt Marienberg. Sie zitiert einen Text aus der Glosse des Sachsenspiegels, die Gegenstand des Leipziger Akademievorhabens »MGH. Sachsenspiegelglossen« ist. Vgl. dazu Stephan Altensleben, »Eine unbekannte Inschrift im Rathaus der alten Bergstadt Marienberg«, in Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde 24 (2007), S. 57–77. Nicht selten berichten Inschriften über Missetaten. Vgl. das Beispiel von Hans Fuhrmann, »Eine düstere und blutige Geschichte. Zur ältesten nur abschriftlich überlieferten Inschrift des Halberstädter Doms«, in Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften 4 (2010), S. 133–142.

  39. 39Z. B. Warenzeichen, Brandzeichen, Eigentumsmarken u. a.

  40. 40Zu den bekanntesten Richtschwertern mit Inschrift gehören jene, mit denen 1601 der kursächsische Kanzler Dr. Nikolaus Krell und 1730 der Jugendfreund Friedrichs des Großen, Hans Hermann von Katte, geköpft wurden (vgl. Jutta Charlotte von Bloh, »Das Richtschwert des kursächsischen Kanzlers Dr. Nikolaus Krell 1601«, in Dirk Syndram, Jutta Charlotte von Bloh und Christoph Münchow [Hg.], Erhalt uns Herr pei Deinem Wort. Glaubensbekenntnisse auf kurfürstlichen Prunkwaffen und Kunstgegenständen der Reformationszeit, Ausstellungs-Katalog, Dresden 2011, S. 125 [Abb. S. 124]; Lothar Lambacher, »Richtschwert, 1713 […]«, in Jürgen Kloosterhuis und Lothar Lambacher [Bearb.], Kriegs­gericht in Köpenick! Anno 1730, Kronprinz – Katte – Königswort, Ausstellungs-Katalog, Berlin 2011, S. 193 f.).

  41. 41Vgl. dazu Wernfried Fieber, Heiner Lück und Reinhard Schmitt, »Vorbemerkung«, in dies., »… ahnn den Stein, so uf den Anger stehet …«. Bauernsteine in Sachsen-Anhalt. Ein Inventar (Archäologie in Sachsen-Anhalt, Sonderband 11), Halle a. d. S. 2009, S. 17 f.

  42. 42Vgl. etwa Herbert Jankuhn, »Moorleichen«, in HRG 3 (1984), Sp. 655–663; C. Bergen, M. J. L. Th. Niekus und Vincent T. van Vilsteren (Red.), Der Tempel im Moor, Ausstellungs-Katalog, Zwolle 2002.

  43. 43Zu ihm vgl. Gerhard Köbler, Deutsche Rechtshistoriker. Tausend deutschsprachige Rechtshistoriker aus Vergangenheit und Gegenwart (Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft 67), Gießen/Lahn 2006, S. 224 f.

  44. 44v. Amira und von Schwerin, Rechtsarchäologie (Fn. 13).

  45. 45Witold Maisel, Rechtsarchäologie Europas, aus dem Polnischen übersetzt von Ruth Ponińska-Maisel, Wien/Köln/Weimar 1992.

  46. 46In manchen Gegenden haben sich sog. Schulzenknüppel, die von Gehöft zu Gehöft weitergereicht wurden, erhalten. Andernorts wurde mit einem Hammer an das Tor des jeweiligen Gehöfts geschlagen. In Sachsen waren u. a. hufeisenförmige Eisen im Umlauf, um die bevorstehende Gemeinde-/Gerichtsversammlung anzukündigen. Vgl. Ernst Burkhardt, »Es wird bekanntgemacht, daß […]«, inDer Rundblick 1962, S. 491 ff.

  47. 47Diese wurden mit auf den Gerichtsplatz gebracht, um rechtsgültige Eide ablegen zu können. Die Bilderhandschriften des Sachsenspiegels weisen eine Vielzahl solcher ­Szenen auf. Dabei steht regelmäßig das goldene Reliquiar auf einem säulenförmigen Unterbau. 

  48. 48Noch heute eindrucksvoll ist der Käfigpranger am Rathaus zu Oschatz. Vgl. dazu Heiner Lück, »Gericht und Recht im Oschatzer Land des 15./16. Jahrhunderts«, in Rat der Stadt Oschatz u. a. (Hg.), Oschatz 1238–1988. Beiträge zur Vergangenheit und Gegenwart der Stadt, Oschatz 1988, S. 12–19.

  49. 49Vgl. Heiner Lück, »Glocke«, in2HRG, 10. Lieferung, Berlin 2009, Sp. 403–408.

  50. 50Die Handglocke gehört noch heute zum Instrumentarium aller Versammlungs­leiter. Da die Akademiesitzungen Versammlungen sind, hat der Akademiepräsident auch eine solche Handglocke. Bei allen Glocken ist zu beachten, dass nicht jedermann diese ­bedienen darf. Es muss eine Berechtigung dazu vorliegen. 

  51. 51Die Wahlurne ist nach wie vor unverzichtbares Utensil bei geheimen Abstimmungen/Wahlen. Die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig besitzt verschließbare Wahlurnen, die aus gelbem und grauem Kunststoff hergestellt sind. Der Deutsche Bundestag verwendet edel erscheinende oval-zylindrische Blechgefäße in dezentem Grau. In der Antike benutzte man für Wahlen/Abstimmungen auch »Losmaschinen«. Vgl. dazu Reinhard Selinger, »Abstimmungen und Wahlen in Athen und Rom«, inForschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde 20 (2003), S. 35–51, hier S. 40–42.

  52. 52Vgl. dazu Clausdieter Schott, »Die Hornbläser von Zürich und Basel«, inZeitschrift für Schweizer Archäologie und Kunstgeschichte 65 (2008), S. 287–302.

  53. 53Längenmaße in Gestalt von Metallstreifen befinden sich u. a. am Gebäude der heutigen thüringischen Staatskanzlei in Erfurt. Ähnliches ist an den Rathäusern von Tangermünde, Eisenach, Hildburghausen, Regensburg u. a. zu sehen. Am Rathaus zu Aschersleben ist die Nachbildung einer Elle angebracht. Im dörflichen Gerichtsstein von Obermaßfeld (Thüringen) befinden sich zylindrische Vertiefungen, welche Volumina für Hohlmaße darstellen. In der Vorhalle des Münsters zu Freiburg i. Br. sind in Form von Ritzzeichnungen Längenmaße und die Größen von Backwaren angebracht. Von ihrer Funktion her sind diese »Normalmaße« vergleichbar mit dem in Paris aufbewahrten »Urmeter«.

  54. 54Der Sinn der Uniformen besteht darin, die Individualität ihrer Träger zurückzunehmen. Statt eines Individuums mit Namen und Persönlichkeit soll ein von einer Obrigkeit eingesetztes Subjekt in deren Auftrag (kenntlich durch Farben, Kokarde, Wappen etc.)handeln. Des Weiteren dient die Uniform der Erkennung zusammengehöriger Gruppen. Eine Rangordnung, die mit der Vergabe bestimmter Ränge und Rangabzeichen hergestellt wird, sichert das Funktionieren einer hochgradig arbeitsteilig agierenden Formation. Zu aktuellen Fragen der Uniform vgl. Sandro Wiggerich und Steven Kensy (Hg.), Staat Macht Uniform. Uniformen als Zeichen staatlicher Macht im Umbruch? (Studien zur Geschichte des Alltags 29), Stuttgart 2011.

  55. 55Z. B. die im 18. Jh. reglementierten Trachten der sächsischen Bergleute. Um die Abgrenzung von »Tracht« und »Uniform« wird gestritten. Des Öfteren ist auch von »Habit« die Rede.

  56. 56Andrzej Gulczynski, »Romanische Krummstäbe – Eine rechtsikonographische Analyse«, in Steppan und Gebhardt, Zur Geschichte des Rechts (Fn. 27), S. 117–131.

  57. 57Auch der Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig trägt zu feierlichen Anlässen eine Amtskette. Vgl. dazu allgemein Heiner Lück, »Kette«, in2HRG, 15. Lieferung, Berlin 2012 (im Druck).

  58. 58Heiner Lück, »Banner«, in2HRG 1 (2008), Sp. 436–438.

  59. 59Die sächsischen Notarsignets sind aufbereitet unter: www.archiv.sachsen.de/archive/dresden/4405_3132393732.htm (2.1.2012).

  60. 60Dabei handelt es sich um Vorgänger der Hausnummern. Je nach Vermögen und Repräsentationsbedürfnis wurden die Häuser, z. T. durch aufwendige Symbole aus Metall oder Stein gekennzeichnet. Heute sind diese zum größten Teil noch an Hotels, Wirts­häusern und Apotheken zu sehen. Zu Geschichte und Gestalt der Hausnummer vgl. Anton Tantner, Die Hausnummer. Eine Geschichte von Ordnung und Unordnung, Marburg 
2007.

  61. 61Ein solches mittelalterliches Marktkreuz ist heute noch in Trier zu sehen.

  62. 62Etwa das »Sendschwert« in Münster. Es wurde öffentlich während des »Sends«, das von Markttreiben begleitet wurde, aufgehängt. Der »Send« war das kirchliche Gericht. Vgl. Hans-Jürgen Becker, »Send, Sendgericht«, in HRG 4 (1990), Sp. 1630–1631.

  63. 63Vgl. dazu Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen e. V. (Hg.), Postsäulen und Meilensteine, Dresden 2007.

  64. 64Für Kursachsen im 18. Jh. vgl. Karl Czok, August der Starke und Kursachsen, ­Leipzig 1987, S. 58. Zu den Meilensteinen im heutigen Sachsen-Anhalt vgl. Wernfried ­Fieber, 

  65. 65leindenkmale am Strassenrand. Meilensteine in Sachsen-Anhalt«, inDenkmalpflege in Sachsen-Anhalt 2/2011, S. 40–53. 

  66. 66 Vgl. nur Heiner Lück, »Der Roland und das Burggrafengericht zu Halle. Ein Beitrag zur Erforschung der Gerichtsverfassung im Erzstift Magdeburg«, in Erich Donnert (Hg.), Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 1: Vormoderne, Köln/Weimar/Wien 1997, S. 61–81.

  67. 67Häufig wurden vom dörflichen Gerichtsstein aus Anordnungen der Dorfherrschaft verlesen/verkündet. In mehreren Dörfern wurde sogar noch 1914 die Kriegserklärung von einem Bauernstein aus verlesen. Aus dem Dorf Fienstedt (Saalekreis) ist ein Foto von etwa 1930 überliefert, auf dem zu sehen ist, wie der Dorfschulze, auf dem Bauernstein stehend, eine amtliche Bekanntmachung vorliest (Fieber, Lück und Schmitt, Bauernsteine, Fn. 41, S. 36).

  68. 68In Meura bei Neuhaus (Thüringen) steht eine alte Linde, an der ein Halseisen ­angebracht ist. Ein besonders interessantes Beispiel mit Inschriften stellt Witold Maisel vor: ders., »Der Meilenstein in Konin«, in Louis C. Morsak und Markus Escher (Hg.), Festschrift für Louis Carlen zum 60. Geburtstag, Zürich 1989, S. 513–519.

  69. 69Vgl. dazu Dieter Werkmüller, »Grenzstein, Grenzzeichen«, in2HRG, 11. Lieferung, Berlin 2010, Sp. 546–550. Eine gewisse Auswahl wurde vor einigen Jahren im Dorfzentrum von Badra in Thüringen zusammengetragen. Ähnliche Ansammlungen befinden sich in Freiburg i. Br., Wiechs am Randen (bei Konstanz) u. a. Vgl. dazu Nikolaus Philippi, Grenzsteine in Deutschland. Entstehung und Geschichte der Grenzsteine als Steinerne Zeugen in Wald und Flur, Bad Langensalza 2009.

  70. 70Das waren Steine, welche insbesondere Frauen, die kleinere Delikte begangen hatten, um den Hals gehängt wurden. Schöne Exemplare haben sich in Oschatz (am Rathaus hängend) und in Neustadt/Orla (hier in Gestalt einer Kröte, ebenfalls am Rathaus hängend [Kopie]) erhalten.

  71. 71Nach Art. 131, 133 der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 wurde die Kindesmörderin »gesäckt«. D. h., die zum Tode verurteilte Frau wurde zusammen mit einem Hund, Hahn o. ä. in einen Sack gesteckt und ins Wasser geworfen. Vgl. dazu Rolf Lieberwirth, »Ertränken«, in2HRG 1 (2008), Sp. 1417–1418; Christina Bukowska-Gorgoni, »Die Strafe des Säckens – Wahrheit und Legende«, in Forschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde 2 (1979), S. 145–162.

  72. 72Vor kurzer Zeit hat die Leiterin der Marienbibliothek zu Halle, Frau Shirley Brückner, einen interessanten Fund in Gestalt von Zetteln aus dem 18. Jh., die Lose einer Lotterie darstellen, gemacht. Es handelt sich um Sachzeugen eines »heiligen Spiels« der hallischen Pietisten. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.7.2011.

  73. 73Der typische Gerichtsbaum ist die Linde. Vgl. auch Heiner Lück, »Gerichtsstätte«, in2HRG, 9. Lieferung, Berlin 2009, Sp. 171–178, hier Sp. 174; Michael Brunner, Bedeutende Linden. 400 Baumriesen Deutschlands, Bern/Stuttgart/Wien 2007. 

  74. 74Vgl. dazu Peter Dinzelbacher, Das fremde Mittelalter. Gottesurteil und Tierprozess, Essen 2006.

  75. 75Das »Leibzeichen« spielte eine zentrale Rolle in Gerichtsverfahren, die die Ahndung von Tötungsdelikten zum Gegenstand hatten. Ein Vertreter der Familie des Opfers (später ein Vertreter der Gerichtsherrschaft) musste das »Leibzeichen« dem Gericht vorlegen, um es vom Vorliegen einer Missetat mit tötlichem Ausgang zu überzeugen. Der Leichnam selbst musste begraben werden. Vgl. dazu Heiner Lück, Die kursächsische Gerichtsverfassung 1423–1550 (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte 17), Köln/Weimar/Wien 1997, S. 193 f.; Adalbert Erler, »Leibzeichen«, in HRG 2 (1978), Sp. 1802–1804.

  76. 76Vgl. Dagmar Hüpper, »Handschuh«, in2HRG, 12. Lieferung, Berlin 2010, 
Sp. 749–751.

  77. 77Heiner Lück, »Farbensymbolik«, in2HRG 1 (2008), Sp. 1507–1513.

  78. 78Das waren häufig öffentliche Bücher (Stadtbücher, Gerichtsbücher etc.) mit rechtlich relevantem Inhalt. Deren Einband war auch tatsächlich rot. Vgl. z. B. Ulla Jablonowski, Das Rote oder Blutbuch der Dessauer Kanzlei 1542–1584 im Kontext der Verwaltungs- und Rechtsgeschichte Anhalts im 16. Jahrhundert, Beucha 2002.

  79. 79Z. B. der (nicht mehr vorhandene) Rote Turm auf dem Burgberg von Meißen. Er markierte die Gerichtsstätte des burggräflichen Gerichts. Heute ist er noch im Stadtwappen von Meißen zu sehen. Vgl. auch Lück, Kursächsische Gerichtsverfassung, Fn. 74, S. 113. Zur wahrscheinlichen Lage auf dem Burgberg, Manfred Kobuch, »Der Rote Turm zu Meißen – ein Machtsymbol wettinischer Landesherrschaft«, in Uwe John und Josef Matzerath (Hg.), Landesgeschichte als Herausforderung und Programm. Karlheinz Blaschke zum 
70. Geburtstag (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 15), Stuttgart/Leipzig 1997, S. 53–88.

  80. 80Typisch für Kirchtüren; vgl. Barbara Deimling, »Ad Rufam Januam. Die rechtsgeschichtliche Bedeutung von ›roten Türen‹ im Mittelalter«, inZeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 115 (1998), S. 498–
153.

  81. 81Im Märchen »Mein Liebster Roland« von den Gebrüdern Grimm verwandelt sich die Braut (also die rechtlich gebundene Jungfrau) in einen roten Feldstein.

  82. 82Wernfried Fieber und Reinhard Schmitt, »Spur der Blauen Steine – Zu einer in Vergessenheit geratenen Gruppe von Rechtsdenkmalen in Mitteldeutschland«, inArchäologie in Sachsen-Anhalt 4/II/2006, S. 412–423.

  83. 83Manche Rote Türme, wie z. B. jener von Halle an der Saale, dürften ihren Namen von dem in ihrer Nähe gehaltenen Gericht, häufig auch Blut- oder Hochgericht, erhalten haben.

  84. 84Vgl. dazu Wernfried Fieber und Reinhard Schmitt, »›Heiße Steine‹ in Mitteldeutschland – eine Problemanzeige«, inSIGNA IVRIS 1 (2008), S. 135–151.

  85. 85Das sind im Süden und Südwesten Deutschlands die »Weistümer«; im Nordosten die »Dorfordnungen«. Vgl. Dieter Werkmüller, »Weistümer«, in HRG 5 (1998), Sp. 1239–1252; Bernd Schildt, »Dorfordnungen«, in2HRG 1 (2008), Sp. 1133–1135.

  86. 86Vgl. auch Rolf Wilhelm Brednich, Tie und Anger. Historische Dorfplätze in Niedersachsen, Thüringen, Hessen und Franken, Friedland 2008.

  87. 87Auf dem Eichsfeld heißen die Bauernsteine »Angertische«. Vgl. Helmut Godehardt und Manfred Kahlmeyer, Die schönsten Dorfanger des Eichsfeldes, Heilbad Heiligenstadt 1986.

  88. 88Die verlassenen und verödeten Dorfstellen bildeten häufig »Wüstungsgemeinden«. Dabei handelte es sich um Bauern, die in der Mark des wüst gewordenen Dorfes Acker hatten. Ein solches Gericht tagte z. B. auf dem Geesthügel bei Nauendorf (Saalekreis). Gerichtsstätten befanden sich auch an wüsten Kirchen, etwa an der wüsten Kirche zu Lorenzrieth in der Goldenen Aue. An der wüsten Kirche des einstigen Dorfes Volkmannrode bei Stangerode (Landkreis Mansfeld-Südharz) tagte seit spätesten 1489 das »Rügegericht Volkmannrode«. Kurz nach 1700 wurde dort ein kleines Gerichtsgebäude errichtet (die »Rügegerichtshütte Volkmannrode«). Es dürfte sich um den ältesten gerichtlichen Zweckbau im deutschsprachigen Gebiet handeln. Vgl. dazu auch Heiner Lück, Spuren des Rechts in der Heimat Eikes von Repgow (Kulturreisen in Sachsen-Anhalt 10), Wettin 2010, S. 80–83.

  89. 89Z. B. in Effelder, Sachsenbrunn, Oberstadt (Thüringen). 

  90. 90Vgl. dazu Heiner Lück, »Schauplätze des Verfahrens. Zum Verhältnis von Gerichtsherrschaft, Gerichtsort und Richtstätte im frühneuzeitlichen Kursachsen«, in Jost Hausmann und Thomas Krause (Hg.), »Zur Erhaltung guter Ordnung«. Beiträge zur Geschichte von Recht und Justiz. Festschrift für Wolfgang Sellert zum 65. Geburtstag, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 141–160.

  91. 91Vgl. etwa den modernen Grenzstein auf dem Galgenberg in Gröst (Landkreis Saalekreis) und zu Füßen der Galgensäule von Klein-Schierstedt (Lück, Spuren des Rechts, Fn. 87, S. 100 f.).

  92. 92Z. B. das Henkerhaus in Bernau.

  93. 93Vgl. Jürgen Martschukat, Inszeniertes Töten. Eine Geschichte der Todesstrafe vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2000; Wolfgang Schild, »Endlicher Rechtstag«, in 2HRG 1 (2008), Sp. 1324–1327. Zu den strafrechtlich relevanten Gegenständen und Örtlichkeiten vgl. auch die materialreichen Werke von Ute Streitt, Gernot Kocher und Elisabeth Schiller (Hg.), Schande, Folter, Hinrichtung. Forschungen zu Rechtsprechung und Strafvollzug in Oberösterreich, Weitra 2011; Wolfgang Schild, Alte Gerichtsbarkeit. Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung, München 1980; ders., Folter, Pranger, Scheiterhaufen. Rechtsprechung im Mittelalter, München 
2010.

  94. 2Vgl. Heiner Lück, »Sachsenspiegel und Magdeburger Recht. Grundlagen für ­Europa. Eine Ausstellung des Landes Sachsen-Anhalt«, inDenkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften 4 (2010), S. 81–104, hier S. 83–92.

  95. 94John Meier, Ahnengrab und Rechtsstein. Untersuchungen zur deutschen Volkskunde und Rechtsgeschichte, Berlin 1950.

  96. 95Vgl. Heiner Lück, »Kirchenportal«, in2HRG, 16. Lieferung, Berlin 2012 (im Druck). Vgl. auch ders., »Der Magdeburger Dom als Rechtsort. Eine rechtsarchäologische Annäherung«, in Wolfgang Schenkluhn und Andreas Waschbüsch (Hg.), Der Magdeburger Dom im europäischen Kontext. Beiträge des internationalen wissenschaftlichen Kolloquiums zum 800-jährigen Domjubiläum in Magdeburg vom 1. bis 4. Oktober 2009, Regensburg 2012, S. 297–308.

  97. 96Vgl. dazu Ruth Schmidt-Wiegand, »Hochzeitsbräuche«, in2HRG, 13. Lieferung, Berlin 2011, Sp. 1068–1074; Heiner Lück, »Von Jungfrauen, Bräuten und Steinen. Der ›Brautstein‹ als Element archaischer Eheschließungsrituale«, in Sibylle Hofer, Diethelm Klippel und Ute Walter (Hg.), Perspektiven des Familienrechts. Festschrift für Dieter Schwab zum 70. Geburtstag, Bielefeld 2005, S. 205–226.

  98. 97Vgl. Lück, Spuren des Rechts (Fn. 87), S. 30–33.

  99. 98Meier, Ahnengrab und Rechtsstein (Fn. 93), S. VII.

  100. 99Z. B. in Stumsdorf (Landkreis Anhalt-Bitterfeld); siehe Fieber, Lück und Schmitt, Bauernsteine (Fn. 41), S. 70.

  101. 100o z. B. die Dorflinde in Höhnstedt (Saalekreis).

  102. 101Aus der Fülle der Literatur seien nur genannt, Hermann Fillitz, Die Schatzkammer in Wien. Symbole abendländischen Kaisertums, Salzburg/Wien 1986; Nikolaus Grass, Reichskleinodien-Studien aus rechtshistorischer Sicht (Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Philologisch-historische Klasse 248/4), Graz/Wien/Köln 1965.

  103. 102Vgl. Heiner Lück, »Der Galgen als Strafvollstreckungswerkzeug und Rechtssymbol. Mit einer Vorstellung zweier Galgensäulen in Sachsen-Anhalt«, inSIGNA IVRIS 1 (2008), S. 153–172.

  104. 103Vgl. dazu Heiner Lück, »Gerichtsgebäude«, in2HRG, 9. Lieferung, Berlin 2009, Sp. 150–155.

  105. 104Vgl. dazu Heiner Lück, »Justizarchitektur«, in2HRG, 14. Lieferung, Berlin 2011, Sp. 1475–1480.

  106. 105In Radewell (Ortsteil von Halle an der Saale) ist die tischartig glatte Seite des Bauernsteins mit einem Goethe-Zitat versehen worden (vgl. Fieber, Lück und Schmitt, Bauernsteine, Fn. 41, S. 58 f.).

  107. 106Vgl. dazu Heiner Lück, »Gerichtsbücher«, in2HRG 1 (2008), Sp. 144–150. 

  108. 107Der Bauernstein von Albersroda (Saalekreis) ist 1991 (»offensichtlich im Ergebnis einer nicht sehr erfolgreichen Suchtour nach alten Möbeln, Steinen und Trögen«) gestohlen worden (Mitteldeutsche Zeitung, Ausgabe Querfurt, vom 19.7.1991, S. 12). 

  109. 108Vgl. dazu Wernfried Fieber und Bodo Wemhöner, »Bedroht durch Steinraub, Straßenbau und Dorfsanierung – Neufunde und Verluste von Kleindenkmalen im mitteldeutschen Raum«, inArchäologie in Sachsen-Anhalt 4/II/2006, S. 424–431.

  110. 109Wernfried Fieber und Reinhard Schmitt, »Zum Stand der Inventarisation rechtsarchäologischer Denkmale in Sachsen-Anhalt«, inForschungen zur Rechtsarchäologie und Rechtlichen Volkskunde 13 (1991), S. 67–93; dies., »Rechtsarchäologische Denkmale in Sachsen-Anhalt: Ein Rück- und Ausblick nach zwanzig Jahren«, in SIGNA IVRIS (im Druck); Heinrich Riebeling, Historische Rechtsmale in Hessen, Dossenheim/Heidelberg 1988; Wilhelm A. Eckhardt, Gerichtsstätten in Hessen (www.lagis-hessen.de). 

  111. 110Für Sachsen: Gerhard Müller, Harald Quietzsch und Hans-Jochen Wendt, Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen, 3 Bde., Berlin 1977–1980; für Sachsen-Anhalt: Walter Saal, Steinkreuze und Kreuzsteine im Bezirk Magdeburg, Halle 1987; ders., Steinkreuze und Kreuzsteine im Bezirk Halle, Halle 1989; für Thüringen: Frank Störzner (Bd. 2 unter Mit­arbeit von Günter Möbes, Werner Gall und Bernd Bahn), Steinkreuze in Thüringen, 2 Bde., Weimar 1984/1988.

  112. 111Caspar Ehlers, Lutz Fenske und Thomas Zotz (Red.), Die deutschen Königspfalzen. Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters, Göttingen 1983 ff.

  113. 112Ulrich Rüger, Die historischen Grenzsteine des Rennsteigs in der Neuhäuser ­Region, Erfurt 2003.

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Heft 8 (2012)
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